Erdogan war da: Zwischen „not welcome!“ und „very welcome!“
-
Nun ist er wieder weg. Und so sehr auch mediale Anstrengungen gemacht
werden, irgendwelche Differenzen mit dem (unter anderem:
Anti-Flüchtlings-, Waffen-, Anti-Kurden-, Geschäfts-) Partner aus Ankara
heraus zu stellen, bleibt fest zu halten: Der Ausnahmezustand, den
bundesdeutsche Behörden für ihn in Berlin und Köln organisierten, der
von Demonstrationsverboten über – von einer unsäglichen Meute
hingenommen – Journalisten-Entfernung aus Pressekonferenzen bis hin zum
Geleitschutz für die, die „mit dem Wolf grüßen“ reichte, zeigt
überdeutlich, dass der Pakt steht. Willkommen war er aber nicht nur
Bundesregierung&Co sondern auch jenen, die seine Massenbasis auch in
der BRD stellen: Alles was faschistisch und nationalistisch ist in der
Migrations-Community. Nicht willkommen war er vielen tausend Menschen
bei Protesten in beiden Städten – die unter anderem auch deswegen
kleiner ausfielen, als viele erwartet hatten, weil es sehr viele mehr
oder minder gleichzeitige Aktionen gab, die die Gefahr der Verzettelung
mit sich brachten, aber eben auch eine große Demonstration in Hamburg.
Siehe zum Erdogan Besuch fünf aktuelle Beiträge:
- „Demonstration mit 8.000 Teilnehmern beendet“ am 28. September 2018 bei der ANF berichtet über die Berliner Proteste: „Neben
zahlreichen Transparenten und Schildern, auf denen der Staatsterror in
der Türkei verurteilt wurde, führten die Demonstrant*innen auch eine
riesige PKK-Fahne mit sich. Es fanden etliche Aktionen des zivilen
Ungehorsams statt. So ließen Jugendliche einen Ballon mit dem Bild
Öcalans steigen und immer wieder wurden Fahnen der kurdischen
Freiheitsbewegung gezeigt. Die Polizei nahm mehrere Teilnehmer
vorübergehend fest. Auf der Abschlusskundgebung sprachen unter anderem
ein Vertreter der exilierten „Akademiker für den Frieden“ und der
ehemalige HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız. Sie alle verurteilten die
Zusammenarbeit mit dem Erdoğan-Regime scharf. Sarıyıldız hob hervor,
dass Deutschlands Unterstützung den Diktator in der Türkei zu noch
brutalerem Vorgehen ermutige. Er verglich die Gleichschaltung von
Justiz, Polizei und Armee mit dem Vorgehen der Nazis. Rainer Braun vom
Friedensbüro rief zu gemeinsamem Einsatz für den Frieden auf und Yüksel
Koç vom kurdischen Dachverband KCDK-E forderte die sofortige Einleitung
eines Friedensprozesses und Freiheit für den „Architekten des Friedens
Abdullah Öcalan“. Statt Waffen zu liefern, müsse die Bundesregierung
endlich dafür sorgen, dass in der Türkei ein Friedensprozess eingeleitet
wird. Rebecca von Seawatch und Welcome United kritisierte den
staatlichen Rassismus scharf und sagte, dass Deutschland durch seine
permanenten Waffenexporte immer wieder neue Fluchtursachen schaffe…“
- „Erdoğans Schläger spielen sich in Köln auf, Polizei schaut zu“ am 29. September 2018 ebenfalls bei der ANF über die Kölner Aktivitäten von Erdogans Leuten: „Wieder
einmal ist deutlich geworden, dass die Verbote von Kundgebungen und
politischen Auftritten Erdoğans durch den deutschen Staat nur Show sind.
Bei der Eröffnung der DITIB-Moschee in Köln versammelten sich Anhänger
des Diktators bereits in den Morgenstunden um die Moschee. Die Polizei
versuchte zu verhindern, dass die mehrheitlich aus Anhängern
extremnationalistischer und rechtsextremer türkischer Gruppierungen
bestehende Menschenmenge sich der Moschee nähert. Die Stadtverwaltung
von Köln hatte eine öffentliche Großveranstaltung um die Moschee gestern
verboten. Dennoch versammelten sich extremnationalistische Gruppen
zusammen mit AKP-Anhängern vor der Moschee, zeigten den rechtsextremen
Wolfsgruß und riefen den dschihadistischen Schlachtruf „Tekbir.“ Diese
Show der Erdoğan-Anhänger ging mehrere Stunden. Eine Stunde vor der
Ankunft Erdoğans passierte eine Gruppe in Anzügen gekleideter Personen
die Polizeisperren und errichtete einen Sicherheitskordon für Erdoğan…“
- „3000
Polizisten, drei Flugzeuge und ein Präsident“ von Jana Stegemann, Hakan
Tanriverdi und Christian Wernicke am 29. September 2018 bei der
Süddeutschen Zeitung online
zeigt einerseits schon in der Überschrift das massive bundesdeutsche
Aufgebot für Erdogan – und dass es kritisiert wird, weil es immer noch
nicht das Repressionsniveau der Türkei erreicht: „Und so standen am
frühen Samstagmorgen deutlich weniger Menschen als erwartet in der
Venloer Straße im Stadtteil Ehrenfeld, eine der wichtigsten
Ausfallstraßen Kölns. Es sind einige Tausend statt der erwarteten 25
000. Es sind die, die darauf, hoffen, dass Erdoğan sich der Menge zeigt.
Zu sehen sind viele Türkeiflaggen, auch von einer Häuserwand hängt eine
große Flagge. Gegenüber, beinahe unsichtbar, ist ein weißes Stück
Papier ins Fenster geklebt. “Erdoğan go Home” steht darauf. Fast alle
übersehen es. Erst als eine großes Transparent aufgehängt wird, fängt
die Menge zu buhen an. Auf dem Plakat steht: “Für Demokratie,
Meinungsfreiheit und Menschlichkeit – Erdoğan Not welcome.” Ein Mann
wirft einen kleinen Stein. Umstehende versuchen, die Lage zu beruhigen,
es gelingt ihnen nicht. ‘Nazis raus’ wird gebrüllt, die Situation droht
zu kippen. Das Plakat ist nach fünf Minuten weg. Die Stimmung beruhigt
sich kurz darauf, es wird wieder skandiert. Der Stein hat das Fenster
getroffen, es ist zersprungen. Zwei Kilometer von der Moschee entfernt
sind die Machtverhältnisse umgekehrt, auf dem Ebertplatz demonstrieren
Hunderte gegen den Erdoğan-Besuch. Die Alevetische Gemeinde Deutschland
hatte zu dem Protest aufgerufen. Ihr Vorsitzender Hüseyin Mat sagt vor
den fahnenschwenkenden Demonstranten: “Der Diktator Erdoğan und die von
ihm verfolgte Politik verdienen einen solchen herausgehobenen
Staatsempfang durch Bundespräsident Steinmeier nicht. Die AKP-Regierung
unter Erdoğan wandelt die Türkei in einen totalitären Staat um.” Die
Kundgebung auf dem Ebertplatz ist die zweitgrößte angemeldete Demo an
diesem Tag in Köln, wo mehr als 3000 Polizisten den türkischen
Präsidenten und neun angemeldete Demonstrationen schützen müssen…“
- „Drohung an die Opposition“ von Aert van Riel am 28. September 2018 in neues deutschland fasst die innenpolitische Kooperation der beiden Regierungen einleitend so zusammen: „Bei
seinem Besuch in Berlin hat der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdoğan eigentlich selbst die besten Argumente dafür geliefert, warum er
kein Partner der Bundesregierung sein sollte. Bereits vor seiner
Ankunft hatte die Regierung in Ankara von Berlin die Auslieferung von
Menschen gefordert, die in der Türkei unter »Terrorverdacht« stehen. In
dem Land reicht schon eine kritische Berichterstattung über die
Herrschenden aus, um diesen Stempel aufgedrückt zu bekommen. So soll der
nicht nur in Berufskreisen geschätzte türkische Journalist Can Dündar,
der im deutschen Exil lebt, laut Erdoğan ein »Agent« sein, der
»Staatsgeheimnisse verraten hat«. Bizarrer geht es nicht. Die
Bundesregierung wird Dündar sicherlich nicht ausliefern. Es ist aber
erschreckend, dass Kanzlerin Angela Merkel dem türkischen Staatschef
zugesagt hat, mit ihm gemeinsam den »Terrorismus« bekämpfen zu wollen.
Darunter werden auch linke kurdische und türkische Oppositionelle
leiden, die sich in der Bundesrepublik aufhalten…“
- „Erdogan-Besuch: Ein Eklat nach dem anderen“ von Kevin Hoffmann am 29. September 2018 bei Perspektive Online
ist ein Überblick über die endlose Reihe von Ereignissen vor und
während des Besuchs, die nur dann ein Skandal wären, wenn die
Regierungs-Partnerschaft nicht so demonstrativ begangen würde. Hier am
Beispiel Wirken der Geheimdienste und Abschaffung der Pressefreiheit
(unter Kooperation der JournalistInnen): „Bereits vor dem Besuch
soll Erdogan der deutschen Bundesregierung eine sogenannte „Terrorliste“
mit 69 Namen übergeben haben und soll die Festnahme und Auslieferung
der darauf genannten Menschen gefordert haben. Auf der Liste soll sich
auch der Journalist Can Dündar befinden. Die Zusammenstellung soll neben
den Namen auch die genauen Adressdaten und Fotos der Betroffenen
enthalten. Die Aufnahmen sollen die „Verdächtigen“ zeigen, wie sie ihre
Wohnungen betreten und verlassen. Die Betroffenen müssen demnach von
Agenten des türkischen Geheimdienstes ausgespäht worden sein. (…) Fast
wäre gleich einer der ersten öffentlichen Termine auf der Agenda des
Staatsbesuches ausgefallen. Erdogan drohte damit, die gemeinsame
Pressekonferenz mit Kanzlerin Merkel platzen zu lassen, sollte der
Journalist Can Dündar daran teilnehmen. Dündar selbst sagte daraufhin
seine Teilnahme an der Pressekonferenz ab. So willigte Erdogan dann doch
ein. Ein Journalist der türksichen Zeitung Evrensel wurde gar nicht erst zur Pressekonferenz zugelassen. Auf der Pressekonferenz selbst wurde dann der taz-Journalist
Adil Yigit von Sicherheitsbeamten gewaltsam abgeführt. Sein Vergehen?
Er trug ein T-Shirt, auf dem Freiheit für die in der Türkei im Gefängnis
sitzenden JournalistInnen gefordert wurde. Eigentlich eine
selbstverständliche Forderung, scheinbar jedoch nicht in der Anwesenheit
Erdogans. Dieser belächelte den Vorgang zufrieden…“
- Erdogan in Berlin empfangen: Mit „Jubeltürken“ und vielen Protesten
„„In der Türkei herrscht derzeit ein de facto Ausnahmezustand vor.
Vorsitzende politischer Parteien, Abgeordnete, Bürgermeister,
Journalisten und Intellektuelle sitzen in Haft. Vor diesem Hintergrund
ist jedes diplomatische Gespräch, das mit dem Erdoğan-Regime geführt
wird und bei dem diese Umstände unerwähnt bleiben, ein Schlag in das
Gesicht der Völker der Türkei“, erklären Politikerinnen und Politiker
der Vertretung der Demokratischen Partei der Völker in Deutschland zu
dem in dieser Woche stattfindenden Staatsbesuch Erdoğans in Deutschland.
Weiter heißt es in der Botschaft zum Besuch Erdoğans: Wie öffentlich
bereits breit diskutiert wird, wird sich der türkische Staatspräsident
zu einem offiziellen Besuch in Deutschland einfinden. Dieser Besuch, der
für viel Zündstoff und Kritik sorgt, findet auf Grundlage einer
Einladung statt. Denn nach den Wahlen vom 24. Juni in der Türkei hatte
der deutsche Staatspräsident Steinmeier seinen neugewählten Amtskollegen
nach Deutschland geladen. Der gewählte Zeitpunkt für den Antritt der
Reise hingegen hat in direkter Weise mit der wirtschaftlichen Krise in
der Türkei und politischen Legitimitätsverlust Erdoğans im In- und
Ausland zu tun. Dass die Bundesregierung inmitten einer solch
turbulenten Phase mit ihrer Haltung die Botschaft verlauten lässt, dass
sie hinter Erdoğan steht, ist mindestens als bedenklich zu werten…“ – aus der Dokumentation „Botschaft der HDP-Deutschland zum Erdoğan-Besuch“ am 26. September 2018 bei der ANF ,
worin die Kritik an der Unterstützung des AKP-Regimes durch die
Bundesregierung aktuell zusammengefasst wird. Zum Beginn des
Erdogan-Besuchs drei weitere aktuelle Beiträge:
- „Warten auf Rückkehr“ am 24. September 2018 bei medico international macht eindringlich Freundschaften deutlich: „Die
Situation der etwa 100.000 Flüchtlinge aus Afrin in Sheba spitzt sich
zu: medico stellt erneut Mittel für Nothilfe zur Verfügung, während
Erdoğan einen Staatsempfang in Berlin bekommt. Die Hitze macht
den Menschen in den provisorisch errichteten Flüchtlingscamps besonders
zu schaffen. Ob Skorpionbisse, schlechte Wasserqualität oder
Mangelernährung – die Situation für die etwa zehntausend Flüchtlinge aus
Afrin ist in den drei provisorisch errichteten Camps schwer
auszuhalten. Etwa 100.000 Personen halten sich insgesamt in der Region
Tal Refaat, auch Sheba genannt, auf – umgeben von Regierungstruppen auf
der einen und der türkischen Besatzung auf der anderen Seiten. Sie alle
sind im Frühjahr vor den türkischen Luftbombardements und
unberechenbaren, islamistischen Milizen geflohen, die sich unter Duldung
der türkischen Verwaltung bis heute frei in Afrin bewegen. Eine
Rückkehr unter der türkischen Besatzung in Afrin ist für die meisten
Flüchtlinge zurzeit keine Option. Berichte über Zerstörung und
Verfolgung unter türkischer Herrschaft, der Zurückgekehrten schrecken
ab. Die lokale Bevölkerung wird unter Druck gesetzt, die meisten
demokratischen Errungenschaften sind zu Nichte gemacht…“
- „Proteste gegen Erdoğan-Besuch gehen weiter“ am 27. September 2018 bei der ANF gibt einen ersten Überblick über Proteste gegen den Besuch vom Tage, unter anderem – beispielsweise – aus Freiburg: „In
Freiburg folgten viele hundert Menschen dem Aufruf des Demokratischen
Kurdischen Gesellschaftszentrums Freiburg und des Nuda-Frauenrats. An
der Kundgebung nahmen unter anderem Aktivist*innen der Partei DIE LINKE,
der Antifa, der YXK und JXK und des alevitischen Zentrums Freiburg
teil. Die Menschen riefen „Faschist Erdoğan“ und „Du bist in Deutschland
nicht willkommen“, „Mörder Erdoğan, hau ab aus Kurdistan.“ Die
Teilnehmer*innen erklärten es als inakzeptabel, dem „verbrecherischen
Diktator den roten Teppich auszurollen.“…“
- „Teil 3
der Update Reihe zum Besuch von Erdogan-Den Aufrufen, Videos, Aktionen,
Protesten und der Mobi“ der Antifaschistischen Koalition 36 am 27.
September 2018 bei de.indymedia beginnt mit Erdogans jüngsten Hasstiraden und Morddrohungen: „Auf
der diesjährigen UN-Vollversammlung in New York ließ es sich, der
Diktator der Türkei, nicht nehmen seinen Vernichtungsfantasien freien
lauf zu lassen. Zur aktuellen Situation in Syrien äußerste sich Erdogan
wie folgt: Es werde eine „Säuberung“ bis zur irakischen Grenze
durchgeführt werden. Weiter wurden konkrete Ziele wie die Stadt Minbic
sowie alle durch YPG,YPJ und QSD kontrollierten Gebiete genannt. Konkret
bedeutet das neue Kriegseinsätze gegen die demokratische Föderation
Nordsyrien(Rojava). Das Erdogan nach den Besetzung Afrins nicht aufhören
wird, gegen Rojava, Krieg zu führen war abzusehen. Dafür spricht nicht
nur die massive Truppenverlegung des Türkischen Militärs an die syrische
Grenze, sondern auch das mit Russland vereinbarte Abkommen zur
„entmilitarisierte Zone“ in Idlib. Das Abkommen wird vor allem zur Folge
haben das die verbliebenen djihadistischen Banden von Idlib nach Afrin
verlegt werden. In Afrin schlägt den türkischen Besatzern und ihren
djihadistischen Milizen seit Monaten erbitterter Widerstand entgegen.
Täglich kommt zu Sabotageaktionen, Hinterhalten und Angriffen. Dem
zufolge kommt die Einigung mit Russland, bei der man sich auch noch als
Friedensbringer verkaufen kann, nur gelegen. Die Türkei will jedoch
nicht bei Minbic stehen bleiben. Kobane wird ebenso das Ziel neo
-osmanischer Expansionspläne werden. Diese Entwicklungen gilt es im Auge
zu behalten…“
- Ausnahmezustand bei Erdogan-Besuch: Der „Normalzustand“ ist schon extreme Repression
„… Doch nicht nur in der Nähe des Flughafens Tegel droht in den
kommenden Tagen eine Art Ausnahmezustand. Große Sperrkreise will die
Polizei für den Staatsbesuch auch in Mitte rund um das Hotel Adlon, in
dem Erdoğan nächtigen soll, sowie im Regierungsviertel einrichten. Das
Holocaust-Mahnmal in unmittelbarer Nähe des Adlons wird beispielsweise
ebenfalls nicht mehr zugänglich sein. Vielerorts standen im Bezirk Mitte
bereits sogenannte Hamburger Gitter, mit denen die Sperrgebiete
abgeriegelt werden sollen. So soll am Freitag ganztägig in Tiergarten
auch der Bereich um das Schloss Bellevue des Bundespräsidenten
Frank-Walter Steinmeier, auf dessen Einladung Erdoğan in Deutschland
weilen wird, gesichert werden. Wie bei Besuchen mit einer solchen
Sicherheitsstufe üblich, werden Protokollstrecken und das Areal um
Aufenthaltsortes Erdoğans wie die türkische Botschaft und das Hotel
Adlon mit Scharfschützen abgesichert. Gullydeckel wurden bereits
verschweißt. Das Abstellen von Fahrrädern in den Sperrbereichen ist
strengstens untersagt. Zugangsberechtigt für die genannten Bereiche sind
nur Anwohner und Postzusteller. Die Zugänge werden kontrolliert. »Bitte
führen Sie Personaldokumente oder andere (Berechtigungs-)Nachweise mit
sich«, erklärte die Polizei im Vorfeld des Staatsbesuches…“ – aus dem Beitrag
„Wegen Erdogan-Besuch droht Ausnahmezustand“ von Julian Seeberger und
Martin Kröger am 25. September 2018 in neues deutschland
dem eine gewisses Bemühen um Darstellung der Sachlage als Normalität
nicht abzusprechen ist… Siehe dazu vier weitere Beiträge über
Traditionen (von Demonstrationen in Köln, deutscher Unterstützung für
türkische Diktatoren und bundesdeutscher Repression gegen Kurdinnen und
zur – jetzt technologisch neu gestalteter – geduldeter Mobilisierung
türkischer Nationalisten in der BRD):
- „Köln: Erdoğan not welcome: Keine schmutzigen Deals mit der Türkei!“ am 24. September 2018 bei der DIDF ist eine Erklärung und Aufruf, worin erinnert wird: „Als
Erdoğan zuletzt 2014 öffentlich in Köln auftrat, gingen über 50.000
Menschen dagegen auf die Straße. Ob die Kriegspolitik gegen die
Kurd*innen, die völkerrechtswidrige Besetzung Afrins in Nordsyrien, die
fast vollendete Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und
Gewaltenteilung, die zunehmende Unterdrückung von Frauen, die
Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten, die Verfolgung oder Inhaftierung
kritischer Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Gewerkschafter*innen
und oppositioneller Politiker*innen, die Unterdrückung von kulturellen
und religiösen Gruppen, die Hetze und Gewalt gegen Homo-, Bi- und
Transsexuelle – die Gründe,gegen den Autokraten Widerstand zu leisten
und sich mit der „anderen Türkei“ zu solidarisieren, sind seit dem
letzten Besuch Erdoğans nur noch mehr geworden.
Nun versucht die türkische Regierung erneut, die Unterstützung und
Legitimation der Bundesregierung für ihre Kriegspolitik nach innen und
außen zugewinnen. Es ist abzusehen, dass auch dieses Mal Waffenverkäufe
abgesegnet, Kredite zugesagt und Investitionen in der Türkei vereinbart
werden. Der Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier
samt 80-köpfiger Entourage Ende Oktober in der Türkei passt da ins Bild.
Menschenrechte sind Nebensache. Die Bundesregierung hofiert den
Despoten vor allem wegen seiner Türsteherfunktion für die EU bei der
Migrationsabwehr. Hier werden Flüchtlinge bekämpft, um von einer
Wirtschafts- und Außenpolitik abzulenken, die Fluchtursachen produziert…“
- „Roter Teppich für Erdoğan, Medaille für Evren“ am 24. September 2018 bei der ANF weist auf Kontinuitäten bundesdeutscher Politik hin: „Die
deutschen Beziehungen zum türkischen Regime wurden trotz der Kritik in
der Öffentlichkeit und den Medien in Deutschland fortgesetzt. Die
Freundschaft mit den Generälen aus der Türkei ging so weit, dass
Deutschland bereitwillig internationale Abkommen zum Schutz von
Geflüchteten missachtete. Im Jahr 1983 wurde öffentlich bekannt, dass
der deutsche Auslandsgeheimdienst BND Informationen über vor dem Putsch
geflüchtete türkische Staatsbürger sammelte und diese regelmäßig an die
Türkei weiter leitete. Im vergangenen Jahr kam es im Zusammenhang mit
Medienberichten über Listen von regimekritischen Personen, die der
türkische Geheimdienst an den BND weitergab, zu einem ähnlichen Skandal.
Die Kohl-Regierung, die im Jahr 1982 ihren Dienst antrat und
Deutschland 15 Jahre lang regieren sollte, vertiefte die Beziehungen zum
12.-September-Regime noch weiter. Die Regierung Kohls stellte der
türkischen Seite ähnlich wie die heutige Merkel-Regierung umfassende
Hilfen zur Verfügung…“
- „Zurück in die Neunziger“ von Elmar Millich am 18. September 2018 in analyse&kritik (Ausgabe 641) zur wachsenden Repression gegen kurdische Aktivitäten in der BRD beginnt seine ausführliche, zusammenfassende Darstellung so: „Bei
dem Treffen zwischen dem damaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel
und seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavusoglu Ende 2017 wurde die
deutsch-türkischen Annäherung eingeleitet. Nun ist sie auch für die
kurdische Freiheitsbewegung und solidarische linke Gruppierungen
deutlich spürbar: Seit Anfang diesen Jahres hat sich die Repression
gegen sie massiv verschärft. Begleitend zu der völkerrechtswidrigen
Invasion der türkischen Armee in die syrisch-kurdische Enklave Afrin,
die am 20. Januar 2018 begann, versuchten Versammlungsbehörden in
mehreren Städten, den Protest dagegen zu unterbinden. Eine für den 10.
Februar vom kurdischen Dachverband NAV-DEM geplante Demonstration in
Köln wurde kurzerhand verboten mit der Begründung, bei NAV-DEM handele
es sich um eine Teilorganisation der PKK, die aufgrund des
Vereinsgesetzes generell das Recht verwirkt habe, öffentliche
Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und durchzuführen. Auch auf
die kulturellen Befindlichkeiten der um die eine Million in Deutschland
lebenden Kurd_innen wollten die Sicherheitsbehörden keine Rücksicht mehr
nehmen. Die für den 17. März in Hannover von NAV-DEM angemeldete
zentrale Newrozfeier – für die Kurd_innen ein Symbol des Frühlings und
des Widerstandes – wurde kurzerhand mit derselben Begründung wie in Köln
verboten…“
- „Türkei: Smartphone-App für Denunzianten in Deutschland“ von Elke Dangeleit am 25. September 2018 bei telepolis über eine Maßnahme außerhalb des Ausnahmezustandes – und einen Appell an die offensichtlich falsche Adresse: „Nach
einem Bericht von Report Mainz gibt es eine Smartphone-App, über die
Erdogan- bzw. Türkei-kritische türkische Staatsbürger direkt bei der
Zentralbehörde der türkischen Polizei denunziert werden können. Die App
mit dem Kürzel EGM (Emniyet Genel Müdürlüğü – dt.: Zentralbehörde der
türkischen Polizei) kann seit kurzem kostenlos im Google Play Store und
im App Store heruntergeladen werden. Das heißt konkret, aus der Türkei
stammende Bürger sind in Deutschland dazu aufgerufen, ihre Nachbarn,
Freunde, Arbeitskollegen direkt in der Türkei zu denunzieren, wenn sie
sich “Erdogan-kritisch” outen. In einem Interview mit Report Mainz
nennt der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom die App “eine
digitale Gestapo-Methode, die nationalistische Fanatiker aufstachelt,
politische Gegner Erdogans in die Fänge seines Unterdrückungssystems zu
treiben”. Schmidt-Eenboom sieht darin einen schweren Verstoß gegen die
öffentliche Sicherheit und Ordnung und fordert die deutschen Behörden
auf, unverzüglich einzugreifen…“
- Erfolgreiche erste Demonstrationen gegen den Erdogan-Besuch – erst der Anfang…
„In zehn Städten in Deutschland haben gestern Kundgebungen und
Demonstrationen gegen die Einladung des türkischen Staatschefs Erdoğan
durch Bundespräsident Steinmeier stattgefunden. Auf Aufruf der aus über
hundert Organisationen bestehenden Plattform „Erdogan not welcome“ haben
eine Woche vor Beginn des Deutschland-Besuchs des türkischen
Staatspräsidenten in vielen Städten Protestaktionen begonnen. Gestern
wurde in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Essen, Frankfurt, Hannover,
Stuttgart, Bielefeld, Bremen und Darmstadt sowohl gegen das
Erdoğan-Regime als auch gegen die Bundesregierung protestiert.
Großdemonstrationen werden am 28. September in Berlin sowie am 29.
September in Köln stattfinden. Zu den gestrigen Aktionen haben uns
folgende Berichte erreicht: In Berlin fand eine Demonstration vom
Hermannplatz zum Oranienplatz statt, die von vielen verschiedenen
Gruppen unterstützt wurde. Auf dem Fronttransparent stand: „Erdogan
tötet, Merkel inhaftiert“. Auf der Demonstration wurden Hunderte
Schilder mit Erdoğans Konterfei und der Aufschrift „Stop“ mitgeführt. In
Redebeiträgen wurde gegen die Unterstützung der Bundesregierung für das
Erdoğan-Regime protestiert. Nach der Demonstration wurden mehrere
Personen in kleinen Seitenstraßen von der Polizei abgefangen und wegen
angeblichen Zeigens verbotener Symbole ED-behandelt…“ – aus dem (ersten) Überblick „Breite Proteste im Vorfeld des Erdoğan-Besuchs in Deutschland“ am 23. September 2018 bei der ANF ,
auf deren Webseite auch nach und nach weitere Berichte veröffentlicht
wurden. Siehe dazu auch den endgültigen Aufruf für die Kölner
Demonstration am 29. September und zwei Hintergrundbeiträge:
- „Demonstration gegen Erdoğan in Köln startet an Deutzer Werft“ am 22. September 2018 ebenfalls bei der ANF informiert: „Das
Kölner Bündnis „Erdogan not welcome – keine schmutzigen Deals mit der
Türkei!‘ veröffentlichte heute ihren offiziellen Aufruf. Demnach wird
die Großkundgebung in Köln um 10.00 Uhr auf der Deutzer Werft beginnen.
Um 12.00 Uhr soll dann die Demonstration durch die Kölner Innenstadt
starten, die auf der Deutzer Werft ab 14.00 Uhr mit einer
Abschlusskundgebung enden wird. Wie bei der „Erdogan not welcome“-Demo
in Berlin werden auch für die Demonstration in Köln über 10.000
Teilnehmer erwartet. Das Kölner Bündnis erklärt in seiner Stellungnahme
zu den Forderungen der Demonstration, dass „statt Erdoğan zu hofieren,
die deutsche Regierung den Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes
hier in Deutschland Einhalt gebieten, sowie die Repression, Verfolgung
und Kriminalisierung türkischer und kurdischer oppositioneller
Organisationen und Einrichtungen durch die deutschen Behörden
unverzüglich beenden soll“…“
- „„Es wird um Deals gehen““ am 20. September 2018 in der taz gazete ist ein Gespräch von ERK ACARER mit dem HDP-Vertreter Mithat Sancar, in dem dieser unter anderem ausführt: „Der
Dialog in den zwischenstaatlichen Beziehungen muss fortgesetzt werden.
Wir denken nicht, dass keine Gespräche stattfinden sollten, aber wir
teilen die Sorge der kritischen Öffentlichkeit, dass es vor allem um
Deals gehen wird. Solange das autoritäre Regime in der Türkei erstarkt
und Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ausgesetzt sind,
halten wir Annäherungsgespräche, bei denen diese Punkte nicht
thematisiert werden, absolut nicht für richtig. Natürlich kann man über
Wirtschaftsbeziehungen, Flüchtlinge und Sicherheitsthemen reden.
Allerdings sollten diese Themen nicht Gegenstand von Deals sein,
vielmehr sollte diese Art der Gespräche im Rahmen humanistischer Werte
stattfinden. Die Normalisierung der Beziehungen darf nicht zu einem
Nachteil für die Bevölkerung in der Türkei oder geflüchtete Menschen
werden. (…) Die AKP spricht wieder von einem EU-Beitritt. Nach drei
Jahren Unterbrechung trat jetzt die Reform-Aktions-Gruppe wieder
zusammen, die gegründet worden ist, um den Beitrittsprozess zu
forcieren. Allerdings geht es der Erdoğan-Regierung dabei nur um die
Wirtschaft. Die Beziehungen zur EU kommen nur auf den Tisch, weil man
die Modernisierung der Zollunion anstrebt. Und das Thema Flüchtlinge
muss für die Verhandlungen über Visafreiheit herhalten. Wäre die Lage
nicht so desaströs, würde Erdoğan nicht auf Deutschland und die EU
zugehen…“
- „Erdogan nicht willkommen“ von Elke Dangeleit am 23. September 2018 bei telepolis hebt unter anderem zu Erdogans Show bei seinen Leuten, wie sie in Köln stattfinden soll, hervor: „Die
neue Moschee in Köln ist die größte der ca. 900 Moscheen von Ditib in
Deutschland. Die Moschee umfasst 1.200 Plätze. Sie hat zwei 55 Meter
hohe Minarette und eine 37 Meter hohe, halbtransparente Kuppel. Die
Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib)
untersteht direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet (Präsidium für
Religionsangelegenheiten). Dem Verband wird vorgeworfen, nach dem
Putschversuch in der Türkei 2016 im Auftrag der Religionsbehörde
Gemeindemitglieder und Islamlehrer an staatlichen Schulen bespitzelt und
als angebliche Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen nach
Ankara gemeldet haben. (…) Dem Generalsekretär von Ditib, Bekir Alboğa,
blieb ob der Beweise letztlich nichts anderes mehr übrig, als
einzuräumen, dass die schriftliche Anweisung des türkischen
Religionspräsidiums Diyanet zwar nicht direkt an die Ditib gerichtet
gewesen sei, aber fälschlicherweise wären einige wenige Ditib-Imame
fälschlicherweise den Anweisungen gefolgt. Die stellvertretende
Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dağdelen kritisierte
den genehmigten Propagandaauftritt in Köln. Erdogan vergifte das Klima
in Deutschland und streue Hass und Hetze in die Gesellschaft. Er
untermauere seinen Machtanspruch auch in Deutschland, so Dağdelen. In
den Ditib-Einrichtungen werde die völkerrechtswidrige Besetzung des
syrischen Afrin durch die türkische Armee an der Seite islamistischer
Mörderbanden der FSA und al-Qaida glorifiziert, antisemitische Hetze
betrieben und Kinder werden islamistisch indoktriniert…“
- [22. September 2018] Aktionswoche vor Erdogan-Besuch beginnt
– am Samstag allein Demonstrationen und Kundgebungen in neun Städten
„Im Vorfeld des Deutschland-Besuchs von Recep Tayyip Erdoğan am 28.
und 29. September laufen zahlreiche Protestaktionen. Am kommenden
Samstag sind Demonstrationen und Kundgebungen in neun Städten geplant.
Der türkische Diktator wird am 28. September in Berlin das offizielle
Programm mit Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel
absolvieren. Parallel dazu wird ab 16 Uhr am Potsdamer Platz eine
Großdemonstration unter dem Motto „Erdogan not welcome“ beginnen, die am
Schloss Bellevue endet. Am 29. September wird Erdoğan in Köln gemeinsam
mit Armin Laschet, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen,
eine DITIB-Moschee einweihen. Auch in Köln sind breite Proteste geplant.
Am 22. September finden zeitgleich die ersten dezentralen
Protestaktionen statt. Bisher sind folgende Termine angekündigt:
Bielefeld: 15 Uhr Hauptbahnhof, Berlin: 17.30 Uhr Hermannplatz, Hamburg:
15 Uhr Altona (Mercado), Bremen: 15 Uhr Hauptbahnhof, Hannover: 14 Uhr
Opernplatz, Düsseldorf: 13 Uhr Hauptbahnhof, Essen: 16 Uhr Hauptbahnhof,
Frankfurt: 15 Uhr Hauptbahnhof, Stuttgart: 15 Uhr Lautenschlagerstraße“ – aus der Meldung „Bundesweite Erdogan-Proteste am Samstag“ am 20. September 2018 bei der ANF ,
worin auch nochmals auf die praktischen Hinweise bei der Sonderseite
„Erdogan not welcome!“ hingewiesen wird. Siehe dazu eine neue
Kundgebung für die Pressefreiheit und auch einen Hintergrundbeitrag über
Erfahrungen bei Demonstrationen mit solchen Staatsbesuchern:
- „Kundgebung
für die Pressefreiheit: Freiheit für alle in der Türkei inhaftierten
Journalisten und Menschenrechtler“ hier am 20. September 2018 verbreitet
von der dju in ver.di
ist ein gemeinsamer Aufruf verschiedener Organisationen zu einer der
geplanten Kundgebungen aus Anlass des Erdogan-Besuchs (am 28. September
2018 um 11 Uhr am Washington-Platz/Hauptbahnhof), in dem es unter
anderem heißt: „Auch nach der Freilassung von Deniz Yücel und der
Ausreise von Mesale Tolu hat sich die Situation für unabhängige
Journalisten und Medien in der Türkei nicht verbessert. Mehr als 100
Medienschaffende sitzen derzeit in der Türkei im Gefängnis. Kritik an
der Regierung, die Arbeit für eine „verdächtige“ Redaktion, der Kontakt
mit einer heiklen Quelle oder die bloße Nutzung eines verschlüsselten
Messenger-Dienstes reichen aus, um Journalisten wegen
Terrorismus-Vorwürfen zu inhaftieren. Die türkische Regierung geht
weiter mit aller Härte gegen die Zivilgesellschaft vor und schränkt die
Arbeit von Menschenrechtsverteidigern drastisch ein. Wer sich kritisch
gegenüber der Regierung äußert, muss damit rechnen, jederzeit efestgenommen
zu werden. Über 1.500 Organisationen und Stiftungen wurden in den
letzten zwei Jahren geschlossen. Seit Juli 2016 wurden mehr als 130.000
Beschäftigte im öffentlichen Dienst fristlos entlassen. Friedliche
Proteste werden unterdrückt. Seit Juli 2016 wurden mehr als 130.000
Beschäftigte im öffentlichen Dienst fristlos entlassen. Kritische
Stimmen sollen mit diesen Maßnahmen systematisch zum Schweigen gebracht
werden. (…)Der Medienpluralismus in der Türkei ist weitgehend zerstört.
Mindestens 150 Medien wurden seit dem Putschversuch im Juli 2016
geschlossen. Die wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien haben
lediglich eine geringe Auflage…“
- „Zum
Staatsbesuch von Erdoğan – eine kleine Protestgeschichte gegen
Diktatoren“ am 19. September 2018 bei Hinter den Schlagzeilen hebt unter anderem zu den Erfahrungen hervor: „Ein
Staatsbesuch, bei dem alle protokollarischen Ehren gewährt werden, ist
etwas Besonderes. In der Regel finden pro Jahr nicht mehr als vier
solcher herausgehobenen Empfänge statt. Dass ein Despot wie Erdoğan
diese besondere Würdigung erfährt, stößt allerdings auf öffentliche
Ablehnung. Er sei ein autoritärer Alleinherrscher, der kritische Presse
nicht dulde und Oppositionelle verhaften lasse, so der Grünen-Politiker
Cem Özdemir. Sein Einmarsch ins nordsyrische Afrin und die anschließende
Annexion seien ein Völkerrechtsbruch gewesen, deshalb sei er ein
Kriegsverbrecher. Selbst nach Auskunft der Bundesregierung sei er ein
expliziter Förderer des islamistischen Terrors, so die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Sevim Dağdelen. Eine so offen
formulierte und über die Medien breit transportierte Kritik ist
ebenfalls etwas Besonderes. Sie wurde vor ähnlichen Staatsempfängen in
der Vergangenheit oft vermisst und erst Demonstrant*innen trugen sie auf
vielfältige Weise in eine breite Öffentlichkeit…“
- (Was Reden eines Ministers wert sind) Proteste bei Erdogans
Besuch sind normal, sagt Herr Maas zu türkischen Medien. Nur:
Stattfinden dürfen sie nicht…
„Die weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen, die anlässlich des
bevorstehenden Besuches des türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin
ergriffen worden sind, schränken die Versammlungs- und
Demonstrationsfreiheit deutlich ein. Die ursprünglich genehmigte
Kundgebung der Kurdischen Gemeinde Deutschland am 29.09.2018 vor dem
Brandenburger Tor wurde von den Polizeibehörden inzwischen verboten. Die
offizielle Begründung, die zentralen Feierlichkeiten rund um den Tag
der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 erfordern Umbauarbeiten rund um
das Brandenburger Tor, erscheint Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender
der Kurdischen Gemeinde Deutschland, als ein willkommener Vorwand, um
die Proteste gegen die politische Agenda Erdogans außer Sichtweite zu
halten…“ – aus der Pressemitteilung
„Proteste sollen Erdogan-Besuch nicht belasten“ der Kurdischen Gemeinde
in Deutschland (KGD) vom 17. September 2018
aus Anlass des polizeilichen Verbots der für Berlin angemeldeten
Kundgebung der KGD – die nun am Freitag, 28. September in Berlin zur
gemeinsamen Kundgebung mit der alevitischen Gemeinde aufruft (die –
bisher? – noch nicht verboten ist) und für Samstag, 29, September zur
Bündnisdemonstration in Köln. Siehe dazu auch einen aktuellen Beitrag
über mögliche weitere bundesdeutsche Schützenhilfe für Erdogans
Kriegsgetrommel bei einer Moschee-Eröffnung in Köln:
- Proteste gegen Erdogan-Besuch in Berlin und Köln stehen fest
„Nun steht es fest: die Berliner Zivilgesellschaft und ihr Willen
zum Protest gegen den Diktator machen Erdoğan und seine deutschen
Freund*innen offenbar so nervös, dass sie praktisch den gesamten
Staatsbesuch im Schnelldurchgang am 28.09. abhalten werden. Am Samstag
29.09. hofft der selbsternannte „Führer“ (reis) dann, in Köln vor seinen
Fans sprechen zu können. Doch auch das wird kein „Heimspiel“, wie er es
gerne hätte. Als Erdoğan zuletzt 2014 öffentlich in Köln auftrat,
gingen über 50.000 Menschen dagegen auf die Straße. Ob Krieg in
Kurdistan, endgültige Abschaffung der parlamentarischen Demokratie in
der Türkei, Unterdrückung von kulturellen und anderen Minderheiten oder
die Verfolgung kritischer Journalist*innen und die Inhaftierung
Oppositioneller – die Gründe, gegen den Diktator Widerstand zu leisten,
sind seit seinem letzten Besuch nur noch mehr geworden. Wir rufen alle
echten Demokrat*innen& alle, die eine Welt der Vielfalt,
Emanzipation, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit wollen auf: Kommt
am 27. und 28.09. nach Berlin und geht mit uns auf die Straße! Zeigt
Erdoğan und seinen Kompliz*innen in der deutschen Wirtschaft und
Politik, dass wir ihre mörderische und lebensfeindliche Politik nicht
hinnehmen! Geht am 29.09. nach Köln und zeigt Erdoğan, das er auch dort
nicht willkommen ist! 28.09. // Großdemo „Erdogan not welcome!“ //
Berlin // 16:00 Potsdamer Platz“ – aus der Meldung „GROSSDEMONSTRATION „ERDOGAN NOT WELCOME“ IN BERLIN AUF FREITAG, 28.09. 16:00 VORVERLEGT!“ am 15. September 2018 auf der Aktionsseite Erdogan not welcome
- Aufruf zum (friedlichen) Protest gegen den Erdogan-Besuch in
der BRD – mit der Forderung an die Bundesregierung, den Besuch
abzusagen
„Wir waren niemals dafür, dass es beim Gebrauch demokratischer
Rechte in den Ländern Europas zu Reaktionen kommt, mit denen die Gesetze
dieser Länder strapaziert werden. Insbesondere Deutschland benutzt auf
Wunsch der Türkei solche Vorfälle, um repressiv gegen demokratische
Einrichtungen des kurdischen Volkes vorzugehen. In dieser Hinsicht rufen
wir alle Jugendlichen, die mit unserer Befreiungsbewegung
sympathisieren und sich mit Abdullah Öcalan verbunden fühlen, dazu auf,
extreme Reaktionen zu vermeiden und ihren Protest im Rahmen der
deutschen Gesetzgebung zum Ausdruck zu bringen. Bei der Wahrnehmung
ihrer Rechte auf demokratischen Protest gegen den AKP-Faschismus und die
Isolation unseres Vorsitzenden sollten sie den Rahmen der Gesetze
Deutschlands nicht verlassen.“ (…) „Zweifellos muss die Bundesregierung
auch das Recht des kurdischen Volkes auf Demonstrationen in
demokratischem Rahmen respektieren. In der letzten Zeit sind auf Wunsch
des türkischen Staates die Symbole der gegen den IS kämpfenden YPG/YPJ
verboten worden. Dieses Vorgehen widerspricht der deutschen Gesetzgebung
und wird auch von der deutschen demokratischen Öffentlichkeit
abgelehnt. Der mit einer unsinnigen Begründung erfolgte Angriff der
deutschen Polizei auf eine demokratische Protestaktion kurdischer
Jugendlicher gegen die Isolation Abdullah Öcalans, mit der der türkische
Staat internationales Recht und die eigene Verfassung verletzt, kommt
einer Zustimmung des faschistischen Vorgehens der AKP-Regierung gleich.
Solche Maßnahmen setzen das kurdische Volk herab und können von
niemandem akzeptiert werden, der über eine demokratische Denkweise
verfügt.“…“ aus dem „KCK-Aufruf an die Bundesregierung und die Kurden“ am 04. September 2018 bei der ANF
dokumentiert, der mit folgenden einleiten Ausführungen versehen ist:
„Die KCK hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, den für Ende des
Monats geplanten Erdoğan-Besuch abzusagen. Die in Deutschland lebenden
Kurdinnen und Kurden wurden zu friedlichem Protest aufgerufen“ und auch
eine kurze historische Skizze der Repression gegen KurdInnen in der
Türkei enthält. Zum geplanten Erdogan-Besuch in der BRD und seinen
Hintergründen einige weitere aktuelle Beiträge – auch zu neuerlichen
vorbereitenden Freundschaftsdiensten der BRD an das Regime in der
Türkei, wie etwa die Hilfe bei der Verfolgung von Oppositionellen und
selbst bis hin zum Verbot eines Festes…:
- „Geschenk an Erdogan“ von Nick Brauns am 05. September 2018 in der jungen welt über eine wahrhaft skandalträchtige Repressionsmaßnahme: „Das
26. Kurdische Kulturfestival, das am Sonnabend im
nordrhein-westfälischen Dinslaken stattfinden sollte, ist verboten
worden. Das teilte die »Afrin-Solidaritätsplattform«, ein
Zusammenschluss aus 93 kurdischen, türkischen, alevitischen, jesidischen
und christlichen Organisationen, als Veranstalter am Dienstag mit. Als
Grund seien anfangs technische Mängel angeführt worden. Erst beim
letzten Treffen mit der Stadtverwaltung seien politische Gründe genannt
worden, erklärte die Solidaritätsplattform über den
Kurzmitteilungsdienst Twitter. Sprecher Rizgar Qasim sieht das Verbot
»im direkten Zusammenhang mit dem Wunsch der Bundesregierung, die
Beziehungen zum türkischen Regime auszubauen«. So solle der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdogan darüber hinweggetröstet werden, dass er
während seines Staatsbesuches am 28. und 29. September möglicherweise
nicht, wie von ihm gefordert, öffentlich vor seinen Anhängern in
Deutschland sprechen dürfe. »Es ist ein katastrophales Signal für das
demokratische Zusammenleben in unserem Land, wenn ein Kulturfestival von
unterschiedlichen kulturellen und religiösen, aber auch verschiedenen
politischen Gruppierungen verboten wird«, erklärte Qasim. Er kündigte
an, man werde dennoch gemeinsam feiern. Das Festival, zu dem mindestens
25.000 Teilnehmer aus Deutschland und den Nachbarstaaten erwartet
wurden, steht im Zeichen der Solidarität mit dem von der türkischen
Armee und ihren dschihadistischen Söldnern besetzten kurdischen Kanton
Afrin in Nordsyrien. Neben einem umfangreichen Kulturprogramm sind unter
anderem politische Beiträge der Vorsitzenden der linken türkischen
Partei HDP, Pervin Buldan, und von Abgeordneten der Partei Die Linke und
von Bündnis 90/Die Grünen geplant…“
- „Ankaras Arm reicht bis nach Mecklenburg-Vorpommern“ von Volkmar Kabisch und Reiko Pinkert am 28. August 2018 in der SZ Online , worin aber auch deutlich wird, dass es eben nicht Ankaras sondern Berlins hilfreicher Arm ist: „Doch
im Fall von Ibrahim Ö. wurde die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg in
Mecklenburg-Vorpommern tätig. Diese wurde vom türkischen Generalkonsulat
um Rechtshilfe gebeten, um gegen den seit Jahren in Deutschland als
Flüchtling lebenden Türken vorzugehen. Ö. soll vier Facebook-Posts
geteilt haben, in denen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan
kritisiert wurde. In einem der Beiträge geht es um ein kurdisches
Wortspiel in dem Erdoğan als Kerdogan bezeichnet wurde, als “Esel”.
Ibrahim Ö. soll diese nicht selbst verfasst, sondern lediglich
geteilt haben. Die Staatsanwaltschaft im türkischen Iğdır warf Ö. in
ihrem Ersuchen neben der Beleidigung des Staatspräsidenten sogar die
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Über das
Generalkonsulat in Berlin wandte sie sich an die Staatsanwaltschaft
Neubrandenburg. Diese eröffnete im März 2018 den Fall gegen Ö. und ließ
ihn wegen “des Verdachts der Beleidigung zum Nachteil des türkischen
Präsidenten Erdoğan” durch den Staatsschutz vernehmen. Den Vorwürfen
wegen des Terrorverdachts wollte die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg
hingegen nicht nachgehen. Einem Sprecher zufolge wurde das zuständige
Schweriner Justizministerium von den Türken über das Rechtshilfeersuchen
nicht informiert. (…) Lukas Theune, der Rechtsanwalt von Ibrahim Ö.,
findet das Vorgehen der Staatsanwaltschaft höchst fragwürdig.
Schließlich sei nach deutscher Rechtsprechung das Teilen von
beleidigenden Facebook-Inhalten nicht strafbar. Problematisch sei vor
allem, dass die Neubrandenburger Staatsanwälte ursprünglich die Aussage
und weitere Daten an das Generalkonsulat übermitteln wollten…“
- „Der Fall des Kurden Ömer Bilin, der schnell abgeschoben werden soll“ von Elke Dangeleit am 28. August 2018 bei telepolis zu einer bereits vorher bekannt gewordenen Aktivität bundesdeutscher Erdogan-Freunde und ihrer Vorgeschichte: „Nun
scheint es, dass sich die Bundesregierung die Politik Erdogans gegen
die kurdische Bevölkerung zu eigen macht. Letzte Woche lehnte die
Frankfurter Asylbehörde das Asylgesuch eines kurdischen Politikers als
unbegründet ab. Ömer Bilin floh am 10. August 2018 aus der Türkei nach
Deutschland. Am Frankfurter Flughafen stellte er einen Asylantrag. Dort
wurde vom Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) der Antrag mit
der Begründung abgelehnt, es gäbe keine Folter in der Türkei, daher
drohe ihm auch keine Folter. Sein Rechtsanwalt, Berthold Fresenius
bezeichnet diese Begründung als zynisch und sieht darin im Vorfeld des
Erdogan-Besuches ein Geschenk an den Diktator. (…) Ömer Bilin setzte
sich, wie viele in seiner Familie, für die oppositionelle Partei HDP
sowie für die Anerkennung der Kurden als ethnische Minderheit in der
Türkei ein. Wie in fast allen kurdischen Familien gibt es auch in dieser
Familie Verwandte, die sich der kurdischen Arbeiterpartei PKK
angeschlossen haben. Der Riss geht durch fast alle kurdischen Familien:
der eine Teil ist konservativ und ans Regime angepasst, der andere Teil
hofft seit Republikgründung auf Anerkennung und Würdigung ihrer Sprache
und Kultur. In der Türkei wird die PKK von der türkischen Regierung als
Terrororganisation betrachtet, während die kurdische Bevölkerung sie
überwiegend als Befreiungsbewegung im Kampf um Anerkennung als ethnische
Minderheit betrachtet. Die deutsche Regierung hat sich allerdings die
Position Erdogans zu eigen gemacht. Schon vor längerer Zeit flohen
Bilins Brüder ebenfalls vor den Repressionen der türkischen Regierung
nach Deutschland. Auch sein Cousin, der in der HDP an exponierter Stelle
aktiv war, floh vor kurzem nach Deutschland. Zwei Verwandte wurden in
der Türkei verhaftet und in den (bekanntermaßen nicht zimperlichen)
Verhören nach Ömer, dem “Terroristen”, befragt. Zwei Rechtsanwälte der
Familie bestätigten, dass es einen Suchbefehl gegen ihn gibt. Ömer Bilin
wurde schon einmal vor 10 Jahren von türkischen Sicherheitskräften
festgenommen, gefoltert und auf einem Feld angeschossen liegen gelassen.
Aber der Mann überlebte, weil er sich in ein nahegelegenes Dorf retten
konnte und ihm dort geholfen wurde…“
- „Kampf den Kriegsprofiteuren- Erdogan not welcome“ von der Autonomen Gruppe Berlin am 02. September 2018 bei de.indymedia , worin unter anderem nochmals daran erinnert wird: „Nachdem
er bereits 80% der Altstadt Ameds zerstört hatte, weitete er seinen
Krieg in diesem Jahr auch auf Rojava aus und begann Afrin zu
bombardieren. Große Teile des Kantons sind bereits zerstört und die
Besatzungsmacht, bestehend aus türkischer Armee und Banden des IS,
besiedeln die Stadt. Tausende Menschen mussten vor den Feinden fliehen
und Unterschlupf in Flüchtlingslagern finden. Erneut findet auf Befehl
Erdogans hin ein Genozid an der kurdischen Bevölkerung statt und das
Einzige, was der Bundesregierung dazu einfällt sind Besorgnis und
mahnende Worte. Fröhlich liefern sie weiterhin Waffen an das türkische
Regime und unterstützen damit direkt die Ermordung der kurdischen
Bevölkerung…“
- „Video:
Bevölkerung Rojavas verurteilt Deutsche Waffenexporte und die Firma
Rheinmetall“ von International Support am 03. September 2018 ebenfalls
bei de.indymedia hebt im Begleittext hervor: „Wir
haben die Bevölkerung Rojavas nach ihrer Meinung zu Deutschen
Waffenexporten und der Firma Rheinmetall gefragt. Die Menschen wenden
sich dabei direkt an die Arbeiter*innen von Rheinmetall und fordern
diese auf ihre Arbeit niederzulegen „bis niemand mehr in diesen Fabriken
arbeitet.“ So Baran aus Derik. Weiter führt er aus: „Wir verurteilen
dies zutiefst. Warum? Weil der Türkische Staat diese Waffen gegen die
Kurdische Zivilbevölkerung, gegen Kinder, alte Männer, Großmütter,
Mütter einsetzt. Darüber hinaus benutzen sie die Waffen um Wälder und
Felder hier ab zu brennen. Die Bomben verseuchen die ganzen Seen und
andere Wasserquellen. Wir verurteilen diese Praktiken.“…“
- „Wiederannäherungsbesuch“ von Nelli Tügel am 05. September 2018 in neues deutschland zum vorherigen Besuch des BRD-Außenministers in der Türkei abschließend: „Und
nun stehen die Zeichen offenbar ohnehin auf Entspannung. Bei dem
Besuch wird es nach Angaben des türkischen Außenministeriums um die
deutsch-türkischen Beziehungen, den EU-Beitrittsprozess und regionale
und internationale Fragen gehen. Am Donnerstag soll Mass dann an einer
Zeremonie zum Beginn des Schuljahrs an der Deutschen Schule in Istanbul
teilnehmen. Auch um diese gab es in den vergangenen Jahren Konflikte –
wegen Interventionen der türkischen Regierung dort. Und auch hier sendet
eine gemeinsame Zeremonie mit Çavuşoğlu ein deutliches Signal“.
- „Ein
Staat, eine Sprache, eine Nation – und die Kurden“ von Kerem
Schamberger und Michael Meyen am 04. September 2018 bei telepolis
ist ein Hintergrundartikel zum türkischen Nationalismus und seiner –
wie überall – ausschließenden Gewaltgeburt des Nationalstaates (die sich
keineswegs nur gegen die Kurden richtete, wie der Beitrag deutlich
macht) im Gespräch mit Ismail Küpeli, worin es unter vielem anderem
heißt: „”Die Kurden waren das größte Hindernis”, sagt Ismail Küpeli.
“Sie waren eindeutig anders und vor allem nicht türkisch. Sie haben
andere Sprachen gesprochen. Und sie waren zu stark, um mit ihnen das
Gleiche zu machen wie mit den Armeniern oder wie mit den Griechen, mit
den Tscherkessen, mit den Aussiedlern aus Osteuropa. All diese Gruppen
sind nach und nach verschwunden. Die Türken waren ja lange in vielen
Gebieten eine Minderheit. Die Kurden waren wichtig im alten Reich, im
Machtkampf mit den Persern. Ihre Eliten waren politisch und militärisch
erfahren. Und sie stellten die Mehrheit im Osten des Landes.” Wer
verstehen will, wie die Türkei auf dieses große Hindernis losgegangen
ist, muss beides sehen: das Trauma, das aus dem Schrumpfen des alten
Reichs wächst, und die Angst, die eine Volksgruppe wie die Kurden
deshalb allein ob ihrer schieren Größe verbreiten kann. Also: Kein
Nationalbewusstsein zulassen, um keinen Preis. Alles verbieten, was nach
kurdischer Identität aussieht. Kurdische Namen zum Beispiel (vor allem
solche, die auf “o” enden) und sogar die Pluderhosen, bequem gerade in
den Bergen. Mit aller Macht türkifizieren. Über die Schulen natürlich.
Plätze, Dörfer und Berge umbenennen. Die neue Ideologie und die neue
Sprache verbreiten, wo immer es geht. Kardo Bokani hat in seinem Buch
ein Foto aus jenen Tagen: ein Fels irgendwo in Ostanatolien mit
Halbmond, Stern und einem Slogan: Ne mutlu türküm diyene. Glücklich
derjenige, der sagt: Ich bin ein Türke. So weit oben und so groß, dass
man es kilometerweit lesen kann. Dieser Slogan ziert bis heute jede
kurdische Stadt in der Türkei, genau wie sein Urheber Mustafa Kemal, in
Stein gegossen. “Zur türkischen Republik gehört der Versuch, die
kurdische Identität auszulöschen”, sagt Ismail Küpeli. “Schon immer, von
Anfang an.”…“
- Vorgezogene Gastgeschenke: Die BRD setzt ihre Türkeipolitik konsequent fort – die Jagd auf kurdische Aktivisten
„Es scheint mittlerweile zur Gepflogenheit der Bundesregierung zu
gehören, der türkischen Regierung vor Wahlen oder vor gegenseitigen
Staatsbesuchen Geschenke zu unterbreiten. Mittlerweile finden diese
Peinlichkeiten nicht mehr nur in der Türkei statt, sondern auch in
Deutschland. Die Geschenke, die das Gemüt von Erdogan besänftigen
sollen, senden völlig falsche Signale und haben mitunter verheerende
Folgen. Leidtragende sind die anderen 50 Prozent der Bevölkerung aus der
Türkei, die nicht hinter dem Erdogan-Regime stehen. Einem geflüchteten
Kurden in Frankfurt wurde sein Asylantrag abgelehnt. Ist das ebenfalls
ein weiteres Geschenk oder der Beginn, die Türkei zum sicheren
Herkunftsland zu deklarieren? (…) Nun scheint es, dass sich die
Bundesregierung die Politik Erdogans gegen die kurdische Bevölkerung zu
eigen macht. Letzte Woche lehnte die Frankfurter Asylbehörde das
Asylgesuch eines kurdischen Politikers als unbegründet ab. Ömer Bilin
floh am 10. August 2018 aus der Türkei nach Deutschland. Am Frankfurter
Flughafen stellte er einen Asylantrag. Dort wurde vom Bamf (Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge) der Antrag mit der Begründung abgelehnt,
es gäbe keine Folter in der Türkei, daher drohe ihm auch keine Folter.
Sein Rechtsanwalt, Berthold Fresenius bezeichnet diese Begründung als
zynisch und sieht darin im Vorfeld des Erdogan-Besuches ein Geschenk an
den Diktator. (…) Ömer Bilin setzte sich, wie viele in seiner Familie,
für die oppositionelle Partei HDP sowie für die Anerkennung der Kurden
als ethnische Minderheit in der Türkei ein. Wie in fast allen kurdischen
Familien gibt es auch in dieser Familie Verwandte, die sich der
kurdischen Arbeiterpartei PKK angeschlossen haben. Der Riss geht durch
fast alle kurdischen Familien: der eine Teil ist konservativ und ans
Regime angepasst, der andere Teil hofft seit Republikgründung auf
Anerkennung und Würdigung ihrer Sprache und Kultur…“ – aus dem Kommentar „Erneute
Geschenke der Bundesregierung vor dem Erdogan-Besuch: Der Fall des
Kurden Ömer Bilin, der schnell abgeschoben werden soll“ von Elke
Dangeleit am 28. August 2018 bei telepolis über die jüngste Kurdenverfolgung in der BRD.
- „Erdogan NOT welcome“ von JXK – Studierende Frauen aus Kurdistan am 10. August 2018 bei de.indymedia ist ein Aufruf gegen den Staatsbesuch aus kurdischer Scht, in dem es unter anderem heißt: „Die
Türkei führt Hand in Hand mit dem IS offen einen Krieg gegen Kurd*innen
und Deutschland zeigt sich dennoch als begeisterter Unterstützer des
Erdogan-Regimes. Doch nicht nur durch Waffenlieferungen an die Türkei
unterstützt die BRD den faschistischen Krieg der Türkei gegen die
Kurd*innen. Auch durch die Kriminalisierung kurdischer Aktivist*innen in
Deutschland stützt sie faktisch die Voraussetzungen, unter denen die
AKP und die Erdogan-Regierung ihr Treiben fortsetzen können. Was ist
nach den Gesprächen in Berlin zu erwarten? Der Besuch von Erdogan Ende
September kann mit massiven Folgen für Kurd*innen, Solidarisierende,
fortschrittliche und linke Kräfte in Deutschland in Verbindung gebracht
werden. In der Vergangenheit gab es in Folge von Staatsbesuchen und
Kooperationsgesprächen mit der Türkei abrupte Gesetzesverschärfungen,
zum Beispiel in Form von Flaggenverboten. In den letzten 2 Jahren haben
sich die Razzia-Maßnahmen sowie teils gewaltsame Vereins- und
Hausdurchsuchungen deutlich vermehrt. Auf Demonstrationen kam und kommt
es zu körperlichen Übergriffen, sowie zu unbegründeten Einkesselungen.
Diese Kriminalisierungen sollen Kurd*innen und Solidarisierende
gefährlich erscheinen lassen und eine Entsolidarisierung und
Marginalisierung herbeiführen. Ein zunehmend angstbesetztes Klima wird
dazu genutzt, um die Repressionsmöglichkeiten weiter auszubauen. (… ) Die treueste Unterstützung für den Krieg der Türkei gegen Kurd*innen und linke Strukturen leistet die BRD!“
- „Maas verteidigt Erdogan-Besuch“ am 09. August 2018 ist eine afp-Meldung (hier bei der Frankfurter Rundschau), worin der bundesdeutsche Außenminister mit folgender Willkommensrede zitiert wird: „Bundesaußenminister
Heiko Maas (SPD) hat den geplanten Besuch des türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdogan in Deutschland verteidigt. „Erdogan ist gewählter
türkischer Staatspräsident, ob einem die türkische Präsidialverfassung
nun gefällt oder nicht“, sagte Maas der „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom
Donnerstag. Erdogan kommt am 28. September zu einem zweitägigen
Staatsbesuch nach Berlin. „Wir würden einen großen Fehler machen, wenn
wir die Repräsentanten dieses Staates grundsätzlich nicht willkommen
heißen würden“, sagte Maas weiter. „Die Gefahr wäre deutlich größer,
wenn wir nicht miteinander reden würden.“ (…) Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier will Erdogan mit militärischen Ehren begrüßen,
auch ein Staatsbankett auf Schloss Bellevue ist geplant…“
- „Staatsbankett für den Diktator“ von Nelli Tügel am 08. August 2018 in neues deutschland hebt hervor: „Doch
dass drei Monate nach der Abschaffung der Demokratie in der Türkei
Recep Tayyip Erdoğan mit dem vollen Programm – militärischen Ehren und
Staatsbankett – in Berlin empfangen werden wird, ist in jedem Fall ein
Affront. Gegen die Opposition des Landes; gegen viele Türkeistämmige in
Deutschland, deren Präsident der Despot vom Bosporus ausdrücklich nicht
ist. (…) Ausgerechnet in dieser Situation Erdoğan – die Verkörperung
dieser Hoffnungslosigkeit – nicht nur zu Gesprächen zu treffen, sondern
als Staatsgast wie jeden anderen zu empfangen, sendet ein deutliches
Signal: Die Bundesregierung hat die neuen türkischen Verhältnisse als
Normalität akzeptiert…“
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