Dienstag, 30. Mai 2017

Familien von Verschwundenen in Mexiko bauen genetische Datenbank auf



Saltillo, Mexiko.
Verwandte von Verschwundenen aus 25 Organisationen Mexikos haben die Einrichtung einer genetischen Datenbank vereinbart. Als erster Schritt sei mit der Regierung des Bundesstaates Coahuila vereinbart worden, dass den in der Hauptstadt Saltillo anwesenden Angehörigen DNA-Proben entnommen werden, die in ein landesweites Projekt eingehen. Ziel sei, mehr Vergleichsmaterial zur Verfügung zu haben für die bereits aufgefundenen menschlichen Überreste. Mit diesem Beschluss und einer siebentägigen "Internationalen Karawane zur Suche nach den Verschwundenen" wollten die Verbände einen Beitrag zu der "Rekonstruktion des gesellschaftlichen Gefüges leisten, das durch die Gewalt so sehr zerstört wurde", erklärte der Koordinator der Demonstration, Julio Sánchez [3]. An der Karawane, die am 14. Mai startete und durch mehrere Städte Coahuilas zog, nahmen auch Organisationen von Familien aus Zentralamerika und den USA teil, deren Angehörige in Mexiko verschwanden.
Anders als in anderen lateinamerikanischen Ländern ist das "erzwungene Verschwinden" in Mexiko kein Erbe einer Militärdiktatur oder eines vergangenen Bürgerkrieges. Laut dem "Nationalen Datenregister vermisster und verschwundener Personen" sind bis zum April dieses Jahres 30.973 Menschen in Mexiko als vermisst gemeldet worden. Das Verschwindenlassen wird von Vertretern des Militärs, der Polizei und des organisierten Verbrechen systematisch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Dies soll auch der Fall bei der international bekannt gewordenen Entführung von 43 Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa im September 2014 gewesen sein. Hinter dem bis heute nicht aufgeklärten Verschwinden werden Polizeikräfte der Kreisstadt Iguala, des Bundesstaates Guerrero und der Nationalpolizei sowie Mitglieder der Mafia-Organisation "Guerreros Unidos" vermutet.
Die Zusammenstellung der genetischen Datenbank in Coahuila zählt zu den zahlreichen Initiativen von gesellschaftlichen Organisationen gegen die gravierende Menschenrechtskrise des Landes. Projekte wie das von der britischen Universität Durham finanzierte "Ciencia Forense Ciudadana [4]", das bei der Suche und Identifizierung von Opfern unterstützen soll, zielen auch darauf, die Ineffizienz des Staates auszugleichen. So verfügt zwar die Generalstaatsanwaltschaft über 32.000 genetische Profile in ihrer Datenbank, bis April dieses Jahres wurden jedoch nur 577 genetische Übereinstimmungen [5] festgestellt. Die niedrige Erfolgsrate liegt zum einen an dem Mangel an spezialisiertem Personal. Zum anderen kooperieren die bundesstaatlichen und die regionalen Datenbanken nicht mit einander.
Auf Kritik [6] bei Opferverbänden ist indes das im April vom Senat verabschiedete "Gesetz für erzwungenes Verschwinden und Verschwindenlassen" gestoßen, weil es weder die Bedürfnisse der Betroffenen noch die Standards von internationalen Menschenrechtenabkommen erfülle.
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