Sonntag, 1. Januar 2017

Zehn Jahre Drogenkrieg Mexikos aussichtsloser Kampf

              

Tagesschau.de v. 30.12.2016
Rund 200.000 Menschen sind in den letzten zehn Jahren im mexikanischen Drogenkrieg getötet worden. Erfolgsmeldungen sind rar, die Kartelle agieren immer brutaler. Viele Mexikaner fühlen sich alleine gelassen - und greifen zur Selbstjustiz.
Von Anne Demmer, ARD-Studio Mexiko
"Wir haben hier die Mutter des Herren, der als 'Tequilero' bekannt ist. Ich fordere den Austausch! Das Leben meines Mannes gegen das Leben Ihrer Mutter." Yadira Guillermo García wendet sich in einem mexikanischen Lokalsender an einen Drogenboss. Er hat ihren Mann entführt. Sie wollte nicht länger tatenlos abwarten. Zusammen mit weiteren Dorfbewohnern bildete sie eine Bürgerwehr. Sie verschleppten Bandenmitglieder, auch die Mutter des Bosses. "Wir sind es satt, dass Sie ständig unschuldige Menschen entführen. Ich bitte Sie darum, geben Sie mir meinen Mann zurück."
Der Austausch hat stattgefunden. Der Mann von Yadira Guillermo García ist mittlerweile wieder frei. Der Ingenieur wurde in Guerrero entführt, einem Bundesstaat im Süden Mexikos, der vom Drogenkrieg besonders betroffen ist. Die staatlichen Institutionen und die Polizei werden vom organisierten Verbrechen unterwandert, lokale Politiker von kriminellen Organisationen bestochen. Genau in diesem Bundesstaat sind vor über zwei Jahren auch die 43 Studenten von Ayotzinapa verschwunden. Ihr Schicksal ist nach wie vor ungeklärt.

"In meiner Amtszeit wird es keine Straflosigkeit geben"

Vor zehn Jahren erklärte der konservative Präsident Felipe Calderón bei seinem Amtsantritt im Dezember 2006 den 'Narcos' - den Drogenbanden - den Krieg: "Wir werden entschieden gegen diejenigen vorgehen, die uns herausfordern wollen. Niemand wird sich über das Gesetz stellen. In meiner Amtszeit wird es keine Straflosigkeit geben."
Calderón schickte die Armee in mehrere Bundesstaaten, sie sollte die Aufgaben der Polizei übernehmen. Doch trotz der massiven Verstärkung der Militärpräsenz haben die gewalttätigen Auseinandersetzungen immer weiter zugenommen. Internationale Organisationen werfen den mexikanischen Sicherheitskräften immer wieder Menschenrechtsverletzungen vor. In Mexiko sei Folter eine gängige Praxis, heißt es.

Kritik am Militäreinsatz

Der Verteidigungsminister General Salvador Cienfuegos kritisiert immer wieder den Einsatz des Militärs gegen die Verbrechersyndikate. 45.000 Soldaten seien im Einsatz. "Wir haben nie gelernt, Kriminelle zu verfolgen. Wir übernehmen Funktionen, die uns eigentlich nicht entsprechen. Ich denke, nach zehn Jahren ist es an der Zeit, dass die Polizei wieder ihre Aufgaben übernimmt, so wie es geplant war."
Wirkliche Erfolgsmeldungen im Kampf gegen den Drogenkrieg gibt es kaum. Der aktuelle Präsident Enrique Peña Nieto rühmt sich damit, dass zahlreiche Köpfe der Kartelle geschnappt wurden - darunter auch der oberste Chef des Sinaloa Kartells, Joaquín el Chapo Gúzman.

Kampf gegen eine Hydra

Doch der Kampf gegen die Drogenbanden gleicht mittlerweile eher dem Kampf gegen eine Hydra: Je mehr Köpfe man abschlägt, desto mehr wachsen nach. Es wird immer unübersichtlicher. Im Bundesstaat Guerrero ist man sich nicht mal mehr sicher, ob dort zehn oder 50 Gruppen operieren, erklärt der Historiker Héctor Aguilar Camin: "Es gibt mehr Banden, die weniger sichtbar und auch unbekannter sind, die aber viel brutaler vorgehen, um ihre Territorien zu verteidigen. Sie sind eine viel größere Bedrohung als die alten Kartelle, die sich lediglich auf den Drogenhandel konzentriert haben." Denn längst haben die Kartelle neue Wirtschaftszeige für sich entdeckt: Mit Menschen- und vor allem aber auch Frauenhandel verdienen sie Geld. Sie erpressen Schutzgelder.

Präsident Peña Nieto hält an Strategie fest

Nach offiziellen Schätzungen wird dieses Jahr mit 21.000 Todesopfern das bislang blutigste Jahr für Präsident Peña Nieto. An seiner Strategie will er im nächsten Jahr trotzdem nichts ändern, heißt es. Viele Medien haben ihre Berichterstattung über Gewalt und Korruption in Mexiko längst eingestellt oder zumindest reduziert, weil Journalisten selbst regelmäßig um ihr Leben fürchten müssen. Aber auch wenn die Schlagzeilen auf den Titelblättern weniger geworden sind - der Drogenkrieg geht gnadenlos weiter.

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