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mit Dr. Sonja Witte.
1959 spricht Adorno in seinem Vortrag "Was bedeutet: Aufarbeitung
der Vergangenheit" von der kollektiven Schuldabwehr der Deutschen und
benennt Verleugnung, Verkleinerung, Umlügen der deutschen Verbrechen als
deren wesentliche Mechanismen. Heute hingegen ist die Betonung von
Geschichtsbewusstheit und 'Erinnerungsarbeit' selbst eine 'Technik' der
'Vergangenheitsbewältigung' - seit den 1990er Jahren ist Auschwitz
zu einem integralen Bestandteil deutscher Identität geworden. Der
Vortrag wirft einen Blick zurück auf kulturindustrielle Produktionen der
00er Jahre und nimmt dabei die Verknüpfung der Imagination einer
'guten' deutschen Nation im Postnazismus mit der einer kollektiven
Versöhnung der Generationen in den Blick. In der Kulturindustrie
inszenierte sich in diesen Jahren geballt eine neue Unbefangenheit der
Liebe zu Deutschland, wobei insbesondere die
dritte TäterInnengeneration als Medium einer nationalen
'Verunschuldung' entworfen wurde. Anhand von Filmbeispielen werden diese
intergenerativen Aspekte in kulturindustriellen Verarbeitungen
deutscher Geschichte ausgeleuchtet. Hiervon ausgehend wird die These
vertreten, dass diese Darstellungen des Generationenverhältnisses einem
Modus folgen, der aus psychoanalytischer Perspektive als ein - für
autoritäre Strukturen massgebliches - 'Einfrieren' der Adoleszenz
beschrieben werden kann. Generative Konflikte werden 'umgebogen', die
Identifizierung mit einem starken Kollektiv fungiert als imaginärer
Schutzraum. Wie sich dies kulturindustriell ausbuchstabiert wird anhand
einer Analyse des Kinofilms "Das Wunder von Bern" gezeigt.
Sonja Witte lebt in Berlin und ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin
an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin. Promoviert
hat sie an der Uni Bremen zum Unbewussten in der Kulturindustrie (die
Dissertation erscheint dieses Jahr im transcript-Verlag unter dem Titel
"Symptome der Kulturindustrie - Dynamiken des Spiels und des
Unheimlichen in Filmtheorien und ästhetischem Material"). Ihre
Schwerpunkte sind u. a. Kritische Theorie, psychoanalytische Subjekt-
und Kulturtheorie, Sexualitätsforschung. Kürzlich hat sie publiziert:
"In Liebe gebor(g)en: Heilsversprechen der Resonanz als Symptom für
das Unbehagen in der Kultur. Psychoanalytisch-kulturtheoretische
Anmerkungen zu Hartmut Rosas Soziologie der Weltbeziehungen", in:
Christian Helge Peters / Peter Schulz (Hg.): Resonanzen und Dissonanzen -
Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion. Bielefeld:
transcript (im Erscheinen)
"Vom Klassenkampf zum 'Kinderschänder' - Anmerkungen zu wechselnden
Vorzeichen von kindlicher Unschuld und Störgeräuschen". In: Freie
Assoziation - Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, 19.
Jahrgang, Heft 1/2016.
Politisch aktiv ist sie u. a. bei den "les madeleines" www.lesmadeleines.net und der Zeitschrift "Extrablatt - Aus Gründen gegen fast Alles" www.extrablatt-online.net. |
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