Sonntag, 14. Mai 2017

Dresden, Donnerstag 18. Mai 2017

18.30 Hörsaalzentrum Raum 201/U Bergstr. 64 (TU Dresden)
Ringvorlesung zur Gegenwart autoritärer Bewegungen.
Vorlesung: "Nationales Vergangenheitsrecycling in der Kulturindustrie-Die postnazistische Allianz der Generationen im deutschen Kollektiv"
       mit Dr. Sonja Witte.

1959 spricht Adorno in seinem Vortrag "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit" von der kollektiven Schuldabwehr der Deutschen und benennt Verleugnung, Verkleinerung, Umlügen der deutschen Verbrechen als deren wesentliche Mechanismen. Heute hingegen ist die Betonung von Geschichtsbewusstheit und 'Erinnerungsarbeit' selbst eine 'Technik' der
'Vergangenheitsbewältigung' - seit den 1990er Jahren ist Auschwitz zu einem integralen Bestandteil deutscher Identität geworden. Der Vortrag wirft einen Blick zurück auf kulturindustrielle Produktionen der 00er Jahre und nimmt dabei die Verknüpfung der Imagination einer 'guten' deutschen Nation im Postnazismus mit der einer kollektiven Versöhnung der Generationen in den Blick. In der Kulturindustrie inszenierte sich in diesen Jahren geballt eine neue Unbefangenheit der Liebe zu Deutschland, wobei insbesondere die
dritte TäterInnengeneration als Medium einer nationalen 'Verunschuldung' entworfen wurde. Anhand von Filmbeispielen werden diese intergenerativen Aspekte in kulturindustriellen Verarbeitungen deutscher Geschichte ausgeleuchtet. Hiervon ausgehend wird die These vertreten, dass diese Darstellungen des Generationenverhältnisses einem Modus folgen, der aus psychoanalytischer Perspektive als ein - für autoritäre Strukturen massgebliches - 'Einfrieren' der Adoleszenz beschrieben werden kann. Generative Konflikte werden 'umgebogen', die Identifizierung mit einem starken Kollektiv fungiert als imaginärer Schutzraum. Wie sich dies kulturindustriell ausbuchstabiert wird anhand einer Analyse des Kinofilms "Das Wunder von Bern" gezeigt.

Sonja Witte lebt in Berlin und ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin. Promoviert hat sie an der Uni Bremen zum Unbewussten in der Kulturindustrie (die Dissertation erscheint dieses Jahr im transcript-Verlag unter dem Titel "Symptome der Kulturindustrie - Dynamiken des Spiels und des Unheimlichen in Filmtheorien und ästhetischem Material"). Ihre Schwerpunkte sind u. a. Kritische Theorie, psychoanalytische Subjekt- und Kulturtheorie, Sexualitätsforschung. Kürzlich hat sie publiziert:
"In Liebe gebor(g)en: Heilsversprechen der Resonanz als Symptom für das Unbehagen in der Kultur. Psychoanalytisch-kulturtheoretische Anmerkungen zu Hartmut Rosas Soziologie der Weltbeziehungen", in: Christian Helge Peters / Peter Schulz (Hg.): Resonanzen und Dissonanzen - Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion. Bielefeld: transcript (im Erscheinen)
"Vom Klassenkampf zum 'Kinderschänder' - Anmerkungen zu wechselnden Vorzeichen von kindlicher Unschuld und Störgeräuschen". In: Freie Assoziation - Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, 19. Jahrgang, Heft 1/2016.
Politisch aktiv ist sie u. a. bei den "les madeleines" www.lesmadeleines.net und der Zeitschrift "Extrablatt - Aus Gründen gegen fast Alles" www.extrablatt-online.net.
veranstaltet von Referat Politische Bildung

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