Fraktion des Hohngelächters
Die letzte Sitzungswoche des Bundestages war eine ganz normale. Zur Normalität gehört im »Hohen Haus« inzwischen das Schüren niedrigster Instinkte; die Stereotype der AfD sind Alltag geworden. »Polygamie ist nicht nur ungesetzlich, sie ist auch unsozial. Der Neubürger holt seine Zweit- und Drittfrau nach, der Altbürger darf sich zur Finanzierung einen Zweit- und Drittjob suchen«, begründete der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio den Antrag seiner Fraktion zur »Unvereinbarkeit von Islam, Scharia und Rechtsstaat«, in dem kein Unterschied gemacht wird zwischen der Religion der Muslime und dem Islamismus. »Islamismus ist nur angewandter Islam«, so Curio.
Vor genau einem Jahr konstituierte sich der Bundestag. Die Vorstellung eines Buches am Mittwoch, das sich mit der Rolle der AfD im Parlament beschäftigt, kam deshalb punktgenau. Der Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge hat es gemeinsam mit Gudrun Hentges geschrieben, Politikwissenschaftlerin an der Uni Köln, und mit Gerd Wiegel, Referent der Linksfraktion im Bundestag, der die AfD über dieses Jahr beobachtete und nahezu jede ihrer Reden verfolgte. Wiegel schildert geradezu ungläubig, welch aggressiver Ton im Bundestag Einzug hielt. Eine ganze Bevölkerungsgruppe, wie die Migranten eine sind, werde systematisch verächtlich gemacht. Sie werde pauschal als Träger von Krankheitserregern denunziert und ihre »Separierung« von der übrigen Bevölkerung gefordert. Wiegel fühlt sich in dunkelste Reichstagszeit versetzt.
»Alltägliche Messergewalt, Angsträume für Frauen, für Juden, Mobbing deutscher Schüler, wachsende No-go Areas: All das gab es vor Merkel nicht. Wenn Merkel meint, der Islam gehöre zu Deutschland, gehöre zu unserem Rechtsstaat Deutschland, dann sagen wir: Der Islam gehört zu Merkel, aber Merkel gehört nicht länger zu Deutschland.« So argumentierte Gottfried Curio in seiner Rede, und so argumentieren die Abgeordneten seiner Fraktion regelmäßig.
In dieser herrsche ein rhetorischer Überbietungswettbewerb um die Gunst der Wähler, fasst Christian Lindner seine Eindrücke zusammen. »Das Stilmittel der AfD ist das Hohngelächter.« Lindner zeigt sich ebenso abgestoßen vom Gebaren der AfD wie Dietmar Bartsch. Beide, der Partei- und Fraktionschef der FDP wie auch der Fraktionschef der LINKEN, bestätigen sich gegenseitig ihre Abneigung gegenüber Rednern und mehr noch gegenüber den Zwischenrufern der AfD. Doch beide haben auch unterschiedliche Sichten auf die Rechtspartei, und diese erklären womöglich einen Teil der Ohnmacht des Parlaments im Angesicht der permanenten Provokation. Bartsch spricht von der AfD als einer »Resultante gesellschaftlicher Umbrüche«. Auch die Autoren des Buches sehen die sozialökonomischen Entwicklungen, die neoliberale Politik des letzten Jahrzehnts als Ursache für eine Spaltung der Gesellschaft, die wiederum die AfD hervorgebracht habe. »Die Agenda 2010 war Geburtshelfer der AfD«, meint Christoph Butterwegge.
Dieser These folgt Christian Lindner nicht. Dann müsste die LINKE bei Wahlen längst durch die Decke gegangen sein, widerspricht er. Die Migration habe die Links- und die Rechtspopulisten stark gemacht, von denen sich beide Tendenzen in der AfD fänden. Dies zeige sich in ihrer Forderung nach sozialen Leistungen, aber nur für Inländer. Das wiederum ruft bei Christoph Butterwegge Kopfschütteln hervor. »Die AfD ist keine Partei der kleinen Leute«, auch wenn sie das zuweilen behaupte. Butterwegge nennt die Mietenpolitik, die Rente, den Soli. Den will die AfD sofort abschaffen, was Unternehmen, nicht Geringerverdienern die größte Entlastung bescheren würde - weil er nicht nur auf die Einkommens-, sondern auch auf die Körperschaftssteuer berechnet wird, die Kapitalgesellschaften zahlen müssen. Mit »Linkspopulismus« kann der Wissenschaftler, der für die LINKE 2017 als Kandidat um das Amt des Bundespräsidenten antrat, nichts anfangen. Populismus gehe von einem Volksbegriff aus, der der Linken fremd sei. Diese unterscheide die Interessen von Klassen und Schichten, nicht Völkern.
Wie sich auch bei der Buchvorstellung am Mittwoch zeigte, wird es kompliziert, sobald die Ursachenanalyse einsetzt. Einig sind sich alle, dass die Thesen der AfD hoffähig werden, wenn man sie ihnen wegzunehmen versucht, wie die CSU es tut. Für Bartsch ist es wichtig, dass Parteien unterscheidbar bleiben und nicht als Elite wahrgenommen und gemeinsam für Missstände verantwortlich werden. Darin sieht er auch ein Problem der LINKEN, die in drei Bundesländern mitregiert, ohne die sozialen Umwälzungen herbeiführen zu können, die sie propagiert. »Hier müssen wir besser werden.«
Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges, Gerd Wiegel: »Rechtspopulisten im Parlament. Polemik, Agitation und Propaganda der AfD«, 256 Seiten, Westend Verlag, Frankfurt am Main
Dieser These folgt Christian Lindner nicht. Dann müsste die LINKE bei Wahlen längst durch die Decke gegangen sein, widerspricht er. Die Migration habe die Links- und die Rechtspopulisten stark gemacht, von denen sich beide Tendenzen in der AfD fänden. Dies zeige sich in ihrer Forderung nach sozialen Leistungen, aber nur für Inländer. Das wiederum ruft bei Christoph Butterwegge Kopfschütteln hervor. »Die AfD ist keine Partei der kleinen Leute«, auch wenn sie das zuweilen behaupte. Butterwegge nennt die Mietenpolitik, die Rente, den Soli. Den will die AfD sofort abschaffen, was Unternehmen, nicht Geringerverdienern die größte Entlastung bescheren würde - weil er nicht nur auf die Einkommens-, sondern auch auf die Körperschaftssteuer berechnet wird, die Kapitalgesellschaften zahlen müssen. Mit »Linkspopulismus« kann der Wissenschaftler, der für die LINKE 2017 als Kandidat um das Amt des Bundespräsidenten antrat, nichts anfangen. Populismus gehe von einem Volksbegriff aus, der der Linken fremd sei. Diese unterscheide die Interessen von Klassen und Schichten, nicht Völkern.
Wie sich auch bei der Buchvorstellung am Mittwoch zeigte, wird es kompliziert, sobald die Ursachenanalyse einsetzt. Einig sind sich alle, dass die Thesen der AfD hoffähig werden, wenn man sie ihnen wegzunehmen versucht, wie die CSU es tut. Für Bartsch ist es wichtig, dass Parteien unterscheidbar bleiben und nicht als Elite wahrgenommen und gemeinsam für Missstände verantwortlich werden. Darin sieht er auch ein Problem der LINKEN, die in drei Bundesländern mitregiert, ohne die sozialen Umwälzungen herbeiführen zu können, die sie propagiert. »Hier müssen wir besser werden.«
Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges, Gerd Wiegel: »Rechtspopulisten im Parlament. Polemik, Agitation und Propaganda der AfD«, 256 Seiten, Westend Verlag, Frankfurt am Main
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