Samstag, 22. November 2014
HoGeSa – kein Wunder (Arno Klönne)
Die Salafisten im deutschen Terrain werden gebraucht; ohne ihre Auftritte ließe sich eine »Volksgemeinschaft« von randalesüchtigen Fußballfans und militanten Neufaschisten nicht so leicht arrangieren. Zur Überraschung beamteter Sicherheitshüter präsentierten sich diese Milieus mit einem vereinten Erstauftritt in der rheinischen Metropole recht zahlenkräftig, obwohl für die einen das runde Leder ja gar nicht rollte und die anderen Wolfsangelfahnen nicht zeigen konnten; im Zeichen des »Kampfes gegen Gotteskrieger« wurde ein – wenn auch diffuses –Aktionsbündnis möglich: »HooligansGegenSalafisten«. Als »Wunder von Köln« feierte die Internetzeitung Politically Incorrect diesen Vorgang und wehrte alle Kritik an der Demonstration als verleumderisch ab; »friedliche Bürger« seien dort »verfassungstreu« aufmarschiert.
Weitere Demonstrationen dieses Genres wurden angekündigt, dann wieder abgesagt, vermutlich kommen demnächst neue Ankündigungen; die Szene ist mobil.
Die für »innere Sicherheit« zuständigen Behörden haben erst einmal noch damit zu tun, eine offizielle Sprachregelung für den Umgang mit »HoGeSa« zu finden. Offenbar hatten sie nicht die Zeit oder die Neigung, sich mit den durchaus vorhandenen und begründeten Warnungen vor einer Politisierung der Hooliganszene zu beschäftigen; und aus dem amtlichen Verfassungsschutz war Entwarnung gekommen: Nur 3,3 Prozent betrage der Anteil von »Rechtsextremisten« am gewaltbereiten Potential in den Stadien. So können Zahlen die Analyse ersetzen. Nicht gerechnet wurde mit der Möglichkeit, daß Aktionsdrang sich aus der Kurve auf die Politikstraße verlagern würde. Auch nicht damit, daß ein solcher Terrainwechsel von Arrangeuren vorbereitet und IT-methodisch beworben werden könnte.
Und nun – Demoverbote juristisch erleichtern? Die Polizeikräfte aufstocken? Oder sich lässig verhalten in der Erwartung, die HoGeSa-Performance werde sich bald wieder verflüchtigen?
Zu schlüssigen Einschätzungen der staatlichen Organe wird es in dieser Sache nicht so leicht kommen; parteientaktische Überlegungen stehen dem im Wege. Es gilt ja, aus Problemsituationen Gewinn für die eigene Politikfirma herauszuholen, unter Konkurrenzbedingungen und die Gefühlswelten beim jeweiligen Publikum berücksichtigend.
In der Anhängerschaft der CDU/CSU (von der AfD ganz zu schweigen), zum Teil auch der SPD und verschämt selbst am Rande der Linkspartei sind panische Stimmungen gegenüber der »Islamisierung« alles andere als eine Seltenheit. Zumeist steckt darin als Kern die Ablehnung angeblich »flutender«, als »Kostgänger« und Störenfriede betrachteter Zuwanderer, ob diese nun einen Koran mit sich führen oder nicht. (Die Grünen haben es da einfacher, in ihrer Alltagswelt finden sich eher bequem zu handhabende Immigranten.) Die Salafisten erscheinen dann als Speerspitze dieser »Invasion«, und gegen sie lautstark zu protestieren – was soll daran falsch sein? Allerdings: Ruhe und Ordnung müssen gewahrt bleiben, zu krawallig darf es beim Protest nicht zugehen. Und Hakenkreuze dürfen dort auch nicht zugelassen werden ...
Beruhigend trat in der Reaktion auf HoGeSa der Bundesinnenminister (CDU) auf: Polizeiadministrativ müsse man sich da Gedanken machen, aber Angst dürfe nicht aufkommen, diese Szene habe keine terroristischen Absichten. Der amtliche Blick gilt demnach vorrangig den islamistischen Haßpredigern. Unter Deutschen, so könnte man folgern, kann Haß nur vorkommen, wenn sie zum Dschihad konvertieren.
Der Bundesjustizminister (SPD) hat die Sorge, Gewaltbereitschaft könne sich in der Bundesrepublik »aufschaukeln«, auf der islamischen Seite, auf der echtdeutsch-rechten Seite, womöglich auch auf der linken Gegenseite. So kommt ein weiteres Thema in den HoGeSa-Diskurs: Militanz in der Antifa-Szene. Weit verbreitet und auch verfassungsschützerisch abgesegnet ist die Annahme, »linker Extremismus« stelle ein ebenso gewichtiges Problem dar wie rechter. Als diskutabel gilt vielfach die Meinung, er sei sogar noch gefährlicher als der rechte, zudem rufe er diesen erst hervor. Die nach Gesellschaftsfähigkeit drängende Richtung bei der Neuen Rechten (vertreten etwa durch die Junge Freiheit) propagiert diese Deutung. Zugleich pflegt sie Ressentiments gegen die »Überfremdung« Deutschlands. Das paßt zusammen. Die HoGeSa ist dann eben eine Nebenwirkung »undeutscher« Politik und falscher Toleranz gegenüber der Linken. Oder vielleicht sogar ein gar nicht nettes, aber doch nützliches Phänomen?
Die Krawallszene, schreibt ein Forist auf der Website von Sezession (Organ des neurechten »Instituts für Staatspolitik«) sei »kein hübscher Teil unseres Lagers, aber ein dringend benötigter«. Das klingt nach Kreuzzug. Auch bei einem solchen gab es ja immer Teilnehmer, die es etwas übertrieben; erwünscht von den Betreibern waren auch die ...
Ein Wunder ist HoGeSa nicht. Arrangeure sind dort zu erkennen, auch ideologische Vorbereiter – und Interessenten, die sich selbst dem Krawall fernhalten. Das »Lager«, mit dem behördlichen Begriff »Rechtsextremismus« keineswegs treffend benannt, hat seine stilistische Vielfalt und dennoch gemeinsame Wirkkraft.
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