Hier
spiegle ich eine Filmkritik der antifaschistischen aktion Nr. 33 –
April 2017 aus Österreich über den Kinofilm „Der junge Karl Marx“ von
Raoul Peck (weitere Infos zu diesem Film gibt es auf diesem Blog hier und hier):
Der Film „Der junge Karl Marx“ ist Thema. Gewerkschaften veranstalten Filmabende in angemieteten Kinos, die Sozialistische Jugend macht ebenso Filmvorführungen, wie Grazer KPÖ und Kommunistische Jugend (KJÖ) die „Graz-Premiere“ des Films für ihre Politevents nutzen. Auch in den Kritiken der verschiedenen Tageszeitungen der Republik kommt der Film nicht schlecht weg (in Deutschland ist das übrigens nicht so, aber das ist eine andere Geschichte). Was steckt also dahinter, wenn
alle so begeistert sind? Vermittelt der Film tatsächlich ein
realistisches, politisch taugliches Bild der frühen Entstehungsjahre des
Marxismus?
Den Eindruck könnte man auf den ersten Blick durchaus gewinnen, überrascht es doch, dass sich der Regisseur Raoul Peck wirklich vieler Zitate von Karl Marx und Friedrich Engels bedient und in mehreren Szenen Erlebnisse und Abläufe sehr genau so darstellt, wie sie auch im Briefwechsel von Marx und Engels überliefert sind. So weit, so gut. Mitreißend und eindrucksvoll sind auch die theoretischen Auseinandersetzungen
dargestellt, welche die beiden Begründer des wissenschaftlichen
Sozialismus gegen allerlei Vertreter unwissenschaftlicher, utopischer,
oder anarchistischer Vorstellungen auszufechten hatten. Allen voran sei
hier der Kampf erwähnt, den Marx und Engels für eine neue Hauptlosung
des „Bundes der Gerechten“, die zuvor „Alle Menschen sind Brüder!“
lautete, führten: Sie setzten durch, dass das alte Motto ersetzt wurde durch das noch heute berühmte „Proletarier
aller Länder, vereinigt euch!“. Im Zuge dieses Kampfes wurde der „Bund
der Gerechten“ auch umbenannt in „Bund der Kommunisten“, er wurde unter
der Führung von Marx und Engels reorganisiert und damit die erste
historische Form der Kommunistischen Partei. Dass all das so positiv und
gegebenenfalls inspirierend dargestellt wird, macht den Film zu einem
guten bürgerlichen Film. Aber in Fragen der Kultur und Kunst ist es
nicht anders, wie mit jedem anderen Tätigkeitsfeld der menschlichen
Gesellschaft auch – es gibt darin kein Ding, das nicht den Stempel der
Ideen der einen oder anderen Klasse trägt, so auch „Der junge Karl
Marx“.
Obwohl sich das Regie- und Autorenteam Raoul Peck und Pascal Bonitzer sichtlich bemühten, kommen sie aus ihrer bestenfalls kleinbürgerlich-antiimperialistischen Weltanschauung
nicht heraus. Für sie sind die frühen Entstehungsjahre des Marxismus im
Wesentlichen eine Zeit der Diskussion und der theoretischen
Auseinandersetzung. So kommt die Klasse der Karl Marx und Friedrich
Engels ihr ganzes Schaffen widmeten, die Arbeiterklasse, nicht als
Subjekt vor, sondern bloß in der Rolle beeindruckender Statisten. Das
Proletariat hört bei Vorträgen zu und ist Gegenstand der Diskussionen
einiger Intellektueller, unter ihnen auch Marx und Engels. Aber es hat
im Film keine aktive Rolle, geschweige denn, dass die Teilnahme von Marx
und Engels an den politischen und gewerkschaftlichen Kämpfen des
Proletariats dargestellt werden würde.
Die
beiden prominentesten Frauen des Films trifft ein ähnliches Los. Mary
Burns, tatsächlich die lebenslange große Liebe von Friedrich Engels,
erscheint auf der Leinwand zwar als entschlossene Aktivistin, aber nicht
als Proletin die in der Führung der internationalen Arbeiterbewegung
ihrer Zeit eine wichtige Rolle spielte und daher auch in die
ideologischen Kämpfe eingriff. Ebenso Jenny von Westphalen, die Frau von
Karl Marx. Sie ist im Film eine liebende, sich sorgende und ihrem Mann
treu ergebene Unterstützerin. Dass sie tatsächlich oftmals allein die
Familie Marx zu erhalten hatte, tat sie jedoch aus der Einsicht heraus,
dass sie verheiratet war mit dem weltweit wichtigsten Führer der noch
jungen Arbeiterbewegung und ihm aus diesem Grund bestmögliche
Bedingungen und genügend Zeit für seine Arbeit verschaffen wollte. Jenny
von Westphalen erkannte die Rolle, die Marx für das internationale
Proletariat spielte und zog daraus Schlüsse wie sie seine
Führungstätigkeit unterstützen kann, womit sie vor allem der
Arbeiterklasse diente. Auch diese bewusst ideologische Entscheidung wird
übergangen, weshalb die Filmfigur der Jenny von Westphalen den
patriarchalen Ansichten einiger Kleinbürger gefallen mag, aber nichts
mit der ideologischen Entscheidung für die proletarische Führung zu tun hat. Am Schluss des Films heißt es dann noch, dass Marx und Engels mit dem „Manifest“ das Programm einer „noch nicht existierenden (!) Kommunistischen Partei“ entwarfen, was natürlich vollkommen falsch ist, vor allem wenn man bedenkt, dass nur wenige Minuten zuvor im Film die Gründung des Bundes der Kommunisten gezeigt wird, also die Gründung der ersten historischen Form der Kommunistischen Partei. Diese parteifeindliche Haltung der Regisseure geht dann auch im Abspann des Films weiter, in dem brennendes Geld, Che Guevara, Patrice Lumumba und verschiedene Protestbewegungen
und Revolten gezeigt werden, aber nicht Lenin, die sozialistische
Oktoberrevolution oder die chinesische Revolution, die den Lauf der Welt
vollkommen veränderten.
„Der junge Karl Marx“ stellt mit seinem Detailreichtum und seiner Quellentreue ein Werk des bürgerlichen Realismus dar, womit er Ausdruck des „Besten“ ist, was die herrschende Klasse heute noch zu bieten hat. Wie es bei diesem Standpunkt zu Kunst und Kultur jedoch üblich ist, werden die Rolle der Massen, ihre Ideologie und
ihre Führung geleugnet. Einen Film zu machen der das Thema vom
proletarischen Standpunkt aus behandelt, ist nicht Aufgabe der
Herrschenden, sondern muss in Zukunft von einer revolutionären, roten Kulturbewegung in Angriff genommen werden. Bis es soweit ist, könnte der Film vielleicht den einen oder anderen jungen Menschen dazu motivieren, einige Werke von Marx und Engels zu lesen. Damit wäre jedoch das positive Potenzial des Films, der den Marxismus als radikal-intellektuelle Bewegung darstellt und ihn damit für die Herrschenden annehembar macht, auch schon erschöpft.
Anhand der Begeisterung die dieser Film in gewerkschaftlichen und politischen Kreisen
teilweise hervorruft, sehen wir deutlich, dass die ideologische
Auseinandersetzung und der Kampf um eine feste, kämpfende Weltanschauung
gerade in Fragen der Kultur und Kunst nicht vernachlässigt werden darf,
sondern sehr wichtig ist. Gerade auf diesem Feld verstehen es die
Herrschenden noch all zu oft Dinge zu produzieren, die so „gut“ sind,
dass viele politische AktivistInnen und rebellische Menschen darauf
hereinfallen. Aber vielleicht motiviert der Film entgegen seines eigenen
Klassencharakters ja gerade deshalb auch den einen oder anderen dazu,
sich den marxistischen Standpunkt zu Kultur und Kunst umfassender
anzueignen und Klarheit über die revolutionären Formen zur Darstellung
der Wirklichkeit zu erlangen. In diesem Fall hätte der Regisseur
tatsächlich ein wichtiges Werk geschaffen, wenn auch höchst
unfreiwillig.
Quelle: antifaschistische aktion Nr. 33 – April 2017, S. 6-7
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