Samstag, 22. November 2014
Mobilisierung der Gegengeister
Linke Außenpolitikexperten prognostizieren Vorstöße zur massiven Erhöhung des Rüstungshaushalts 2016 und fordern Protest
Die Informationsstelle Militarisierung warnt vor militärisch gestützten Großmachtambitionen Deutschlands. Sie will Aktivisten fit machen, um diese Entwicklung zu stoppen.
Wer auf Dauer erfolgreich Krieg führen will, der braucht Unterstützung an der Heimatfront. Letztes Wochenende fand in Tübingen der Jahreskongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) statt. Dort wurde nicht nur aufgezeigt, dass wesentliche Teile der deutschen Eliten auf noch mehr militärische Abenteuer setzen, sondern auch, dass wir längst in der dafür notwendigen geistigen Mobilmachung stecken. Ein wesentliches Anliegen der Veranstalter war es, Aktivisten dafür fit zu machen, dieses Vorhaben zu durchkreuzen. Rund 120 Menschen aus der gesamten Bundesrepublik waren der Einladung ins Schlatterhaus gefolgt. Der Tübinger Verein ist in Friedenskreisen für seine kritischen Analysen der deutschen Außenpolitik bekannt, die er regelmäßig auf seiner Homepage veröffentlicht.
Die Blaupause des drohenden Militarisierungsschubs liefert laut Jürgen Wagner, geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle, ein letztes Jahr erarbeitetes Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mit dem Titel »Neue Macht, neue Verantwortung«. In diesem Bericht einer 40-köpfigen Arbeitsgruppe aus Politikern, Professoren und Journalisten zur neuen deutschen Außenpolitik werde vorgeschlagen, dass Deutschland die USA stärker in ihrer Rolle als Weltordnungsmacht unterstützt, um im Gegenzug eine stärkere Berücksichtigung deutscher und europäischer Interessen einzufordern. Prominent in die Öffentlichkeit getragen wurden diese Thesen durch Bundespräsident Joachim Gauck auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz. Sein damaliger Redenschreiber, Thomas Kleine-Brockhoff, war als Mitarbeiter der SWP an der Erstellung dieses Papiers beteiligt.
Claudia Haydt referierte, wie für diese Pläne Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird. Dabei bezog sich die IMI-Expertin auf eine Studie des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger zur Verflechtung wichtiger Journalisten mit Eliten aus Politik und Wirtschaft. Die Studie erlangte einige Berühmtheit durch die Satiresendung »Die Anstalt«. Als wichtige Elemente in den Diskursstrategien dieser Netzwerke machte Haydt neue Begriffen wie »erweiterte« oder »vernetzte Sicherheit« aus, die Sicherheit mit einer militärischen Komponente verknüpfen sollen.
Jürgen Wagner prognostizierte für die nächsten beiden Jahren eine intensive Debatte über eine substanzielle Erhöhung des Rüstungshaushalts 2016. Das militärische Transportflugzeug Airbus A400M ist ein konkretes Beispiel, wofür das zusätzliche Geld ausgegeben werden könnte. Bisher sei geplant, die entstandenen Mehrkosten durch den Verkauf einiger Maschinen auszugleichen. Mittlerweile gebe es aber Gerüchte, dass sie doch selbst behalten werden sollen, da sie für Einsätze in der Ukraine gebraucht würden, wie auf dem Kongress berichtet wurde.
Die Ukraine gilt dem IMI-Team als »Testfall für die neue Strategie der deutschen Außenpolitik«. Sollte die militärische Lage dort weiter eskalieren, wünschen sie sich starke Proteste der Friedensbewegung. Die deutschen Ambitionen auf mehr Einfluss in der Weltpolitik sind vorhanden. Jetzt gelte es, »dagegen zu mobilisieren, dass das nicht Wirklichkeit wird«, forderte Tobias Pflüger, stellvertretender Vorsitzender der Linkspartei, in Tübingen.
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