Liebe Genossinnen und Genossen,
wir
haben uns hier versammelt, um dem Geburtstag von Ernst Thälmann, der
sich in diesem Monat zum 130. mal jährt zu gedenken. Uns allen ist
Thälmann bekannt, und dennoch kann es nicht verkehrt sein, sich aus
diesem Anlaß
seiner Biographie zu erinnern. Insbesondere deswegen, weil hierbei auch
bestimmte Schlußfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen sind.
Zur Biographie
Ernst
Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg als Sohn eines Gastwirts
geboren. Bereits sein Vater war Mitglied der damals noch revolutionären
Sozialdemokratischen Partei, in die auch Ernst Thälmann am 15. Mai 1903
als Hafen- und Transportarbeiter eintrat. Er wurde am 1. Februar 1904
ebenfalls Mitglied im Deutschen Transportarbeiter-Verband, in dem er in
der Folgezeit wichtige verantwortliche Positionen einnahm. Am 17. Januar
1906 nahm er am Proteststreik gegen die geplante
Wahlrechtsverschlechterung in Hamburg, dem ersten politischen
Massenstreik in Deutschland, teil. Thälmann stand schon als junger
Arbeiter und Gewerkschafter auf dem Boden des unversöhnlichen
Klassenkampfes und trat gegen den Opportunismus in der deutschen
Arbeiterbewegung auf. Er bekämpfte entschieden die Bestrebungen
reformistischer Gewerkschaftsführer, dem 1. Mai den Charakter eines
Kampftages zu nehmen, und forderte, die Gewerkschaften zu Organen des
Kampfes gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung zu machen.
Nach seinem Militärdienst, in dem er seine antimilitaristische Arbeit
fortsetzte und deswegen bestraft wurde, gehörte er zu den linken Kräften
in der USPD. Ernst Thälmann begrüßte begeistert den Sieg der russischen
Arbeiter und Bauern in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. In
der Novemberrevolution 1918 organisierte er gegen den Willen der
sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführung die Bewaffnung der
revolutionären Arbeiter Hamburgs. Seit März 1919 gehörte er der hamburgischen Bürgerschaft und seit Mai 1924 dem Reichstag an. Thälmann erkannte frühzeitig, daß
mit der Gründung der KPD das Fundament für die Wiedervereinigung der
deutschen Arbeiterbewegung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus
gelegt war. Seiner Ansicht nach kam es nun darauf an, die Kommunistische
Partei zu einer Massenpartei zu machen, was am schnellsten durch
Vereinigung mit der USPD zu bewerkstelligen wäre. Als Vorsitzender der
Ortsgruppe Hamburg der USPD ab 1919 hatte er entscheidenden Anteil
daran, daß
die große Mehrheit der Hamburger Mitglieder der USPD sich mit der KPD
vereinigte. Thälmann nahm am Vereinigungsparteitag der USPD-Linke mit
der KPD 1920 teil. Von Dez. 1920 bis Mai 1923 gehörte er dem
Zentralausschuß an. Er war weiterhin Delegierter des III., V. Und VI. Weltkongresses
der KI. Im Mai 1923 wurde Thälmann vom Zentralausschuß als Vertreter
der „linken“ proletarischen Strömung in der KPD in die Zentrale der
Partei gewählt. Am Aufstand der Hamburger Arbeiter vom 23. bis 25.
Oktober 1923 war er aktiv beteiligt. Aus der Niederlage zog er die
Lehre, die KPD zu einer geschlossenen, disziplinierten und mit den
Massen eng verbundenen marxistisch-leninistischen Partei zu entwickeln.
Von Februar bis April 1924 war Thälmann stellvertretender Vorsitzender
der KPD. Nach den Auseinandersetzungen mit den Ultralinken in der Partei
ging schließlich eine stabile marxistisch-leninistische Parteiführung
hervor. Auf der I. Parteikonferenz der KPD im Oktober 1925 wurde er zum
Vorsitzenden des Zentralkomitees der KPD gewählt. Unter seiner Leitung
wurden die ideologischen und organisatorischen Prinzipien des Leninismus
systematisch in der Partei durchgesetzt. Beharrlich kämpfte Thälmann
für die Herstellung der Einheitsfront der Arbeiterklasse und für ein
Bündnis mit den werktätigen Bauern.
Die
1. Reichskonferenz des Roten Frontkämpferbundes (RFB) in Berlin (1.
Februar 1925) wählte Thälmann zum Vorsitzenden dieses
antimilitaristischen, proletarischen Wehrverbandes. Im März und April
1925 kandidierte er bei den Reichspräsidentenwahlen und erhielt im
zweiten Wahlgang über 1,9 Millionen Stimmen. Thälmann war glühender
Internationalist und fühlte sich mit der Sowjetunion fest und
unverbrüchlich verbunden. Die Stellung zur Sowjetunion entschied seiner
Ansicht nach über die Frage, zu welchem Lager man in den Fragen
deutscher Politik gehört, zum Lager der Revolution oder zum Lager der
Konterrevolution. Er leistete als Vorsitzender der KPD und führender
Funktionär der KI einen bedeutenden Beitrag zur schöpferischen Anwendung
des Marxismus-Leninismus. Thälmann hatte Anteil u.a. an der Analyse
neuer Erscheinungen des Imperialismus, insbesondere des
Faschisierungsprozesses und an der Weiterentwicklung der Einheitsfront-
und Bündnispolitik der KPD. Thälmann warnte frühzeitig vor der
faschistischen Gefahr. Die von ihm maßgeblich geprägte antifaschistische
Politik der KPD, die Politik einer breiten antifaschistischen
Abwehrfront gegen die Offensive des deutschen Monopolkapitals zu Beginn
der dreißiger Jahre, schlug sich nieder in so grundlegenden Dokumenten
wie der Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des
deutschen Volkes (vom 24. August 1930), dem Bauernhilfsprogramm (vom 16.
Mai 1931) und dem Arbeitsbeschaffungsplan der KPD (vom 29. Mai 1931).
Als die Bourgeoisie in den 30er Jahren mit der Entwicklung der
kommunistischen Bewegung um seine Macht fürchtete, traten führende Köpfe
des Monopolkapitals (Schacht, Schröder, Thyssen, Vögler, Krupp u.a. ) -
an Reichspräsident Hindenburg mit der Forderung heran Hitler zum
Reichskanzler zu ernennen – was auch am 30. Januar 1933 erfolgte. In der
Einigung der Arbeiterklasse sah Thälmann die entscheidende
Voraussetzung für den Zusammenschluß aller
antifaschistisch-demokratischen Kräfte und damit den einzigen Weg zur
Verhinderung der faschistischen Diktatur. Ausführlich legte Thälmann die
Notwendigkeit und das Wesen der Einheitsfront in einem Gespräch dar,
das er mit 20 sozialdemokratischen Funktionären am 8. Juli 1932 führte.
Er betonte, dass das unterschiedliche Mitgliedsbuch Kommunisten und
Sozialdemokraten nicht trennen dürfe und dass die KPD die Einheitsfront
mit den sozialdemokratischen Organisationen suche. Getreu dieser Linie
veranlaßte Thälmann, daß die KPD am 20. Juli 1932 – als die
sozialdemokratisch geführte Regierung des Landes Preußen durch den
Staatsstreich F. v. Papens beseitigt wurde – der Führung der SPD anbot,
den Staatsstreich gemeinsam abzuwehren. Doch diese lehnte es ab,
Widerstand gegen diesen neuen Schritt zum Faschismus zu leisten. Weit
vorausschauend, warnte er im Frühjahr 1932, als er wiederum bei den
Reichspräsidentenwahlen kandidierte:“Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“
Bei diesen Wahlen stimmten im März 1932 für den Hamburger Hafenarbeiter
und Vorsitzenden der KPD fünf Millionen Deutsche.
Wenige
Tage nach Errichtung der faschistischen Diktatur zog Thälmann auf der
illegalen Tagung des Zentralkomitees am 7. Februar 1933 im Sporthaus
Ziegenhals (bei Berlin) wichtige Schlußfolgerungen für die weitere
Strategie und Taktik des Kampfes der KPD. Diese Gedanken gingen in die
Generallinie der KPD zum Sturz der Hitlerregierung ein, die mit
Unterstützung der KI vor allem von Pieck und Ulbricht ausgearbeitet
wurde und in den Beschlüssen der Brüsseler Parteikonferenz ihren
Niederschlag fand.
Thälmann
fiel am 3. März 1933 seinen faschistischen Todfeinden in die Hände. Er
wurde von 1933 bis August 1937 in Berlin-Moabit, von 1937 bis August
1943 in Hannover und seit 1943 in Bautzen in strenger Einzelhaft
gehalten. Trotz strenger Isolierung konnten die Faschisten nicht
verhindern, daß die Führung der KPD die Verbindung zu Thälmann
aufrechterhielt. Durch Kuriere, die jahrelang regelmäßig nach
Deutschland fuhren, wurde Thälmanns Ehefrau Rosa mit Informationen
versorgt, die sie bei ihren Besuchen an Thälmann weitergab. Auf ähnliche
Weise gelangten dessen Hinweise und Niederschriften in die Hände der
Parteiführung. Die mächtige Solidaritäts- und Befreiungsbewegung, die
Tätigkeit der in vielen Ländern gegründeten Befreiungskomitees, die
Forderungen von Millionen Antifaschisten nach Befreiung Thälmanns waren
eine große moralische Unterstützung für Thälmann. Er blieb auch während
seiner Gefangenschaft der anerkannte Führer der KPD. Die Brüsseler und
die Berner Parteikonferenz wählten ihn zum Mitglied des Zentralkomitees.
Auch die KI wählte Thälmann auf dem VII. Weltkongreß 1935 wieder zum
Mitglied ihres Exekutivkomitees.
Als
die Faschisten ihre Niederlage herannahen sahen, wurde Thälmann
schließlich auf direkten Befehl Adolf Hitlers und Heinrich Himmlers von
Bautzen in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert und dort
hinterrücks ermordet. Als die Bluttat im Lager bekannt wurde, ehrten
politische Häftlinge in einer illegalen Gedenkfeier den ermordeten
Führer der KPD. Die Nachricht von der Ermordung Thälmanns wurde in der
internationalen Arbeiterbewegung mit tiefer Erschütterung aufgenommen.
Georgi Dimitroff urteilte: “Der große deutsche kommunistische Führer ist
gefallen. Die Kommunistische Partei Deutschlands aber soll und wird
leben und ihre Befreiungsmission trotz alledem zum siegreichen Ende
führen.“ Die Kommunisten waren die bedeutendste und zahlenmäßig stärkste
Kraft im Kampf gegen den deutschen Faschismus. Mit seiner
Standhaftigkeit wurde Thälmann – trotz Folter und Bestechungsversuche –
für alle, die in faschistischen Zuchthäusern und Konzentrationslagern
der Willkür der Nazis ausgesetzt waren, zum Vorbild. Er wurde in aller
Welt zum Symbol eines anderen Deutschland.
Es stellt sich nun die Frage nach den historischen Parallelen zur gegenwärtigen politischen Situation
Die
Weltwirtschaftskrise zu Zeiten Thälmanns begann mit dem New Yorker
Börsenkrach im Oktober 1929. Zu den wichtigsten Merkmalen der Krise
zählten u.a. ein starker Rückgang der Industrieproduktion, des
Welthandels, der internationalen Finanzströme und Bankenkrisen, die
massenhafte Arbeitslosigkeit, soziales Elend und politische Krisen
verursachte. Die Zahl der Arbeitslosen lag in Deutschland im Februar
1930 bei 3,5 Millionen und erreichte im Februar 1932 ihren Höhepunkt mit
6.120.000. Die Weltwirtschaftskrise ab 2007 war eine klassische
Überproduktionskrise und wurde nach bürgerlicher Lesart ausgelöst durch
das Platzen einer Immobilienpreis-Blase, mit einhergehender Finanz- und
Bankenkrise, auf die später Staatsschuldenkrisen bis zum Teil
Staatskrisen wie in Griechenland folgten. Zudem kam es zu Hungerkrisen
in armen Ländern. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise wird gemeinhin als
schwerste Krise seit der ersten Weltwirtschaftskrise betrachtet. Im
Rahmen der Bankenrettung wurden einige Banken verstaatlicht und später
geschlossen, die Risiken der Privatwirtschaft wurden zu Schulden der
Allgemeinheit. Der IWF schätzte im August 2009 die Gesamtverluste der
weltweiten Realwirtschaft auf 11,9 Billionen US-Dollar. Der Rückgang der
Industrieproduktion ist vergleichbar mit dem im ersten Jahr der
Weltwirtschaftskrise 1930 in Deutschland und den USA. Die Zahl der
Arbeitslosen im Februar 2016 wird mit einem Wert von 3.017.000
angegeben. Zur verdeckten Arbeitslosigkeit, die in nicht unerheblichem
Maße vorhanden sein muß, gibt es offenbar nur Schätzungen. Allerdings
existiert eine Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes vom 1.
Dezember 2014. Hiernach bezogen am Jahresende 2013 7,38 Millionen
Menschen und damit 9,1 % der Bevölkerung soziale Mindestsicherung. Es
ist zu merken, daß die Krise des Kapitalismus immer größere Ausmaße
annimmt.
Allein
in Dresden gingen am 12. Januar 2015 schätzungsweise 17.000
PEGIDA-Anhänger auf die Straße. Der typische Anhänger stammt aus der
sogenannten Mittelschicht und protestiert gegen die herrschende Politik,
kritisiert die Medien und hat grundlegende Vorbehalte gegen Zuwanderer
und Asylbewerber. Es entspricht dem Wesen des Kapitalismus, daß Reichtum
reicher und Armut ärmer wird, d.h. daß immer mehr Menschen auch durch
die Lawine des Sozialabbaus zu den Verlierern dieses politischen Systems
gehören. Die PEGIDA-Anhänger merken, daß sie zu diesen Verlierern
gehören werden. Jedoch hat ihr Absturz ins Proletariat oder gar
Prekariat nichts zu tun mit den Asylbewerbern, die hier aufgenommen
werden. Es hat zu tun mit den genannten Verteilungsprozessen in dieser
Gesellschaft – mit der Schere zwischen arm und reich, die immer weiter
auseinandergeht. Leider führt die Unzufriedenheit nicht zu
antikapitalistischen Strategien, sondern wird kanalisiert im Sinne von
Rassismus und Chauvinismus. Dies jedoch ist eine wichtige Voraussetzung
für die allgemeine Akzeptanz imperialistischer Kriege. Insofern spielen
extrem rechte Parteien und Organisationen eine wichtige
systemstabilisierende Rolle.
Als
zu Beginn der 20er-Jahre sich die ersten Krisenerscheinungen bemerkbar
machten, die schließlich in der Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt
fanden, zeigte Thälmann auf, wie trotz steigender Gewinne, die
Eigentümer des Großkapitals und die in ihrem Interesse die Macht
ausübende Regierung alle Lasten dem werktätigen Volk aufbürdeten. Hier
zeigt sich wieder eine geschichtliche Parallele zur Weltwirtschaftskrise
ab 2007, als die Allgemeinheit ungefragt für die Bankenrettung haften
mußte.
Welche Lehren ergeben sich aus der Geschichte gegen Imperialismus und Faschismus?
Als
sich in der Weltwirtschaftskrise die Klassengegensätze verschärften und
die Arbeiterklasse unter Führung der KPD die kapitalistische Herrschaft
bedrohte, errichtete die Bourgeoisie die faschistische Diktatur und
stürzte die Völker in den 2. Weltkrieg. Die Zusammenarbeit der rechten
SPD-Führer mit der Bourgeoisie und ihre Ablehnung des
außerparlamentarischen Kampfes und ihre Feindschaft gegenüber dem
Marxismus-Leninismus spaltete die Arbeiterklasse und ermöglichte der
Bourgeoisie die Errichtung der faschistischen Diktatur. Auch als es nach
dem Krieg um die Vereinigung
der beiden Arbeiterparteien auf dem Boden der westlichen
Besatzungszonen ging, waren es die Führer der Sozialdemokratie, die dem
Willen der Mehrheit der Mitglieder der Partei nicht Rechnung trugen und
sich wieder auf die Seite des Klassengegners schlugen.
Es
wird auch heute eine wichtige Frage bleiben, welche Kräfte Hitler den
Weg ebneten, ihn unterstützten und die Machtergreifung als ihre große
Chance sahen. Es scheint offensichtlich zu sein, daß Faschismus eine
extreme Herrschaftsform zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen
Ordnung ist. Auch heute ist das Monopolkapital bereit, militärische
Gewalt gegen die Bedrohung ihrer imperialistischen Interessen
einzusetzen. Der deutsche Faschismus wurde geschlagen, aber diejenigen,
die ihm die Macht übergaben, haben seine Niederlage überlebt. Unsere
Aufgabe besteht heute zum einen darin, die Überzeugung zu entwickeln,
daß es zum Untergang dieses sich historisch überlebten Systems nur die
Alternative seiner revolutionären Überwindung gibt und zum anderen, daß
hierfür eine Massenbasis zu schaffen ist.
Thälmann
sah in der Einigung der Arbeiterklasse die entscheidende Voraussetzung
für den Zusammenschluß aller antifaschistisch-demokratischen Kräfte und
damit den einzigen Weg zur Verhinderung der faschistischen Diktatur.
Seine Vision erfüllte sich leider erst nach dem Krieg mit der
organisatorischen Vereinigung von KPD und SPD zur SED. Die Idee der
Vereinigung marxistisch-leninistischer Kräfte in einer Partei bleibt
sein Vermächtnis, das wir zu erfüllen haben.
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