Montag, 30. Juni 2014

Thesen zu strategischen Überlegungen – Wie weiter nach dem Peace Event Sarajevo 2014

Standpunkt 2014/033 von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 30. Juni 2014 Das durch seine Vielfalt, Internationalität, Breite und große Anzahl von jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern beeindruckende Friedensereignis in Sarajevo zeigt neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen für die internationale Friedensarbeit. Mit den folgenden Thesen wollen wir zur weiteren Diskussion beitragen. Wir sind uns dabei bewusst, dass die zentrale Herausforderung in der Überwindung der momentanen Mobilisierungsschwäche der Friedensbewegungen in vielen Ländern liegt. Diese ist wahrscheinlich nur durch einen längeren Prozess zu überwinden, schließt spontane Mobilisierungshöhepunkte aber sicher nicht aus. Thesen: 1. Im Mittelpunkt der Aktivitäten der Friedensbewegung bleiben das bedingungslose „Nein zu Krieg und Intervention“ und die Forderung nach ziviler Lösung der Konflikte. 2. Das „Nein zur Institution Krieg“ und die Forderung nach deren Abschaffung bedeutet die Ablehnung aller Formen gesellschaftlicher Militarisierung und einer Konfrontationspolitik, wie sie zur Zeit in vielen Teilen der Welt (Europa/Ukraine aber auch in Südostasien) auf der Tagesordnung der weltpolitischen Auseinandersetzungen der imperialen Mächte steht. 3. Die Ablehnung von Krieg und Militarisierung bedeutet die Überwindung der „Organisationen des Krieges“. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Abschaffung der NATO als das stärkste Militärbündnis der Welt. Die Abschaffung der NATO muss in allen Ländern auf die Tagesordnung der Auseinandersetzung gesetzt werden, auch dort, wo es heute noch breitere gesellschaftliche Unterstützung für dieses Bündnis gibt. Dies verlangt eine längerfristige Aufklärungs- und Informationskampagne sowie die konsequente Fortsetzung der bisherigen „No to NATO“-Aktivitäten. Der nächste Höhepunkt dieser internationalen Aktionen ist der NATO-Gipfel in Newport/Wales. Wir rufen zur Unterstützung der vielfältigen Aktionen, u.a. des Gegengipfels und der Demonstration auf. 4. Unabdingbar verbunden sind alle antimilitaristischen Aktivitäten mit der Forderung nach Abrüstung. In vielen Ländern muss die Forderung nach Abbau des Rüstungshaushaltes, nach „Disarmament for Development“ oder „Move the money“ erst wieder auf die Tagesordnung. Die Forderung nach Abrüstung zur Befriedung gesellschaftlicher Bedürfnisse ist ein Kettenglied für eine breitere Mobilisierung und für gesellschaftliche Bündnisse. 5. Die Ablehnung von Militarismus bedeutet in Europa, nicht zu schweigen, zur Entwicklung der Militärpolitik der Europäischen Union. Das Thema EU als eigener Militärblock und EU-Europa als eigenständiger Pfeiler der NATO gehört auf die Tagesordnung der Friedensbewegung. Bei unterschiedlicher Einschätzung des Systems der Europäischen Union sollte uns eine gemeinsame Absage an jede Form der Militarisierung Europas einen; Europäische Friedenspolitik hat sich an den Grundgedanken „gemeinsamer Sicherheit“ und „ziviler Konfliktlösungen“ zu orientieren. 6. Drohnen sind nur der Einstieg in eine neue ungeahnt gefährliche Aufrüstungswelle der Automatisierung und Roboterisierung des Krieges. Ein internationales Moratorium muss auf die Tagesordnung der internationalen Friedensdiskussion. 7. Frieden ist undenkbar ohne die Abschaffung aller Atomwaffen. Hier wenden wir uns insbesondere auch gegen die geplante Modernisierung der Atomwaffen, die in Deutschland stationiert sind. Wir kritisieren insbesondere auch die „Nukleare Teilhabe“ Deutschlands. Alle Bestrebungen hin zu einer weltweiten Nuklearwaffenkonvention verdienen verstärkte Unterstützung. 8. Die Verschärfung von Konflikten und Kriege durch die Ressourcenverknappung und Klimaveränderungen fordert neue gesellschaftliche und ökonomische Antworten. Diese Fragestellungen haben vielfältige friedenspolitische Implikationen. Deswegen ist die Beteiligung der internationalen Friedensbewegungen u.a. an den zivilgesellschaftlichen Vorbereitungen der Weltklimakonferenz 2015 in Paris von herausragender Bedeutung. 9. Es gibt Alternativen zu Krieg und Militarisierung: diese haben sich an den Grundgedanken von Abrüstung, Dialog, Verhandlungen aller Konfliktparteien, ziviler Konfliktbearbeitung zu orientieren. Sie finden sich auch wieder in der UNESCO Deklaration „Kultur des Friedens“. 10. Eine Stärkung ziviler internationaler Organisationen wie der UN oder der OSZE und vergleichbarer Institutionen in anderen Teilen der Welt ist notwendig. Eine Stärkung der UN ist aber ohne ihre Demokratisierung (u.a. Abschaffung des Vetorechts im Sicherheitsrat) und Stärkung ihrer ursächlichen Friedensrolle nicht möglich. 11. Internationale Konflikte und (Bürger/Stellvertreter)Kriege können nur durch Verhandlungen gelöst werden. Waffenstillstand ist der erste Schritt zu Dialog und Aussöhnung. Interventionen sind grundsätzlich abzulehnen, sie lösen keine sondern verschärfen Konflikte, Irak ist das vielleicht aktuellste Beispiel, aber dies gilt sicher auch für Syrien, Sudan, Mali und weitere Konflikte. Gerade die gesellschaftliche Situation in vielen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens zeigt erneut die Notwendigkeit von Versöhnungsarbeit. 12. Krieg ist dem profitorientierten ökonomischen System Kapitalismus wesenseigen, kann aber durch das Handeln der Menschen gestoppt und verhindert werden. Wir lehnen einen Automatismus von Kapitalismus und Krieg genauso ab, wie eine angebliche „Friedensfähigkeit des Imperialismus“. Frieden und Abrüstung sowie friedliche Lösungen von Konflikten können durch bewusst und konsequent handelnde Subjekte erreicht werden. Der Fetisch „Wachstum“ muss hinterfragt werden. 13. Friedensarbeit verlangt unabdingbar die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Organisationen, Initiativen und Institutionen der einzelstaatlichen und internationalen Friedensbewegungen ohne Ausgrenzung und Hegemonialanspruch. Gleichberechtigung und gegenseitige Toleranz auf der Basis einer klaren Anti-Kriegsposition, des Antimilitarismus, des Anti-Faschismus, des Pazifismus und der Gewaltfreiheit sind die Grundlagen und Voraussetzung breiter gesellschaftlicher Bündnisse besonders mit den Gewerkschaften, kirchlichen Institutionen, den Umwelt- und globalisierungskritischen Bewegungen. Die Sprachlosigkeit internationaler Friedensnetzwerke muss überwunden werden. Eine Zusammenarbeit mit allen Organisationen einschließlich Parteien, die sich gegen Krieg und für Abrüstung einsetzen, ist notwendig und dient der gegenseitigen Unterstützung. 14. Die Vielfalt der Themen und Strukturen ist eine Stärke der internationalen Friedensbewegungen, besonders wenn sie mit internationalen Vernetzungen, Zusammenarbeit und der Orientierung auf gemeinsame Aktionen verbunden ist. Kompromisse sind unabdingbare Bestandteile einer neuen Kultur der internationalen Friedensarbeit. Grabenkrieg ist ein Relikt. Kultur hat – auch in Sarajevo 2014 noch einmal ihre große Bedeutung für die Friedensarbeit gezeigt, auch dies ist eine Herausforderung für zukünftiges Wirken für den Frieden. 15. „Frauen gegen Krieg“ ist eine eigenständige Bewegung mit vielfältigen Aktivitäten, sie ist aber gleichzeitig integrativer Bestandteil der Friedensbewegungen. Frieden sollte auf der geplanten Weltfrauenkonferenz eine zentrale Rolle spielen. 16. Intensiv muss über weitere international vernetzte Aktionen gegen Krieg und Rüstungsausgaben nachgedacht werden. Dabei kann das Peace Event Sarajevo 2014 durchaus als Ansporn dienen. Jahrestage im Zusammenhang mit 100 Jahre 1. Weltkrieg, 70 Jahre Ende des 2. Weltkrieges oder dem 70. Jahr nach den ersten Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki sind geeignet, Menschen zusammenzuführen, um aus der Geschichte Lehren für aktuelle Anforderungen des Friedensengagements zu ziehen. Wir regen an nachzudenken über: · Einen internationalen Kongress zu weltweiten Abrüstung für soziale Bedürfnisse · Die Gestaltung des neu beschlossenen UN Tages für nukleare Abrüstung am 26.09. · Vorbereitung eines internationalen Friedensforums bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris · Eine verstärkte internationale Vernetzung (unter Einbeziehung der Gewerkschaften) am weltweiten internationalen Friedenstag -1.9. bzw. 21.09. · Ob nach Sarajevo 2014 nicht ein neues großes internationales Friedensereignis 2017 oder 2018 folgen sollte. Die teilweise begeisterte Zustimmung vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die Notwendigkeit der Verstärkung internationaler Zusammenarbeit setzen die Diskussion dazu auf die Tagesordnung. · Kurzfristig, wie eine umfangreiche Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel am 4./5.9.2014 in Wales und parallel dazu laufende Aktivitäten vor Ort gegen die NATO-(Politik) – auch insbesondere in der Ukraine – möglich sein kann. 17. Unser Ziel ist eine internationale Friedenspolitik, die Krieg als Mittel der Politik ausschließt. Eine Welt ohne Krieg und Rüstung ist möglich – das Engagement der internationalen Friedensbewegung unverzichtbar. Reiner Braun – Geschäftsführer der IALANA, einer der Sprecher der Kooperation für den Frieden, Co-Präsident des International Peace Bureau (IPB) Tobias Pflüger – stellvertretender Vorsitzender der Partei „Die Linke“, Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) Berlin, den 23.06.14

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