Montag, 30. Juni 2014
Gegen ein Gefängnis im Gefängnis
In Griechenland sind seit Montag rund 4000 Inhaftierte gegen Hochsicherheitstrakte in den Hungerstreik getreten
Von Heike Schrader, Athen, junge Welt 28.Juni 2014
In Griechenland wehren sich seit Montag Tausende Gefangene mit einem Hungerstreik gegen ein Gesetz zur Einrichtung von sogenannten Hochsicherheitsgefängnissen. An dem Protest nehmen bereits fast 4000 der etwa 12000 in griechischen Haftanstalten Internierten teil.
In dem Gesetz, das dem Parlament derzeit zur Abstimmung vorliegt, ist die Einrichtung von speziellen Trakten in den Gefängnissen vorgesehen. Für die in diesen »Typ-C-Gefängnissen« Inhaftierten sollen fast alle in den »normalen« Haftanstalten geltenden Rechte außer Kraft gesetzt werden. So haben Typ-C-Gefangene keinen Anspruch auf Hafturlaub und nur eingeschränkte Kommunikations- und Besuchsrechte. Außerdem gibt es für sie nicht die Möglichkeit, durch Arbeit hinter den Knastmauern ihre Strafzeit zu verkürzen.
In den Trakten vom Typ C sollen alle nach dem griechischen Antiterrorgesetz Angeklagten und Verurteilten sowie all diejenigen interniert werden, die nach Meinung der Strafverfolgungsbehörden eine »Gefahr für das Land und seine öffentliche Ordnung« darstellen. Auch Gefangene können dorthin verlegt werden, die in den anderen Trakten auffällig geworden sind, zum Beispiel weil sie sich an Knastaufständen beteiligt haben. Eine Haftprüfung für die Verlegung in den Normalvollzug ist nur alle zwei Jahre vorgesehen.
In einer Erklärung zum Hungerstreik fordern die Gefangenen nun die Rücknahme der Gesetzesvorlage. »Wir wehren uns gegen ein Gefängnis im Gefängnis, ohne Hafturlaub, ohne Besuchsrecht, ohne Zukunft«, heißt es dort. Weiterhin klagen die Hungerstreikenden auch das gängige Verfahren bei der Erteilung von Hafturlaub im Normalvollzug an: »Während das Gesetz vorsieht, daß jeder, der ein Fünftel beziehungsweise drei Fünftel seiner Strafe abgesessen hat, Hafturlaub nehmen oder auf Bewährung entlassen werden kann, müssen sich die Gefangenen wieder und wieder der Inquisition und den Staatsanwälten stellen, die ohne einen Grund oder eine laufende Disziplinarstrafe einen Antrag nach dem anderen ablehnen«. Auf diese Weise würden »Gefangene ohne jede Hoffnung« geschaffen. Auch leiste es erneuter Kriminalität Vorschub.
Darüber hinaus fordern die Gefangenen die Wiederaufnahme von Verfahren für alle, die nach einem alten Gesetz wegen Drogendelikten zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Denn die Gesetzeslage hat sich mittlerweile verbessert. Mehr als die Hälfte der Inhaftierten in griechischen Gefängnissen wurde im Zusammenhang mit Drogendelikten verurteilt, wobei einfache Süchtige häufig als angebliche Dealer lebenslange Haftstrafen absitzen.
Auch das in Griechenland im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern Europas nicht geltende Recht auf unbewachtes Zusammensein mit dem Ehepartner oder der Ehepartnerin wird gefordert. »In den Gefängnissen wird dir die Freiheit entzogen«, heißt es in der Erklärung der Hungerstreikenden dazu. »Doch in den griechischen Gefängnissen verweigert man dir sogar das Lächeln der Kommunikation und des Kontakts mit deinen geliebten Menschen.«
Nicht zuletzt wenden sich die Hungerstreikenden gegen die gängige Praxis, Abschiebehäftlinge weit über die zulässigen 18 Monate hinaus in den Gefängnissen in Abschiebehaft zu halten, und fordern ihre sofortige Freilassung. Davon würden mehrere tausend in griechischen Gefängnissen ohne jedes Verschulden außer der Einreise ohne Papiere festgehaltene Migranten profitieren.
In den griechischen Medien wird der Hungerstreik weitgehend verschwiegen. Ein Versuch von etwa 50 mit den Hungerstreikenden solidarischen Menschen, am Dienstag abend vor dem Haus des griechischen Ministerpräsidenten zu demonstrieren, wurde von der Polizei brutal verhindert, alle potentiellen Demonstranten wurden in Polizeigewahrsam genommen.
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