Montag, 22. Oktober 2012

Milliarden-Defizit der Bundesagentur für Arbeit?

Die Bundesregierung plant offenbar, den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (BA) kräftig unter Druck zu setzen. Ohne die „besonderen Finanzierungsvorgänge“ zwischen Bund und BA, die die Bundesregierung mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2013 abschaffen will, würde die Bundesagentur für Arbeit (BA) das Jahr 2012 mit einem Defizit abschließen. Ein Rückblick zeigt: BA-Defizite können bei einem Beitragssatz von 3,0 Prozent auch nicht unter relativ guten konjunkturellen Bedingungen ausgeglichen (getilgt) werden („strukturelles Defizit“). Erst in den letzten Tagen berichteten wir, dass in diesem Jahr immer mehr Hartz IV Betroffene schon bei kleinsten Vergehen („vergessener Termin) mit scharfen Leistungskürzungen rechnen müssen. Eine Hochrechnung ergab, dass 2012 über eine Million Sanktionen gegen Leistungsbezieher ausgesprochen werden. So viele Sanktionen gab es noch nie. Damit einhergehend sparen die Jobcenter durch die einbehaltenen Leistungen Gelder in Millionenhöhe. Auch werden immer weniger Ermessensleistungen und Bildungsmaßnahmen bewilligt. Offensichtlich will die schwarz-gelbe Bundesregierung, der dies bekannt sein sollte, die BA mit dem „strukturellen Defizit“ weiter unter Druck setzen, Ermessensleistungen noch mehr zu kürzen und Personal abzubauen. In ihrem „Bericht für das dritte Quartal 2012“ („Finanzentwicklung in der Arbeitslosenversicherung“) vom 17. Oktober 2012 erwartet die Bundesagentur für Arbeit (BA) für das Jahr 2012 einen Überschuss von 2,1 Milliarden Euro. Das hieße: Ohne die „besonderen Finanzierungsvorgänge“ zwischen der BA und dem Bund, die die Bundesregierung mit dem Haushaltsbegleitgesetz für das kommende Jahr abschaffen will, würde die BA auch 2012 mit einem Defizit von 1,3 Milliarden Euro abschließen. Abgeschafft werden soll der Eingliederungsbeitrag (§ 46 Abs. 4 SGB II), den die BA an den Bund zu zahlen hat (2012: 3,822 Mrd. Euro; dies ist positiv zu bewerten) und die „Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung“ („Mehrwertsteuerpunkt“, 2012 abgeschmolzen auf 7,238 Mrd. Euro). Der Saldo aus diesen „besonderen Finanzierungsvorgängen“ (etwa 3,4 Mrd. Euro) sorgt dafür, dass in diesem Jahr aus einem von der BA offensichtlich erwarteten rechnerischen Defizit von 1,3 Milliarden Euro (ohne die „besonderen Finanzierungsvorgänge“) ein Überschuss von 2,1 Milliarden Euro wird – eine erfahrungsgemäß eher vorsichtige Schätzung des BA-Vorstands. Mit anderen Worten: Selbst in einem Haushaltsjahr mit einem relativ hohen versicherungspflichtigen Beschäftigungsniveau kann die BA mit einem Beitragssatz von 3,0 Prozent einen Überschuss nur bei einem positiven Saldo von 3,4 Milliarden Euro aus den „besonderen Finanzierungsvorgängen“ und deutlich reduzierten Ausgaben für die aktive Arbeitsförderung der Arbeitsagenturen realisieren. Ein Rückblick auf die Einnahmen und Ausgaben der BA ohne die „besonderen Finanzierungsvorgänge“ in den Haushaltsjahren seit 2003 zeigt (siehe Abb. S. 2 und 3): Nur 2005, 2006 und 2007 ergab sich ein Überschuss – allerdings nicht bei einem Beitragssatz von 3,0 Prozent, sondern bei einem Beitragssatz von 6,5 Prozent (bis 2006) und 4,2 Prozent (2007). Bei einem Beitragssatz von 3,0 Prozent (seit 2011) wäre die BA in den Haushaltsjahren 2005, 2006 und 2007 in ein hohes Defizit geraten. In den letzten 12 Monaten, von Oktober 2011 bis September 2012, standen (immer ohne die besonderen Finanzierungsvorgänge“) Einnahmen in Höhe von 30,5 Milliarden Euro (darunter Beiträge in Höhe von 26,3 Mrd. Euro) Ausgaben in Höhe von 31,2 Milliarden Euro (darunter 23,1 Mrd. Euro für Arbeitslosengeld und „aktive Arbeitsförderung“) gegenüber. Daraus ergibt sich eine rechnerisches Defizit von 0,7 Milliarden Euro in den letzten 12 Monaten mit (wegen ansteigender Arbeitslosigkeit mit Anspruch auf Arbeitslosengeld) leicht steigender Tendenz am aktuellen Rand. Ob dieses Defizit schon in den letzten drei Monaten auf die oben genannten 1,3 Milliarden Euro steigt, wird sich zeigen. Ein Blick zurück auf das Krisenjahr 2009 zeigt, wie schnell das BA-Defizit ansteigen kann. Und der Blick zurück zeigt auch: BA-Defizite können bei einem Beitragssatz von 3,0 Prozent auch nicht unter relativ guten konjunkturellen Bedingungen ausgeglichen (getilgt) werden. („strukturelles Defizit“). Offensichtlich will die Bundesregierung, der dies bekannt sein sollte, die BA mit dem „strukturellen Defizit“ weiter unter Druck setzen, Ermessensleistungen zu kürzen und Personal abzubauen. Nach Angaben des Bremer Institut für Arbeitssmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) werden „Nebenwirkungen auf den Rechtskreis SGB II (z.B. direktere/schnellere Wechsel von Arbeitsuchenden/ Arbeitslosen in Hartz IV) werden, vorsichtig formuliert, in Kauf genommen.“ (sb, BIAJ)

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