Donnerstag, 4. Mai 2017
Globale Gewerkschaftsbewegung: Aufstieg im Niedergang
"Die globale Gewerkschaftsbewegung ist geschwächt. Doch es gibt
Anzeichen einer Erneuerung. Arbeitskämpfe und Proteste werden seit
einigen Jahren weltweit wieder häufiger (...) Welche Chancen hat die
Arbeiterbewegung? So düster, wie es heute scheinen mag, ist es nicht.
Erstens, die Klassenkonflikte werden sich nicht abschwächen, und
Arbeiterinnen und Arbeiter werden auch weiterhin die stete
Notwendigkeit erkennen, schlagkräftige Organisationen zu bilden und
Kämpfe verschiedener Form auszutragen. Indirekt wird diese Behauptung
gestützt von der Existenz nationalistischer und religiöser Bewegungen,
die teilweise an die Stelle der abwesenden sozialen treten und den
Klassenkampf in ihre Bahnen lenken. (...) Zweitens ist die globale
Arbeiterschaft größer als je zuvor. Aus einer aktuellen Studie der
Internationalen Arbeitsorganisation geht hervor, dass die Zahl der
werktätigen Bevölkerung im Nahen Osten und in Nordafrika zwischen 1980
und 2005 um 149 Prozent gewachsen ist. Im subsaharischen Afrika, in
Lateinamerika und der Karibik hat sie sich ungefähr verdoppelt, in
Südasien stieg sie um 73 Prozent an, in Ost- und Südost¬asien um 60
Prozent. Gleichzeitig finden innerhalb der einzelnen Regionen
erhebliche Verschiebungen statt (...) Diese Verschiebungen gingen
drittens oftmals mit einer Intensivierung der sozialen Kämpfe einher.
(...) Der soziale Widerstand ist viertens in allen Teilen der Welt
gewachsen. (...) Es gibt aber fünftens auch explizite Anzeichen einer
Erneuerung. Organizing-Kampagnen bei zuvor unorganisierten Arbeitern
in den Krankenhäusern und in der Pflegebranche sind in den vergangenen
Jahren sehr viel häufiger geworden.(...) Wenn es eines gibt, das die
Geschichte lehrt, dann dies: Gewerkschaftsstrukturen entwickeln sich
fast nie reibungslos und Stück für Stück. Sie sind generell das
Ergebnis von Konflikten und riskanten Experimenten. Druck von unten
(durch konkurrierende Netzwerke und alternative Aktionsweisen etc.)
wird dieses Ergebnis entscheidend mitbestimmen." Artikel von Marcel
van der Linden in der Übersetzung aus dem Englischen von Daniel
Bratanovic bei der jungen Welt vom 29. April 2017 (der niederländische
Historiker Marcel van der Linden ist Forschungsdirektor am
Internationalen Institut für Sozialgeschichte und Professor für die
Geschichte der sozialen Bewegungen an der Universität von Amsterdam)
https://www.jungewelt.de/artikel/309842.aufstieg-im-niedergang.html
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