Montag, 30. Juni 2014
Die Abrechnung steht noch aus – 40 Jahre Klassenkämpfe in Portugal
Debate acerca da "Revolução dos Cravos/PREC", com um participante e um activista de Portugal, Charles Reeve (Crónicas portuguesas, 2001) e Ricardo Noronha (colaborador do Vol. 15 da "Biblioteca da Resistência")
Es gibt Orte und Jahreszahlen, die in linken Ohren sofort vertraut klingen und bei Vielen eine Flut von Assoziationen, Bildern und Namen hervorrufen. St. Petersburg 1917, Barcelona 1936 oder Paris 1968 sind längst zu mythischen Chiffren für die Siege und Niederlagen der sozialen Revolution geworden. „Lissabon 1974“ bringt dagegen nichts zum Klingen, ruft keine Namen, Bilder und Parolen hervor.
Lissabon 1974 steht in keiner lebendigen Beziehung mehr zu uns, und das wofür die Chiffre einsteht, ist nahezu völlig aus dem historischen Bewusstsein einer sich revolutionär verstehenden Linken gelöscht. Und das obwohl – oder vielleicht: gerade weil – das, was am 25. April 1974 in Lissabon mit einem linken Militärputsch in Gang kam, sich rasant zu der radikalsten und umfassendsten sozialen Revolution ausweitete, die Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg erschüttert hat. Es entstand in Portugal eine riesige Bewegung der Besetzungen, die sich innerhalb weniger Monate zehntausende Wohnhäuser, Betriebe und Landgüter aneignete und sie unter die räteförmige Selbstverwaltung der ausgebeuteten Klassen stellte.
Wir möchten an diesem Abend über jene Ereignisse diskutieren. Dafür konnten wir mit Charles Reeve und Ricardo Noronha zwei ganz besondere internationale Gäste gewinnen.
Charles Reeve (*1945) desertierte 1967 aus der portugiesischen Kolonialarmee und lebt seitdem im Pariser Exil. Er war in den Jahren 1974/75 aktiver Teilnehmer des revolutionären Prozesses in Portugal. Bereits im Frühjahr 1976 legte er eine kritische Analyse des Scheiterns der „Nelkenrevolution“ in seiner Broschüre „Die portugiesische Erfahrung“ vor. Die hierin enthaltenen Einsichten sind bis heute maßgebend und wurden von Reeve in mehreren über die letzten 40 Jahre verfassten Artikeln und Essays zum Thema kontinuierlich vertieft, zuletzt in seinem neusten Text „Das Unvorhersehbare - unser Territorium“. Reeve schreibt unter anderem für die Zeitschrift Wildcat und berichtet seit den 1970ern aus verschiedenen Kontinenten über die Kämpfe und Lebensbedingungen eines in permanenter Umwälzung begriffenen Weltproletariats. Zuletzt erschien 2001 von ihm „Die Hölle auf Erden. Bürokratie, Zwangsarbeit und Business in China“ in deutscher Übersetzung bei Edition Nautilus.
Ricardo Noronha arbeitet als Sozial- und Wirtschaftshistoriker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Lissabon. Er forscht vor allem zur Einbindung des semi-peripheren Portugal in die europäische und weltkapitalistische Ökonomie und zur Nationalisierung des Bankwesens im Rahmen der „Nelkenrevolution“ (siehe seinen Aufsatz „Die Banken im Dienste des Volkes“ in dem Buch „Portugal 25. April 1974 - Die Nelkenrevolution“ vom Laika-Verlag). Unlängst veröffentlichte er unter dem Titel „Never has a winter been so long“ ein Thesenpapier auf der Homepage der Gruppe Affect (New York), in dem er seine Einschätzung der komplizierten Konflikte und Alternativen 1974-75 prägnant verdichtet.
Gemeinsam wollen wir danach fragen, wie und warum die damals kurzfristig eroberten ungeheuren Möglichkeiten zur Emanzipation wieder zerschlagen werden konnten? Welche Rolle spielten Staat und Kapital, aber auch die linken Organisationen, also Sozialdemokraten und Gewerkschaften, Parteikommunisten und linksradikale Grüppchen in dieser Auseinandersetzung? Worin bestanden die entscheidenden Schwächen der Bewegung, die eine teils gewaltsame, teils „samtene“ Konterrevolution möglich machten? Und nicht zuletzt: wo stehen Portugal und die portugiesische Bewegung heute, nach 40 Jahren bürgerlicher Konterrevolution und 5 Jahren Schuldenkrise?
Die Veranstaltung findet in portugiesischer Sprache statt und wird simultan übersetzt.
Freitag, 20. Juni 19 Uhr // translib // Leipzig, Lützner Straße 30 // translibleipzig.wordpress.com
translib hat „Never has a winter been so long“ von R. Noronha und „Das Unvorhersehbare“ von C. Reeve ins Deutsche übersetzt. Siehe: translibleipzig.wordpress.com. Dort findet sich auch zahlreiches weiteres Material zur Reihe und zum Thema.
Eine weitere Diskussion mit Charles Reeve und Ricardo Noronha gibt es zwei Tage später in Berlin bei den Freundinnen der klassenlosen Gesellschaft. 22. Juni um 20 Uhr im k-fetisch. Ankündigung und Texte zur Vorbereitung gibts auf ihrer website.
Die Leipziger Reihe endet am Donnerstag, 26. Juni 19 Uhr mit
Die Landbesetzung von Torre Bela
Dokumentation und Vortrag zur Landnahme, Kooperative sowie den Grenzen und Möglichkeiten von Dokumentarfilmen
__________________________________
theorie praxis lokal
website: http://theoriepraxislokal.org // tpl-kontakt: sozialistische.studienvereinigung@link-f.org //
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19. Jun
An alle Interessierten:
wir möchten noch einmal hinweisen auf die morgige Portugal-Veranstaltung der translib Leipzig:
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur sogenannnten Nelkenrevolution 1974 in Portugal:
A toupeira e os cravos – Crise e Revolucão em Portugal – O rizoma … 1974 – 2014 …
Der Maulwurf und die Nelken – Krise & Revolution in Portugal – Das Rhizom … 1974 – 2014 …
findet am kommenden Freitag um 20 Uhr in der translib eine
Diskussionsveranstaltung mit Charles Reeve und Ricardo Noronha statt:
Ajustar contas ainda abertas – 40 anos de luta de classes em Portugal
Die Abrechnung steht noch aus – 40 Jahre Klassenkämpfe in Portugal
Debate acerca da "Revolução dos Cravos/PREC", com um participante e um activista de Portugal, Charles Reeve (Crónicas portuguesas, 2001) e Ricardo Noronha (colaborador do Vol. 15 da "Biblioteca da Resistência")
Es gibt Orte und Jahreszahlen, die in linken Ohren sofort vertraut klingen und bei Vielen eine Flut von Assoziationen, Bildern und Namen hervorrufen. St. Petersburg 1917, Barcelona 1936 oder Paris 1968 sind längst zu mythischen Chiffren für die Siege und Niederlagen der sozialen Revolution geworden. „Lissabon 1974“ bringt dagegen nichts zum Klingen, ruft keine Namen, Bilder und Parolen hervor.
Lissabon 1974 steht in keiner lebendigen Beziehung mehr zu uns, und das wofür die Chiffre einsteht, ist nahezu völlig aus dem historischen Bewusstsein einer sich revolutionär verstehenden Linken gelöscht. Und das obwohl – oder vielleicht: gerade weil – das, was am 25. April 1974 in Lissabon mit einem linken Militärputsch in Gang kam, sich rasant zu der radikalsten und umfassendsten sozialen Revolution ausweitete, die Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg erschüttert hat. Es entstand in Portugal eine riesige Bewegung der Besetzungen, die sich innerhalb weniger Monate zehntausende Wohnhäuser, Betriebe und Landgüter aneignete und sie unter die räteförmige Selbstverwaltung der ausgebeuteten Klassen stellte.
Wir möchten an diesem Abend über jene Ereignisse diskutieren. Dafür konnten wir mit Charles Reeve und Ricardo Noronha zwei ganz besondere internationale Gäste gewinnen.
Charles Reeve (*1945) desertierte 1967 aus der portugiesischen Kolonialarmee und lebt seitdem im Pariser Exil. Er war in den Jahren 1974/75 aktiver Teilnehmer des revolutionären Prozesses in Portugal. Bereits im Frühjahr 1976 legte er eine kritische Analyse des Scheiterns der „Nelkenrevolution“ in seiner Broschüre „Die portugiesische Erfahrung“ vor. Die hierin enthaltenen Einsichten sind bis heute maßgebend und wurden von Reeve in mehreren über die letzten 40 Jahre verfassten Artikeln und Essays zum Thema kontinuierlich vertieft, zuletzt in seinem neusten Text „Das Unvorhersehbare - unser Territorium“. Reeve schreibt unter anderem für die Zeitschrift Wildcat und berichtet seit den 1970ern aus verschiedenen Kontinenten über die Kämpfe und Lebensbedingungen eines in permanenter Umwälzung begriffenen Weltproletariats. Zuletzt erschien 2001 von ihm „Die Hölle auf Erden. Bürokratie, Zwangsarbeit und Business in China“ in deutscher Übersetzung bei Edition Nautilus.
Ricardo Noronha arbeitet als Sozial- und Wirtschaftshistoriker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Lissabon. Er forscht vor allem zur Einbindung des semi-peripheren Portugal in die europäische und weltkapitalistische Ökonomie und zur Nationalisierung des Bankwesens im Rahmen der „Nelkenrevolution“ (siehe seinen Aufsatz „Die Banken im Dienste des Volkes“ in dem Buch „Portugal 25. April 1974 - Die Nelkenrevolution“ vom Laika-Verlag). Unlängst veröffentlichte er unter dem Titel „Never has a winter been so long“ ein Thesenpapier auf der Homepage der Gruppe Affect (New York), in dem er seine Einschätzung der komplizierten Konflikte und Alternativen 1974-75 prägnant verdichtet.
Gemeinsam wollen wir danach fragen, wie und warum die damals kurzfristig eroberten ungeheuren Möglichkeiten zur Emanzipation wieder zerschlagen werden konnten? Welche Rolle spielten Staat und Kapital, aber auch die linken Organisationen, also Sozialdemokraten und Gewerkschaften, Parteikommunisten und linksradikale Grüppchen in dieser Auseinandersetzung? Worin bestanden die entscheidenden Schwächen der Bewegung, die eine teils gewaltsame, teils „samtene“ Konterrevolution möglich machten? Und nicht zuletzt: wo stehen Portugal und die portugiesische Bewegung heute, nach 40 Jahren bürgerlicher Konterrevolution und 5 Jahren Schuldenkrise?
Die Veranstaltung findet in portugiesischer Sprache statt und wird simultan übersetzt.
Freitag, 20. Juni 19 Uhr // translib // Leipzig, Lützner Straße 30 // translibleipzig.wordpress.com
translib hat „Never has a winter been so long“ von R. Noronha und „Das Unvorhersehbare“ von C. Reeve ins Deutsche übersetzt. Siehe: translibleipzig.wordpress.com. Dort findet sich auch zahlreiches weiteres Material zur Reihe und zum Thema.
Eine weitere Diskussion mit Charles Reeve und Ricardo Noronha gibt es zwei Tage später in Berlin bei den Freundinnen der klassenlosen Gesellschaft. 22. Juni um 20 Uhr im k-fetisch. Ankündigung und Texte zur Vorbereitung gibts auf ihrer website.
Die Leipziger Reihe endet am Donnerstag, 26. Juni 19 Uhr mit
Die Landbesetzung von Torre Bela
Dokumentation und Vortrag zur Landnahme, Kooperative sowie den Grenzen und Möglichkeiten von Dokumentarfilmen
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