Donnerstag, 3. Mai 2018

Gesucht: LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn und gleiche Bedingungen auch in Deutschland



a) Überlegungen zu einer Klage auf Entgeltnachzahlung für Leiharbeitnehmer

"Leiharbeitnehmer, die weniger verdienen als vergleichbare 
Stammarbeitnehmer, können nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG n. F. (vor 
1.4.2017: § 9 Nr. 2 AÜG) Gleichbehandlung verlangen. Dies gilt nicht 
nur für die Vergütung, sondern auch für alle sonstigen 
Arbeitsbedingungen. Es gilt jedoch nicht, wenn ein wirksamer 
Tarifvertrag etwas anderes bestimmt. Die vorliegenden Einsendungen 
gehen in der Regel davon aus, dass eine Schlechterstellung evident 
ist. Dies bedarf der Überprüfung. (...) Equal Pay und Equal Treatment 
sind nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG n. F. (bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a. F.) 
tarifdispositiv. Wie weit die Abweichung gehen kann, ist umstritten. 
Nach Einführung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wurde verbreitet der 
Standpunkt vertreten, dass nur eine begrenzte Abweichung zugelassen 
sei. Die Grundstruktur der Regelung, von der abgewichen werde, müsse 
erhalten bleiben, was etwa bedeutet, dass die in den einzelnen 
Branchen bestehenden unterschiedlichen Vergütungen berücksichtigt 
werden müssen. (...) In der Literatur wurde deshalb der Standpunkt 
vertreten, der Grundsatz der Gleichbehandlung dürfe „gestaltet, aber 
nicht verlassen“ werden. (...) Weitergehend wird der Standpunkt 
vertreten, dass der tarifliche Schutz insgesamt gleichwertig sein 
müsse. (...) Weder der Grundsatz der beschränkten Abweichung noch der 
Grundsatz der Gleichwertigkeit des tariflichen Schutzes war bisher 
Gegenstand eines Verfahrens vor dem BAG. Dies hängt damit zusammen, 
dass verklagte Verleihfirmen bei wichtigen Fragen dazu neigen, die 
Kläger klaglos zu stellen, um so ein möglicherweise für sie negatives 
Urteil zu vermeiden. (...) Bisher sind Leiharbeitnehmer immer – wenn 
überhaupt – isoliert vorgegangen, so dass kaum mit weiteren Klagen zu 
rechnen war. (...) Die bestehenden Leiharbeitstarife in der 
Bundesrepublik weichen in praktisch allen Fragen nicht nur vom 
Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern auch von anderen Normen zu Lasten 
der Leiharbeitnehmer ab (was in einer Klage im Einzelnen darzulegen 
wäre). Sie überschreiten daher den im Lichte des Art. 5 Abs. 3 der 
Richtlinie interpretierten Ermächtigungsrahmen des § 8 Abs. 2 Satz 1 
AÜG und sind deshalb unwirksam..."
Argumentationshilfe von Prof. Dr. Wolfgang Däubler (pdf) (16. Seiten, 
Stand 28.5.2017), wie sie allen Rechtsanwälten im Rahmen der Kampagne 
zur Verfügung steht
http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/04/daeubler280517.pdf

b) Neues zu Kampagne - neuer Prozeßtermin

Aschaffenburg am 8. Mai: Eine in der Lagerlogistik bei H&M 
beschäftigte Leiharbeiterin klagt gegen Time Partner 
Personalmanagement GmbH auf Equal Pay, da sie fast 1/3 unter der 
Vergütung die gleiche Arbeit verrichtender Stammbeschäftigter liegt 
(ca 350 Stammbeschäftigte und bis zu 200 LeiharbeiterInnnen). 
Pikanterweise erhält die Klägerin in der ersten Instanz Rechschutz 
über ver.di - gegen den eigenen Tarifvertrag mit IGZ! LabourNet 
Germany wird mit einem Prozessbeobachter vor Ort sein und zeitnah 
berichten!

Im Fall Gießen wurde zwar Berufung eingelegt, diese jedoch bisher noch 
nicht terminiert. Der RA Dr. Bissels von der Kanzlei CMS hat aber 
bereits gut erkannt, worum es dabei gehen könnte: "... Möglicherweise 
werden in der Berufung – unabhängig von den europarechtlichen 
Erwägungen – zudem ergänzend allgemeine Fragen diskutiert, die vor dem 
ArbG Gießen erstinstanzlich – zumindest auf Grundlage der vorliegenden 
Urteilsgründe – keine Rolle gespielt haben, aber bis dato noch immer 
nicht abschließend von der Rechtsprechung geklärt sind, insbesondere 
die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit..." 
Quelle: "equal pay trifft das ArbG Gießen – die Urteilsgründe sind 
da!" im Infobrief Zeitarbeit 3/2018 bei CMS in Deutschland
https://www.cms-hs.net/2018/03_Infobrief_Zeitarbeit/infobrief.html#4

Es stehen mindestens zwei weitere Prozesse an! Siehe Hintergründe im 
Dossier zur Kampagne
http://www.labournet.de/?p=116170

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen