Mittwoch, 20. Juni 2012
Alvaro Cunhal über Santiago Carrillo
Vom Verrat der spanischen Revisionisten unter der Führung Santiago Carrillo
Spanische KP-Führung fällt der April-Revolution in den Rücken
Quelle: Kommunisten.ch
Auf Kommunistenonline am 20. Juni 2012 – „Ein Streikbrecher ist ein Streikbrecher!” – So tönte es in den 1970er Jahren von Radio Moskau, wenn von Santiago Carrillo die Rede war, dem Generalsekretär der KP Spanien, der sich seit 1968 immer deutlicher vom Marxismus-Leninismus, von der Kommunistischen Weltbewegung und von ihrem Bollwerk, der Sowjetunion, distanziert hatte. Mitte der 1970er Jahre wurde Carrillo zum Wortführer der Eurokommunisten.
Auf dem Höhepunkt der portugiesischen April-Revolution distanzierte sich Santiago Carrillo, der Wortführer der „Eurokommunisten” und seit 1960 Generalsekretär der KP Spaniens (Partido Comunista de España, PCE), lautstark vom revolutionären Prozess in Portugal und insbesondere von der Portugiesischen Kommunistischen Partei (Partido Comunista Português, PCP). Carrillo ging so weit, sich in portugiesischen Wahlkämpfen einzumischen und trat auf dem Kongress der Portugiesischen „Sozialistischen” Partei3, – neben Mário Soares, der sich mit deutschem Geld die Autorität als Führer der größten sozialistischen Partei und mit revolutionären Programmen und Lügen die Regierungsmacht erschlich, um dann mit allen Hebeln der Konterrevolution zu dienen. Wenn ein US-Präsident (Reagan) bei einem Besuch in Lissabon einmal von Soares als ‘our very best friend in Europe’ sprach, so durfte Washington sich ebenso gewiss auf treue Gefolgschaft des spanischen Opportunisten Carrillo verlassen.
Cunhal über Carrillo
Die verschiedenen Dolchstösse in den Rücken von Seiten der spanischen Parteiführung dürfte die portugiesischen Kommunisten nicht sonderlich überrascht haben. Dies bestätigt der langjährige portugiesische Parteiführer Álvaro Cunhal1 in seinem Werk „Die Wahrheit und die Lüge in der April-Revolution”.2 Dort ruft Cunhal die Vorgeschichte der Entwicklungen in der spanischen KP in Erinnerung und sagt über Carrillo:
«Als Generalsekretär der KP Spaniens verwandelte er sich in der Folge der Beschlüsse des XX. Parteitags der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (über den friedlichen Wettbewerb zwischen Sozialismus und Kapitalismus) in einen Fürsprecher des „friedlichen Weges” für die Beendigung des Faschismus und für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Auf einem Treffen von Delegationen der PCE und der PCP nach dem XX. Parteitag machte er seinen Einfluss geltend, damit der „friedliche Weg” im gemeinsamen Communiqué über dieses Treffen zum Ausdruck gebracht werde. Für die PCP kam dieses Communiqué einem Rückfall in die „Transitionspolitik”4 gleich und stellte die erste öffentliche Erklärung der Linie dar, die unter dem Schlagwort der „friedlichen Lösung des politischen Problems Portugals” vom V. Parteitag 1957 angenommen und später als „Rechtsabweichung der Jahre 1956-59”5 erachtet wurde.
Als die PCP 1960 wieder den Weg eines Aufstandes zum Sturz der Diktatur und zur Eroberung der Demokratie einschlug, bekämpfte Santiago Carrillo bei seinen Auftritten in der internationalen kommunistischen Bewegung und in bilateralen und multilateralen Beziehungen die Orientierung der PCP und verbreitete die Idee, dass das portugiesische Volk nicht in der Lage sei, sich von der faschistischen Diktatur zu befreien, solange das spanische Volk sich nicht von der seinen befreie.
Im Anschluss an die Internationale Konferenz von Kommunistischen Parteien in Karlovy Vary erreichte die PCE 1965 die Unterstützung der Kommunistischen Parteien der Sowjetunion und der Tschechoslowakei für die Durchführung eines Treffens, dass speziell dem Kampf des spanischen Volkes gewidmet war. In seiner Intervention verteidigte Santiago Carrillo die These, dass Spanien in Europa „das schwächste Glied” des Kapitalismus darstelle, wo sich infolgedessen die größten Möglichkeiten für einen großen Sieg der Demokratie und der Kommunisten bieten würden.
Die Parteien, die dieses Treffen gefördert hatten, kamen zum Schluss, dass die internationalistische Solidarität und die internationale politische Kampagne sich auf Unterstützung und Hilfe für das spanische Volk und konkret für die PCE konzentrieren sollten.
Es wurde als sicher ausgegeben, dass das portugiesische Volk und die portugiesischen Kommunisten, um sich von der faschistischen Diktatur zu befreien, darauf warten müssten, dass das spanische Volk und die spanischen Kommunisten mit konzentrierter internationaler Solidarität das „schwächste Glied” des Kapitalismus in Europa brechen und den friedlichen „demokratischen Übergang” erreichen würden.
Dieses Treffen rief auf Seiten der PCP nicht nur die Reaktion hervor, dass sie auf dem Kampf des portugiesischen Volkes ohne das Ende der Franco-Diktatur abzuwarten beharren, sondern führte auch zu nicht wenigen Diskussionen mit anderen Parteien, auch mit denen, die das Treffen im Anschluss an die Konferenz von Karlovy Vary und dessen Schlussfolgerungen unterstützt hatten.
Das portugiesische Volk strafte diese Prognosen Lügen, indem es den Faschismus durch eine aufständische Aktion stürzte, die Freiheit eroberte und tiefgreifende demokratische Veränderungen realisierte, bevor es zum „friedlichen demokratischen Übergang” in Spanien kam.»
Soweit Alvaro Cunhal. Was Carrillo betrifft, ist dessen weiteres Schicksal bekannt: Er wurde zusammen mit den Eurokommunisten 1985 aus der Partei ausgeschlossen und gründete unter dem Namen „Kommunistische Einheit” ein Splittergrüppchen, das seither im sozialdemokratischen PSOE aufgegangen ist. (Carrillo selbst wurde nicht PSOE-Mitglied.)
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Fußnoten
1 Siehe Kurzbiographien Álvaro Cunhal (1913 – 2005)
2 Alvaro Cunhal, A verdade e a mentira na revolução de Abril, A contra-revolução confessa-se, Lissabon (Ed. Avante!) 1999; zu Santiago Carrillo: S. 45ff.
3 Angesichts der Aufrichtung des faschistisches Regimes (Estado novo) hatte sich die Portugiesische Sozialistische Partei in gehorsamer Ausführung des von Salazar erlassenen Parteienverbots an ihrem Kongress in Coimbra 1933 selbst aufgelöst, während die Kommunisten und die Anarchisten den Kampf fortsetzten und dessen Schwergewicht in die Illegalität verlagerten. 1964 gründete Soares in Genf eine Gruppe unter dem Namen „Acção Socialista Portuguesa”, die 1972 als Mitglied der SI aufgenommen wurde. Erst kurz vor der Nelkenrevolution wurde die PSP gegründet: in der Bundesrepublik Deutschland und von Deutschland finanziert, wobei die Gelder über die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung liefen.
4 „Übergangspolitik” (política de transição”) bezeichnet in der Geschichte der portugiesischen KP die opportunistische Linie, die auf dem IV. Parteitag im Juli 1946 von einigen Delegierten vertreten wurde. Diese Genossen waren der Auffassung, dass die kapitalistischen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs den Kampf des portugiesischen Volkes gegen seine faschistischen Machthaber unterstützen würden. Gestützt auf diese Hoffnung plädierten sie für eine Orientierung, nach der die Arbeiterklasse alles tun müsse, um die Integration des faschistischen Portugal in die NATO zu befördern und alles vermeiden müsse, was die gemäßigt faschistischen Sektoren verschrecken könnte.
5 Alvaro Cunhal, O desvio de direita nos anos 1956-1959, Obras Escolhidas, Lisboa (Edições Avante!) 2008, tomo II, S. 533-589.
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