Vor extremer Gewalt in Mittelamerika Flüchtende auch in Mexiko schutzlos
Ärzte ohne Grenzen, 12. Mai 2017
Mexiko City/Berlin, 12. Mai 2017. Menschen auf
der Flucht vor extremer Gewalt in Honduras, Guatemala
und El Salvador werden in Mexiko erneut angegriffen,
missbraucht und bedroht. Wie ein neuer Bericht von Ärzte
ohne Grenzen zeigt, haben sie keinen Zugang zu
ausreichender medizinischer Versorgung. Die aggressive
Abschiebungspolitik verschlimmert ihre Situation.
„Das Leid und die unablässige Gewalt, die viele dieser
Menschen in Honduras, Guatemala und El Salvador
durchmachen mussten, ähnelt dem, was wir in
Konfliktgebieten beobachten“, sagt Bertrand Rossier,
Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Mexiko. „Mord,
Entführungen, Drohungen, Anwerbung durch bewaffnete
Gruppen, Erpressung, sexuelle Gewalt und Zwangsvertreibung
- das kennen wir aus Kriegen oder Konflikten. Das ist aber
auch Realität für die Menschen aus dieser Region
Mittelamerikas.“
Der Bericht „Forced to Flee from the Northern Triangle of
Central America - A Neglected Humanitarian Crisis” basiert
auf medizinischen Daten aus zwei Jahren, Patientenumfragen
und Zeugenaussagen, die die Teams von Ärzte ohne Grenzen
bei ihrer Arbeit in Mexiko gesammelt haben. Von den 467
Interviewten nennen 39 Prozent als Hauptfluchtgründe
direkte Angriffe oder Drohungen gegen sie selbst oder ihre
Familie sowie Erpressung und erzwungene Anwerbung durch
Banden. 68 Prozent berichten, auf ihrem Weg durch Mexiko
Opfer von Gewalt geworden zu sein. Insgesamt erlebten 92
Prozent der Patienten der psychologischen Programme von
Ärzte ohne Grenzen in den Jahren 2015 und 2016 Gewalt in
ihrem Heimatland oder auf der Flucht.
Honduras, Guatemala und El Salvador bilden eine der
gewalttätigsten Regionen der Welt, doch Migranten und
Flüchtlinge von dort gelten in Mexiko und den USA meist
als Wirtschaftsflüchtlinge. Trotz ihrer Bedürfnisse wird
ihnen nur selten Asyl gewährt. „Es gibt sicher Menschen,
die diese Länder aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.
Unser Bericht zeigt aber, dass die meisten eingeschüchtert
und schutzbedürftig sind. Sie fliehen, um ihr Leben und
das ihrer Familien zu retten“, sagt Rossier. „Versuche,
die Menschen durch verstärkte Grenzüberwachung,
Inhaftierung und Ausweisung aufzuhalten, wie es Mexiko und
die USA tun, ignorieren diese humanitäre Krise. Sie
verhindern die Geschäfte von Schleppern nicht, haben aber
verheerende Konsequenzen für das Leben und die Gesundheit
der Fliehenden.“
Ärzte ohne Grenzen ruft die Regierungen von El Salvador,
Guatemala, Honduras, Mexiko, den USA und Kanada auf,
Alternativen zur Internierung der Schutzsuchenden zu
schaffen und den völkerrechtlichen Grundsatz der
Nicht-Zurückweisung („Non-Refoulement“) einzuhalten. Die
Länder sollten auf legale Umsiedlung und
Familienzusammenführung setzen, so dass Menschen aus dem
nördlichen Mittelamerika mit internationalem
Schutzanspruch und Anspruch auf Asyl nicht mehr ihr Leben
und ihre Gesundheit riskieren müssen.
Ärzte ohne Grenzen leistet in Mexiko seit 2012
medizinische und psychologische
Hilfe für Migranten und Flüchtende aus Honduras,
Guatemala und El Salvador.
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