Bundesaußenminister entschuldigt sich bei saudischer Regierung. Kriegsgeschäft mit Riad floriert wieder
Von Knut Mellenthin
Vertritt den deutschen Imperialismus: Minister Heiko Maas auf der UN-Vollversammlung am Freitag
Foto: Eduardo Munoz/REUTERS
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Die Verstimmung hatte der Amtsvorgänger und Parteifreund von Maas, Sigmar Gabriel, im November 2017 ausgelöst. Unmittelbarer Anlass seiner Äußerungen waren seltsame Vorgänge um den libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri, der anscheinend mehr oder weniger gegen seinen Willen in Saudi-Arabien festgehalten wurde. Dazu sagte Gabriel ungewohnt deutlich, ohne die Saudis auch nur ein einziges Mal direkt zu nennen: Aus Europa müsse jetzt ein »gemeinsames Signal« kommen, »dass wir das Abenteurertum, was sich dort in den letzten Monaten breit gemacht hat, nicht mehr bereit sind, einfach sprachlos hinzunehmen«. Zugleich spiele sich im Jemen – wo die Saudis seit März 2015 zusammen mit einigen anderen arabischen Staaten einen Interventionskrieg führen – »eine menschliche Tragödie« ab, »ein Krieg, der kein Ende findet, weil er zum Teil auch ein Stellvertreterkrieg ist«.
Das gefiel den Saudis selbstverständlich gar nicht. Demonstrativ zogen sie ihren Vertreter aus Berlin ab und versagten dem Diplomaten, den die Bundesregierung als neuen deutschen Botschafter nach Riad schicken wollte, die Akkreditierung. Außerdem habe Saudi-Arabien als Vergeltung »den Handel mit Deutschland beschränkt«, wie es beispielsweise die Nachrichtenagentur Reuters formulierte. Der deutsche Export dorthin sei in der ersten Hälfte des laufenden Jahres um fünf Prozent gefallen. Ob wirklich ein Kausalzusammenhang zwischen dieser Tatsache und Gabriels undiplomatischem Freimut besteht, ist jedoch fraglich.
Vollends kurios wurde die Sache, als das Handelsblatt am Mittwoch in genau diesem Zusammenhang schrieb: »2017 waren die deutschen Exporte in die größte Volkswirtschaft am Golf von 7,3 auf nur noch 6,6 Milliarden Euro zurückgegangen. Große saudische Unternehmen waren angehalten, deutsche Unternehmen nicht zu berücksichtigen. Großaufträge wurden nicht an deutsche Firmen vergeben.«
An Gabriel, dessen »Fauxpas« sich erst im November 2017 ereignete, kann diese Entwicklung aber nach den Gesetzen der Logik nicht gelegen haben. Ein anderer Aspekt verdient statt dessen Beachtung: Der Gesamtwert der saudischen Einfuhr war seit 2010 von 107 Milliarden Dollar kontinuierlich auf ein Maximum von 174,7 Milliarden im Jahr 2015 gestiegen und dann auf 131 Milliarden im Jahr 2017 gefallen. Ursache war hauptsächlich der steile Anstieg des Ölpreises und sein darauf folgender tiefer Absturz. Einfach gesagt: Die Saudis mussten plötzlich heftig sparen, was sich vor allem in den Staatsausgaben und – großenteils damit verbunden – in den Importen niederschlug.
Um die reale Größenordnung und Bedeutung des Vorgangs zu verstehen: Saudi-Arabien lag 2017 unter den Exportpartnern deutscher Firmen an 36. Stelle und nimmt im Schnitt weniger als ein halbes Prozent der deutschen Ausfuhr auf. Das ist für einzelne Unternehmen – immerhin rund 800 deutsche Firmen sind dort aktiv – relevant, beeinflusst »die deutsche Wirtschaft« aber nicht merklich.
Das große deutsche Interesse an Saudi-Arabien ist in der Hauptsache politisch-strategisch begründet. Dazu gehört, dass das Regime ein stabiler Käufer deutscher Waffen ist. Zwar steht in der Koalitionsvereinbarung des im März erneuerten Regierungsbündnisses aus Union und SPD: »Wir werden ab sofort keine Ausfuhren (von militärischer Ausrüstung; jW) an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.« Aber erstens hatte die Bundesregierung noch kurz vorher im Schnellverfahren den Verkauf weiterer Patrouillenschiffe an die Saudis durchgewinkt. Und zweitens wurde das aktuelle deutsch-saudische Arrangement »am Rande der UN-Vollversammlung« damit eingeleitet, dass die Bundesregierung die Lieferung verschiedener Waffensysteme an die Saudis und an die Vereinigten Arabischen Emirate – auch diese führen im Jemen Krieg – genehmigte. Eine »Koalitionskrise« löste das nicht aus, weil die SPD an dieser Entscheidung beteiligt ist.
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