Mittwoch, 30. Juli 2014

Ungewisse Zukunft

Stadt Duisburg interessiert sich nicht für Lebenssituation von Flüchtlingen aus Bulgarien und Rumänien. Bewohnte Häuser sollen bis Ende Juli geräumt werden Von Markus Bernhardt In Duisburg wird Familien, die vor allem aus Bulgarien und Rumänien kommen und seit Monaten in der Stadt sind, das Leben unerträglich gemacht. So hat die Kommune nun angekündigt, daß ein in der Straße »In den Peschen« gelegener Häuserblock bis Ende Juli endgültig geräumt werden müsse. In besagten Gebäuden leben derzeit noch Menschen, darunter auch Kinder. Wie viele es genau sind, ist unklar. Die Angaben variieren zwischen 20 und 150 Personen. Bei einem Ortstermin in der vergangenen Woche hatten Vertreter verschiedener städtischer Behörden mit Verweis auf das im April verabschiedete sogenannte Wohnungsaufsichtsgesetz NRW festgestellt, daß die Blöcke aufgrund verschiedener gravierender Mängel nicht bewohnbar seien. Vor allem »erhebliche gesundheitliche Gefährdungen« hätten das Einschreiten notwendig gemacht. Aber daß über mehr als anderthalb Jahre hinweg sogar insgesamt hunderte Menschen in den besagten Häusern wohnten und die Stadt nichts unternahm, um die Situation in den heillos überfüllten Quatieren zu verbessern, dazu verloren die Behörden hingegen kein Wort. Aufgrund der unerträglichen Lebenssituation und der anhaltenden Diffamierungen war das Gros der bis dato in Duisburg wohnenden Familien in andere nordrhein-westfälische Städte ausgewichen. Andere wiederum waren gen Hamburg weitergezogen. Über Monate hinweg hatten sich etablierte Politik, Medien und Anwohner zuvor in übler Stimmungsmache gegen die Bewohner geübt, denen nicht selten pauschal ein Hang zur Kriminalität und Verwahrlosung unterstellt wurde. Vor allem SPD-Politiker hatten in der Vergangenheit mit plumpen Parolen gegen die Bewohner des Peschenhauses mobil gemacht. Damit hatten sie das Geschäft rechter Splitterparteien betrieben, die infolgedessen bei der letzten nordrhein-westfälischen Kommunalwahl Ende Mai mit überdurchschnittlichen Ergebnissen in den Rat der Stadt einzogen. Ausgerechnet Duisburgs Sozialdezernent Reinhold Spaniel (SPD) war in der Vergangenheit mehrfach durch barsche Äußerungen und markige Sprüche aufgefallen. So hatte er mit Blick auf Roma-Familien etwa betont, daß das Integrationskonzept seiner Behörde zum Ziel habe, »den Leute (n) ganz simple Dinge des Lebens (zu) erklären, zum Beispiel daß eine Mülltüte in eine Mülltonne gehört und daß man seine Notdurft nicht draußen, sondern in der Toilette im Haus verrichtet«. Außerdem hatte Spaniel erklärt, keinen Notfallplan für die zum größten Teil aus Bulgarien und Rumänien stammenden EU-Bürger aufstellen zu wollen, unter denen sich viele Kinder befinden. »Wir gehen davon aus, daß die Bewohner auf Grund ihrer hohen Mobilität weiterziehen und die Stadt verlassen«, äußerte der SPD-Mann und erneuerte damit altbekannte Klischees über Roma. Sören Link, Oberbürgermeister der Stadt und SPD-Rechtsaußen, hatte sogar die Bundesregierung aufgefordert, dafür zu »sorgen, daß ein Wiedereinreiseverbot endlich Realität wird«. Deutlicher hatte sich nur noch Polizeisprecher Roman van der Maat positioniert: »Selbst sozial Engagierte sagen doch, daß nur wenige Roma integrationswillig sind«. Obwohl in Duisburg aktuell in verschiedenen Stadtteilen Wohnungen abgerissen werden, die angeblich nicht mehr benötigt würden, sehen weder die Behörden noch die Mehrheit der im Rat vertretenen Parteien die Möglichkeit, die leerstehenden Wohnungen regulär an die betroffenen Familien zu vermieten. Deren Schicksal scheint auch den Nachbarn der Peschenhäuser vollends gleichgültig zu sein. Mit den Worten »Wir sind begeistert« begrüßte etwa Hans-Wilhelm Halle, Sprecher der Anwohner auf der Beguinenstraße/In den Peschen, gegenüber dem Nachrichtenportal Der Westen die Räumung des Häuserblocks. »Wir hoffen, daß sich jetzt unser Leben hier wieder normalisieren wird.« Dazu gehöre, daß die Werte der umliegenden Immobilien wieder steigen könnten und sich die angrenzenden Häuser besser verkaufen ließen, so Halle weiter. Wo potentieller Gewinn winkt, braucht einen das Schicksal von Menschen offensichtlich nicht weiter zu interessieren.

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