Freitag, 5. Oktober 2012
Japans Regierung gerät in AKW-Frage zunehmend in Bedrängnis
02.10.12 - Der japanische Ministerpräsident Yoshihiko Noda gab am 14. September bekannt, dass in Japan keiner der bestehenden Atomreaktoren länger als 40 Jahre laufen solle. Neue sollten nicht mehr gebaut werden. Wieder angefahren werden dürften nur Reaktoren, die von einer neu eingesetzten Atomaufsichtsbehörde als sicher befunden würden. Allerdings sind in verschiedenen Atomkraftwerken neue Reaktoren in Bau. Ein in Shimane geplanter soll fertig gestellt werden und noch ans Netz gehen. Trotz dieser geplanten Abstriche ist das ein weitgehendes Zugeständnis gegenüber der anschwellenden Anti-AKW-Bewegung in Japan. Noch vor wenigen Jahren wäre das in Japan völlig undenkbar gewesen, insbesondere welcher weitgehende Bewusstseinswandel dazu unter der Bevölkerung - ausgehend von der Katastrophe von Fukushima und in Verbindung mit den seither gemachten Kampferfahrungen - statt gefunden hat.
Die bisher offiziell geltende Energiepolitik sah vor, den Anteil der Atomenergie an der Stromproduktion von 30 Prozent auf 50 Prozent auszubauen. Vorübergehend waren nach der Fukushima-Katastrophe sämtliche Atomreaktoren abgeschaltet worden. Nur zwei in Oi bei Osaka wurden wieder angefahren. Angesichts dessen hatten sich die Proteste gegen die Atompolitik der Regierung noch verstärkt - mit wöchentlichen Demonstrationen von bis zu 200.000 Teilnehmern.
Die beiden Reaktoren in Oi waren wieder angefahren worden mit der Begründung, sonst drohe im Sommer mit dem zusätzlichen Energieverbrauch durch die vielen Klimaanlagen ein Energiemangel, der die großen Unternehmen im Konkurrenzkampf zurückwerfen würde. Nun ist der Sommer vorbei und es kam zu keinerlei Stromausfällen, obwohl nur zwei AKW in Betrieb waren. Die Atomkraftgegner nutzen diese Tatsache aus und verweisen darauf, dass Atomkraftwerke nicht nur gefährlich und unverantwortlich, sondern für die Energieversorgung vollkommen überflüssig sind.
Dass auch in Europa und Deutschland viele Atomkraftwerke erhebliche Sicherheitsmängel haben und das Risiko von Katastrophen bergen, offenbart jetzt ein Bericht im Auftrag der EU-Kommission. Ein nach Fukushima beschlossener AKW-"Stresstest" ergab, dass bei zwölf von 17 bestehenden Reaktoren in Deutschland insbesondere die Erdbebensicherheit mangelhaft ist. Alle neun noch laufenden AKW in Deutschland müssen die installierten Warnsysteme nachbessern.
In Japan zielt der Beschluss der Regierung Noda zum "Atomausstieg" auch auf die in Kürze bevorstehenden Neuwahlen. Noda werden dabei bisher keine großen Chancen eingeräumt, vor allem wegen seiner Atompolitik, aber auch wegen der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung von fünf auf zehn Prozent, die auf breite Ablehnung stößt.
Verschiedene Minister der Regierung Noda deuteten an, die Entscheidungen seien nicht endgültig. Industrieminister Yukio Edano sagte, die Entscheidung sei nicht in den vom Kabinett beschlossenen Papieren enthalten. Die japanischen Atomkonzerne werden das auszunutzen versuchen, um die öffentliche Meinung in Japan wieder zu ihren Gunsten zu drehen. Verfolgen sie doch mit großem Ehrgeiz und Unterstützung der Regierung den Bau von möglichst vielen Atomkraftwerken im Ausland.
Akiko Yoshida von der Umweltorganisation "Friends of the Earth" nannte den Beschluss "einen Schritt in die richtige Richtung, aber der Ausstieg wäre sofort möglich". Bei einer Umfrage der Regierung nach drei verschiedenen Szenarien der künftigen Energiepolitik forderten 90 Prozent den Atomausstieg, 80 Prozent sprachen sich für den sofortigen Ausstieg aus ("Süddeutsche Zeitung", 15.9.2012).
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