Indigene Präsidentschaftskandidatin für Mexiko
Nationaler Indigener Kongress CNI und EZLN streben antikapitalistische Basisdemokratie für ganz Mexiko an
Oventik, Chiapas, Mexiko. Im staatsunabhängigen zapatistischen Verwaltungssitz Oventik wurde am 1. Januar, dem 23. Jahrestag des Aufstands der linksgerichteten Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN), vor über 2000 Anwesenden feierlich eine historische Entscheidung bekanntgegeben, die das politische Establishment Mexikos zweifellos herausfordern wird.
Nach monatelangen Basisbefragungen in zahlreichen Regionen Mexikos hat der autonom und basisdemokratisch organisierte Nationale Indigene Kongress (CNI) beschlossen, eine indigene Frau aus den Reihen des CNI als Präsidentschaftskandidatin aufzustellen. Die Kandidatin wird explizit keiner politischen Partei angehören, sondern soll als Sprecherin und ausführende Kraft eines ebenfalls parteiunabhängigen Indigenen Regierungsrates fungieren, in dem Vertreterinnen und Vertreter aller 62 indigenen Bevölkerungsgruppen Mexikos vertreten sein sollen.
Die zentralen Forderungen des CNI für das durch Gewalt, Korruption, Ausbeutung, Diskriminierung und Medienmanipulation zerrissene Land sind die Einhaltung aller Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und Respekt für sexuelle Präferenz, die demokratische Selbstverwaltung in allen Gesellschaftssektoren, die Kontrolle der Produktionsmittel, der Ländereien und der Dienstleistungen durch die im jeweiligen Bereich arbeitenden Menschen, das Recht auf kostenlose laizistische Bildung, solidarische Gesundheitsversorgung, erschwinglicher Wohnraum, Glaubens- und Meinungsfreiheit sowie ein konsequenter Schutz der Natur.
Der CNI war 1996 auf Initiative der EZLN gegründet worden, ist die einzige landesweite autonome Vernetzungsstruktur der Indigenen und verpflichtet sich radikaldemokratischen Prinzipien. Dies bedeutet, dass alle Funktionsträger*innen jederzeit ersetzt werden können, wenn sie ihre Arbeit nicht zur Zufriedenheit ihrer Basis ausführen. Der geplante Indigene Regierungsrat soll Ende Mai konstituiert werden und versteht sich keineswegs nur als Vertretung der indigenen, sondern aller marginalisierten Bevölkerungssektoren und hat eine klare linkspolitische und antikapitalistische Ausrichtung.
Bei den kommenden Präsidentschaftswahlen 2018 ist es zum ersten Mal möglich, parteilose Kandidat*innen ins Rennen zu schicken. Die Realisierung der Kandidatur einer Vertreterin des CNI ist allerdings nicht einfach. Es gibt bürokratische Hürden, in 120 Tagen mindestens 820.000 Unterschriften von Wahlberechtigten in mindestens 17 von 32 Bundesstaaten zu sammeln. Zudem ist seitens des Staates und der ökonomischen Eliten mit Repression sowie mit medialen Desinformationskampagnen zu rechnen. Auch wenn die Chancen auf einen Wahlsieg sehr gering sind, erhoffen sich die Aktivist*innen einen enormen Mobilisierungs- und Organisierungsschub für die mexikanische Linke jenseits der korrupten institutionellen Sozialdemokratie, eine bisher nicht dagewesene Sichtbarmachung zahlreicher sozialer und ökologischer Probleme im Land sowie eine Verbreitung basisdemokratischer Politikpraktiken.
Es wurde klargestellt, dass weder CNI noch EZLN eine politische Partei werden und dass die Präsidentschaftskandidatin in keinem Falle von den Zapatistas gestellt wird, die weiterhin auf den Ausbau ihrer De-facto-Autonomie im südmexikanischen Chiapas setzen und beachtliche Verbesserungen der Lebensqualität in ihren rund 1.000 Gemeinden erreichen konnten.
Die zapatistische Bewegung unterstützt den Beschluss des CNI ausdrücklich. EZLN-Sprecher Subcomandante Moisés unterstrich in seiner abschließenden Rede, die auf tosenden Beifall stieß: "Der Kapitalismus plündert, zerstört und unterdrückt auf der ganzen Welt Mensch und Natur. Der CNI hat entschieden, auf zivile und friedliche Weise zu kämpfen. Seine Ziele sind gerecht und nicht zu leugnen. Wir als Zapatistas werden den CNI unterstützen".
Luz Kerkeling, Gruppe B.A.S.T.A., Chiapas, 1. Januar 2017
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