Mittwoch, 13. Juni 2012

Wofür wurde Blücher erschossen?

Antikommunistische Verirrung des „Rotfuchs“ Im Rotfuchs Nr. 5/2011 auf Seite 11, behauptet Walter Ruge: „Eines der prägnantesten Schicksale erlitt Marschall der Sowjetunion Wassili Konstantinowitsch Blücher, Held im fernöstlichen Kampf gegen Koltschak und Wrangel. 1938 wurde er auf hinterhältige Weise in seinem Salonwagen festgenommen und nach Moskau gebracht. Dort schlugen ihm die Vernehmer zunächst ein Auge aus. Doch Blücher, diese harte bolschewistische Legierung, war zu keinem fingierten ‚Geständnis’ bereit. So wurde er weiter mißhandelt und anschließend ‚ordnungsgemäß’ erschossen. Gegen diesen treuen Kommunisten hat nie ein Verfahren, nicht mal zum Schein, stattgefunden.“ Wofür wurde Blücher erschossen? Von Pawel Krasnow In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren die Sinowjew-Kamjenew-Banditen bei weitem nicht die einzigen, die ihre Hände gierig nach dem Volkseigentum ausstreckten, es gab auch andere, die davon zu profitieren wünschten. Es ist beispielsweise interessant, sich anzuschauen, wofür 1939 der „unsterbliche Marschall“ Blücher und sein fernöstliches Kommando erschossen wurden. Bekanntlich war die sowjetisch-chinesische (und eigentlich die sowjetisch-japanische) Grenze de facto eine Frontlinie. Im Sommer 1938 erklärte der Botschafter des Kaiserlichen Japans Moskau geradezu, daß Japan in der Lage sei, die Grenze dort zu befestigen, wo es das nötig halte. In der Diplomatensprache bedeutet das: Krieg. Daraufhin wurde Marschall Blücher der Befehl gegeben, die Armeen unverzüglich in volle Kampfbereitschaft zu versetzen, das jedoch – falls nichts geschehen sollte – von der Realität fern sein sollte. Von Blücher und seinen Unterstellten war bis dahin und während der Ereignisse am Chasan-See viel unternommen worden, kaum etwas jedoch zur Verteidigung der Heimat, sondern für ihre völlige Auflösung im Fernen Osten. Nach Moskau gelangten nur Berichte über höchste Kampfvorbereitung, doch die allgemeine Praxis war die Arbeit der Soldaten in den Kolchosen oder auf Baustellen, was vom Oberkommando aber strengstens verboten war. Die materiell-technische Basis war vollständig desorganisiert. Als es erforderlich war, in den Kampf zu ziehen, zeigte sich, daß die Soldaten nicht ausgebildet und halb barfüßig waren. Die Artillerie besaß keine Geschosse und die Kommandeure hatten keine Karten vom Gebiet der Kampfhandlungen. Es kam sogar dazu (so ist es in den Dokumente ausgewiesen), daß viele Rotarmisten zur Front nicht nur ohne Munition kamen, sondern im allgemeinen sogar ohne Waffe (!). Und das, obwohl in diesem Bezirk im Fernen Osten riesige Vorräte an Bekleidung und Ausrüstung vorhanden waren. Die „Unvollständigkeit“ des Personalbestandes und insbesondere der Kommandeure war ungeheuerlich. Während der Perestroika wurde behauptet, daß die Armee durch die „Stalinschen Säuberungen“ ausgeblutet gewesen sei. Doch im allgemeinen befaßte sich nicht Stalin mit der Armee, sondern K. Woroschilow. Selbst die „Säuberungen“ (Entlassungen aus der Armee), wurden nicht auf Anordnung Stalins durchgeführt, im gegebenen Fall von Blücher selbst. Das Personal, welches verhaftet und dem Gericht übergeben wurde, war entsprechend Blüchers Forderung oder mit seinem Einverständnis verhaftet worden. Im Ergebnis dessen blieben Hunderte von Planstellen der Kommandeure und Vorgesetzten von Truppenteilen und Einheiten unbesetzt. Die Truppenteile waren schlecht verwaltet und es gab eine riesige Anzahl „rastloser“ Offiziere, die im allgemeinen ohne Ämter waren, die niemanden und nichts zu befehligen hatten. Die „Seltsamkeiten“ Blüchers Am 29. Juli 1938 begann der lokale Krieg beim Chasan-See. Alles fing damit an, daß elf Rotarmisten einige Stunden lang den Angriff einiger Hundert japanischer Soldat abzuwehren hatten. Ein Wachvorgesetzter erinnerte sich: „Per Telefon hatte mich eilig Leutnant Machalin herbeigerufen: ... ‚eine große Abteilung Japaner hat die Grenze und damit begonnen, die Stellungen der Grenztruppen anzugreifen, wir werden umkommen, rächen Sie für uns!’ – dann brach die Verbindung ab. Ich bat beim Divisionkommissar Bogdanow um die Erlaubnis, die Gruppe Machalins mit Feuer aus Tellermaschinengewehren zu unterstützen. Mir wurde das aber mit der Motivation untersagt, weil das im Gebiet der Anhöhe Saosjornaja Antworthandlungen der Japaner provozieren würde.’ Was hier überrascht, ist der freche Zynismus dieser Motivation – es gibt einen blutigen Kampf, die Japaner töten unsere Soldaten, und den Soldaten wird verboten, das Feuer zu eröffnen, damit die Japaner ihnen nicht „antworteten“. Übrigens war der Kommissar Bogdanow ein Blücher sehr nahestehender Mensch, in 1939 auch „unbegründet Repressalien ausgesetzt“ gewesen sei. Eine ebenso seltsame Situation wiederholte sich am 31. Juli, als die Garnison der Anhöhe Saosjornaja im Verlaufe von 12 Stunden den Angriffen zweier japanischer Einheiten ausgesetzt war, und ungeachtet des heldenhaften Widerstands, gezwungen wurde, wegen der drückenden Überlegenheit des Gegners abzuziehen. Währenddessen befand sich in 2 km Entfernung davon eine Schützendivision, die in Ruhe den Kampf beobachtete. Fünf Tagen zuvor, als es unseren Grenzsoldaten gelang, den Angriff einer japanisch Truppe im selben Bezirk zurückzuschlagen, erklärte bei Verhandlungen zur Regelung des Konfliktes unerwartet für alle der Leiter der Sowjetischen Delegation Blücher, daß die Sowjetische Seite selbst am Konflikt schuldig sei, da unsere Grenzsoldaten die Grenze um 3 Meter verletzt hätten. Erstens, war das eine Unwahrheit und zweitens hatte Blücher dazu überhaupt keine Vollmacht, derartige Erklärungen abzugeben. Das war eine schallende Ohrfeige für unser Land. Die UdSSR wurde in der Bewertung durch die westliche Presse vor aller Welt „in der idiotischsten Weise“ vorgeführt. Aber eine um vieles schlimmere Folge war, daß die Japaner sich als Sieger fühlten, und das folgende Blutvergießen war unvermeidlich. Tausende unserer Soldaten haben für diese „seltsame“ Tat Blüchers mit ihrem Leben bezahlt. Leider gehen damit die „Seltsamkeiten“ dieses Frontbefehlshabers bei weitem nicht zu Ende. Statt die Aggression abzuwehren, setzte Blücher „Untersuchungskommissionen“ ein und desorganisiert die das Handeln der Armeen vollständig, sein Stellvertreter wird an die Front geschickt, der keinerlei Vollmacht erhielt, und im Endeffekt blieben die Armeen ohne zentrale Leitung! Aus dem Protokoll des Hauptmilitärrates der Roten Arbeiter- und Bauernarmee vom 4. September 1938 „Die Sache ging so weit, daß am 1. August desselben Jahres, beim Gespräch der Genossen Stalin, Molotow und Woroschilow mit dem Genossen Blücher, Genosse Stalin direkt gezwungen war, ihm die Frage zu stellen: ‚Sagen Sie ehrlich, Genosse Blücher, sind Sie wirklich bereit, gegen die Japaner zu kämpfen? Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie es geradeheraus, wie es einem Kommunisten ansteht, und wenn Sie wenn den Wunsch haben, sollten Sie unverzüglich auf ihren Posten gehen.’ Man beachte das Verhalten und den Stil von Stalins Rede: er droht nicht, er fordert nicht – ja er hat nicht einmal das Recht, das zu tun. Der Marschall unterwirft sich ihm im Prinzip nicht, weil Stalin keine offizielle Macht hat – er ist der Vorsitzende der kommunistischen Partei, das ist alles. Und der Vorgesetzte von Blücher ist Woroschilow, der ihm den direkten Befehl gibt in das Gebiet der Kampfhandlungen zu fahren. Erst am 1. August bekamen die Armeen Blüchers den Befehl, den Gegner anzugreifen, wobei sie das Heranführen der Hauptkräfte nicht erwarteten. Die Zeit, um den Angriff des Gegners vernichtend abzuwehren, war verpaßt, und um frontal anzugreifen, war es schon zu spät. Der Sturm brach herein. Alle Abhänge des Berges und das Seeufer waren mit den Leichen unserer Soldaten bedeckt. Die blutenden Reste der Unterabteilungen, die zwischen dem See und den Hügeln eingekeilt waren, baten um Unterstützung der Luftwaffe, die Kommandeure anderer Einheiten wenden sich mehrfach an den Befehlshaber, aber Blücher antwortete mit kategorischer Absage, „um der koreanischen Bevölkerung keinen Schaden zuzufügen“. Das ist dokumentarisch belegt. Interessant ist, welche „koreanische Bevölkerung“ konnten am Grenzposten und auf der Anhöhe sein, auf der die Kämpfe stattfanden? Ein weiterer Auszug aus einem Protokoll der Sitzung des Hauptmilitärrates: „Genosse Blücher übernimmt erst nach dem Befehl, sich an den Ort der Ereignisse zu begeben, die operative Führung. Doch bei seiner mehr als seltsamen Führung stellt er den Armeen nicht die klare Aufgabe zur Vernichtung des Gegners, er stört der Kampftätigkeit der ihm untergeordneten Kommandeure, insbesondere wird das Kommando der 1. Armee von der Führung seiner Armeen tatsächlich ohne jegliche Gründe entfernt; die Arbeit der Frontverwaltung wird desorganisiert, das bremst eben die Zerschlagung der sich auf unserem Territorium befindliche japanischen Armeen.... Nachdem Genosse Blücher an den Ort der Ereignisse kam, weicht er – ungeachtet endloser Versuche, ihn zu erreichen, auf jede Weise davor aus, eine ununterbrochene Verbindung mit Moskau zum Volkskommissar für Verteidigung herzustellen. Trotz Vorhandensein einer normal arbeitenden Telegrafenverbindung war Genosse Blücher ganze drei Tage nicht zu sprechen. Diese ganze ‚operative Tätigkeit’ des Marschalls Blücher fand ihren Höhepunkt mit dem Einberufungsbefehl von... 12 Jahrgängen. Diese ungesetzliche Handlung war um so unverständlicher, weil der Hauptmilitärrat im Mai desselben Jahres, unter Teilnahme des Genossen Blücher und entsprechend seinem Vorschlag, entschieden hatte, für die Militärzeit in Fernen Osten nur 6 Jahrgänge einzuberufen. Dieser Befehl des Genossen Blücher provozierte die Japaner zu der von ihnen erklärten Mobilmachung und konnte uns in einen großen Krieg mit Japan hineinziehen. Der Befehl wurde vom Volkskommissar unverzüglich aufgehoben.“ – Wird man dabei nicht an Tschetschenien erinnert und an die Besetzung Grosnys? Nur wenn das Kommando in die Hände Woroschilows übergeht, wird den Sturm der Höhe durchgeführt wie es die Regeln der militärischen Wissenschaft erfordert: Nach der Einsatz der Luftwaffe und der Artillerie werden die Panzer – und erst dann wird die Infanterie vorgezogen. Die Japaner wären tatsächlich augenblicklich vernichtet gewesen. Man muß bemerken, daß man Blücher durchaus nicht als einen „Parkett-General“ bezeichnen kann, sondern der bekannte rote Kommandeur des Bürgerkrieges ist, der wie kein anderer weiß, daß der Sturm auf gefestigte Positionen ohne Feuerschutz unmöglich ist und zu furchtbaren Verlusten führt. Das wissen nicht nur Leutnante, sondern sogar Offiziersschüler. Man erinnert sich sogleich an die Worte Basajews, die man dem Moskauer „Abonnenten“ 1990 in einem Funkspruch mitteilte: „Du hast doch versprochen, daß es keine Luftwaffe geben wird!“ In den 30er Jahren mißlang es Verrätern, die Kontrolle über die höchsten Ämter des Landes zu gewinnen, was ihre Niederlage vorherbestimmte. Doch die Verräter der 80er und der 90er Jahre haben aus dieser Erfahrung gelernt und sie haben gesiegt. Das Militärgericht in Moskau, das die Angelegenheit des Marschalls Blücher untersuchte, kam zu dem Schluß, daß der Verrat gegeben war, und es hat den Angeklagten zum Erschießen verurteilt. Die intensive Untersuchung zeigte, daß es eine riesige Anzahl japanischer Agenten unter den „Leuten Blüchers“ gab. Es war nicht merkwürdig, daß in den Armeen praktisch offen vom Verrat des Oberkommandos gesprochen wurde, wie auch im Rußland der 90er Jahre. Trotz der verbreiteten Meinung nahm Stalin an seinem Schicksal keinerlei Anteil, und er übte auch keinen Druck auf das Gericht aus. Die Kampfgenossen Marschalls Blüchers, vor deren Augen das Bild der Abhänge der Höhe Saosjornaja stand, das übersät war mit den Leichen unserer Soldaten, haben das Urteil gefällt. Die Folgen des „undeutlichen Krieges“ am Chasan-See wiegen um vieles schwerer, als daß man über die sowjetische Armee in aller Welt öffentlich lachte. Die Berichte des japanischen Nachrichtendienstes über dei mehr als schwachen Koordination der sowjetischen Armeen wurden dem Verbündeten Japans – Deutschland – übergeben, und sie haben eine sehr wichtige Rolle bei der Beschlußfassung über den Krieg gegen die UdSSR gespielt. Jetzt bezweifelte in der Welt niemand mehr, daß die UdSSR eine leichte Beute ist. Chruschtschow hat Blücher rehabilitiert (d.h. seine oben erwähnten Untaten wurden nicht als verbrecherisch benannt, das ist eine bezeichnende Tatsache). Doch er wagte es nicht, die Gruppe Sinowjew und Kamenjew als unschuldig zu darstellen. Zu offensichtlich waren die Schuldbeweise, zu offensichtlich und verbrecherisch war das Ziel – die Inbesitznahme des Eigentums, die „Aufgabe des Landes“, die „Wiederherstellung des Kapitalismus“. Doch dieses Thema wurde von nun an, bei der Geschichtsschreibung sorgsam gemieden. Die Dokumente des Prozesses wurden aus den Buchläden und den Bibliotheken entfernt, in der Schule und in den Instituten wurden sie nicht mehr gelehrt. Allmählich war unverständlich – sind sie nun Verbrecher oder nicht? Zielgerichtet wurde selbst der Gedanke daran ausgerottet, daß „die da oben“ Verräter sein könnten. Im Ergebnis dieser Aktivitäten war die kommunistische Herrschaft Stalins stark geschwächt. Ebenso wie einige Jahrzehnte nicht verstanden wurde, ob es nun besser ist, das Land „aufzugeben“, oder kann man es auch so noch gut beherrschen. Doch dann verblieb alles „an seinem Platz“, man mußte den Verrat des Landes und die Plünderung der Nationalreichtümer „legalisieren“. Und so wurden die Verräter von einem anderen Verräter, von Jakowlew, „rehabilitiert“. Erst sogar den „Säuberungen der Archive“, nach „Einfügung“ vieler Fälschungen und nach langjähriger Bearbeitung der öffentlichen Meinung brauchte man einige Versuche, um die „Rehabilitierung“ mit dem Erfolg zu krönen. Die Schuld der „unschuldigen Opfer“ war viel zu offensichtlich.

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