Montag, 8. Oktober 2012
EUROPAS ARBEITENDES VOLK GEGEN DIE TROIKA
von Tony Busselen[1] und Cécile Chams
übersetzt von Jens-Torsten Bohlke
Brüssel, 3. Oktober 2012, Solidair. (auf Kommunisten-online am 9. Oktober 2012) –
Vorige Woche kam es in etlichen europäischen Ländern zu großen Generalstreiks und Massendemonstrationen. Die Wut der Volksmassen richtet sich gegen die Troika, jenes Trio aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Die Troika ist eine Einrichtung ohne jegliche demokratische Legitimation und erlegt allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union „Einsparpakete“ bei den Haushaltsausgaben insbesondere im Sozialbereich auf. Dies angeblich als „Hilfspaket zur Bankenrettung“. Der Europäische Fiskalpakt ist ein undemokratischer Vertrag, der für das kommende Jahrzehnt die Haushaltskürzungen auferlegt. Er gibt als Regel eine öffentliche Verschuldung von maximal 5% vor.
FRANKREICH: 80.000 MENSCHEN GEGEN DAS EUROPA DER REICHEN
Am Sonntag, dem 30. September, versammelten sich ungefähr 80.000 Demonstrationsteilnehmer in Paris. Das waren Gewerkschafter, Mitglieder der Linksfront (aus Französischer Kommunistischer Partei, Linkspartei und anderen) und ca. 60 weiteren Organisationen und Aktionskomitees. Die Demonstration richtete sich gegen die Sparmaßnahmen und die Steuererhöhungen (für einen Betrag von 39 Milliarden Euro), die die Regierung von Präsident Hollande angekündigt hatte. Sie richtete sich auch gegen die Unterzeichnung des Europäischen Fiskalpakts durch das französische Parlament. „Das ist der Tag, an dem das französische Volk in Bewegung kommt gegen die Sparpolitik“ rief Jean-Luc M´lenchon, der Mitvorsitzende des Partí de Gauche. (Aus einem Kommentar in der französischen Zeitung L'Humanité)
An der Spitze der Demonstration marschierte auch eine Anzahl von spanischen und portugiesischen linken europäischen Volksvertretern, hinter ihnen eine große Gruppe von Mitgliedern der Partei der Arbeit (PVDA) aus Belgien.
ITALIEN: „WIR HABEN GENUG GEGEBEN“
Auf Initiative der beiden größten Gewerkschaftsverbände demonstrierten am Freitag, dem 28. Oktober 2012, in Rom 30.000 Menschen gegen die Sparpolitik der Regierung von Mario Monti. „Hört auf damit, die Schwächsten zu treffen, wir haben genug gegeben!“ klang es in Sprechchören. Die Botschaft ist gegen neue Kahlschlagaktionen bei den öffentlichen Ausgaben gerichtet. Dies alles in einem Moment, wo die Löhne der öffentlich Beschäftigten alle zwei Jahre eingefroren werden. Seit August steigt so auch die Wut gegen die Sparpolitik und die Massenentlassungen, nehmen die Kämpfe der Arbeiterbewegung zu. Universitätsprofessoren, Beamte, Personal aus dem Gesundheitswesen und von den Reinigungsdiensten der Gemeinden legten aus Solidarität mit den Demonstrierenden ihre Arbeit nieder. Auch die Angestellten des Colosseum und des Forum Romanum verließen ihre Arbeitsplätze, wodurch beide gutbesuchtem Touristenattraktionen geschlossen werden mußten. Seit Monti im November 2011 ohne Wahlen an die Spitze der Regierung kam, sorgten die Einsparmaßnahmen, die sein Kabinett durchführte, für eine Absenkung der Familieneinkommen bei der breiten Masse der Italiener und eine Verschärfung der Rezession der italienischen Wirtschaft. Im Juli erreichte die Arbeitslosigkeit 10,7% der berufstätigen Bevölkerung, was der höchste Prozentsatz seit 2004 ist.
SPANIEN:
GEGEN SPARMASSNAHMEN UND GEGEN SCHLAGSTOCKEINSATZ
Im Zentrum von Madrid standen am Dienstagabend, dem 25. September, bei gewalttätigen Ausschreitungen die Demonstrationsteilnehmer Auge in Auge den Polizisten gegenüber, die mit Hartgummigeschossen und Schlagstöcken gegen die Menschenmenge vorgingen. Die Zahlen der Notaufnahmen ergaben schätzungsweise 60 schwerverletzte Menschen, darunter 27 Polizisten. 26 Menschen wurden festgenommen. Bis spät in die Nacht gingen die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Gruppen von Demonstrationsteilnehmern weiter. Die Gewalttätigkeiten setzten ein, als die Demonstrationsteilnehmer versuchten, das Parlament zu umstellen, um die dort debattierten Sparpläne der Regierung Rajoy anzuprangern. Es geht um einen Rekordbetrag von 39 Milliarden Euro Sparvolumen. Die Haushalte der einzelnen Ministerien werden um 8,9% vermindert. Mit 24,9% betrifft dies das Landwirtschaftsministerium, 17,2% kürzt die Regierung Rajoy beim Ministerium für Bildung, Kultur und Sport. Hinzu kommt, daß die Arbeitslosenleistungen um 6,3% gesenkt werden.
Am Mittwoch und am Donnerstag fanden dann erneute Demonstrationen statt. Am meisten waren die Sprechchöre nach Abdanken dieser Regierung zu hören „Rücktritt, Rücktritt!“. Dieses Mal wurde nicht nur gegen die Sparpolitik demonstriert, sondern es ging auch um die brutale Gewalt der Polizei am vergangenen Dienstag gegen die Demonstrationsteilnehmer. Die Fernsehbilder brachten eine enorme öffentliche Aussprache darüber in Gang. Der Innenminister gratulierte auch noch der Polizei.
Die Kommunistische Partei Spaniens stellte fest: „Die massenhafte Teilnahme der Bürger an den Demonstrationen trotz der von der Regierung hervorgerufenen Spannungen ist ein deutlicher Beweis für den Willen zum Widerstand. Dies kann die Basis für eine gesellschaftliche und alternative Front bilden, die imstande ist, um dem Plan der Regierung entgegenzutreten, die das Grundgesetz verändern und die Diktatur der Märkte im Dienste des Kapitals verewigen will.“
DEUTSCHLAND:
40.000 DEMONSTRATIONSTEILNEHMER FÜR REICHTUMSSTEUERN
Das Bündnis „Umfairteilen - Reichtum besteuern“ aus Gewerkschaftsorganisationen und Sozialverbänden hat in einigen deutschen Städten zu Demonstrationen gegen die soziale Ungleichheit aufgerufen. In Hamburg, Bochum, Berlin, Frankfurt, Köln und Bremen kamen insgesamt 40.000 Menschen auf die Straße. Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, äußerte in seiner Ansprache in Frankfurt: „Diejenigen, die für die Krise bezahlen müssen, können sich dies auch bestens erlauben, nicht die Ärmsten.“
In Deutschland besitzen 10% Reichste über die Hälfte am gesellschaftlichen Reichtum. Die ärmste Hälfte der Deutschen besitzt dagegen mal gerade 1% des gesellschaftlichen Reichtums. Mit dieser Demonstration wollen die Initiatoren die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zum Kern der Debatten im Wahlkampf im kommenden Jahr machen.
GRIECHENLAND:
ERNEUT ZEHNTAUSENDE GEGEN EINSPARUNGEN AUF DER STRASSE
Hunderttausende Griechen legten am 26. September die Arbeit nieder. In Athen, Thessaloniki, Patras und Dutzenden anderen griechischen Städten sagten Zehntausende Demonstrationsteilnehmer „Nein“ zum neuen Sparplan. Das ist sehr bemerkenswert in einem Land, wo bei den Löhnen über 50% weggekürzt worden sind und keine Streikgelder bestehen. Es ist schwer für die Arbeiter, unter solchen Bedingungen den Drohungen und der Einschüchterung seitens der Unternehmer die Stirn zu bieten.
Dieser Streik findet statt in einem Moment, in welchem die Regierung sich dranmacht, um neue Sparmaßnahmen mit einem Volumen von 13,5 Milliarden Euro zu beschließen. In diesen Maßnahmen stecken neue Lohnsenkungen und neue Rentenkürzungen, Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen und der Anstieg des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre. Der neue Sparplan ist eine Bedingung der Troika für die Zahlung einer weiteren Kreditsumme von 31,2 Milliarden Euro. Die Arbeitslosigkeit steht mittlerweile auf einem historischen Rekordwert von 24%, die große Mehrheit der Bevölkerung ist hart von der Armut getroffen. Die drei Regierungsparteien Neue Demokratie (ND) der Konservativen, PASOK der Sozialdemokraten und Demokratische Linke von den Sozialdemokraten brechen derzeit alle Wahlversprechen eines Stopps mit dem weiteren Verarmen der Bevölkerung.
In Athen folgten ca. 20.000 Menschen dem Demonstrationsaufruf der Gewerkschaftsfront PAME. Die Demonstrationsteilnehmer skandierten „Ungehorsamkeit - Keine neuen Opfer für die Herrschenden!“. Ca. 14.000 Demonstrationsteilnehmer liefen bei einem zweiten Demonstrationszug mit, welcher auf Intiative der beiden traditionellen großen Gewerkschaften stattfand, um „die neuen schweren, ungerechten und nicht zielführenden Maßnahmen zu stoppen“. In Heraklion auf Kreta ging es um eine der größten Demonstrationen aller Zeiten vor Ort, organisiert von PAME. In Patras schätzte man die Zahl an Demonstrationsteilnehmern auf fast 10.000 Menschen, was die größte Demonstration vor Ort in den letzten Jahren war.
Als die Demonstrationsteilnehmer sich in Athen vor dem Parlament versammelten, schoß eine Gruppe maskierter Provokateure allerlei Wurfmaterial Richtung Polizei. Dabei ist bereits erwiesen, daß ein Teil dieser Provokateure unter der Hand zum Spiel der Polizei gehört. Ihr Ziel ist das Abschrecken und Einschüchtern der Demonstrationsteilnehmer. Aber die massenhafte Teilnahme am Streik beweist den Mut und die Entschlossenheit einer großen Zahl von Arbeitern.
PORTUGAL: DAS KAPITAL MUSS JETZT ZAHLEN!“
„Die Troika muß abreisen“ war der am Samstag, dem 29. September, meistgehörte Sprechchor in Lissabon. In den vergangenen zwei Wochen mußte die Regierung unter dem Druck der großen Demonstrationen ihre Maßnahmen abschwächen. Nach einem Aufruf der CGTP, des größten portugiesischen Gewerkschaftsverbandes, kamen gegen 15 Uhr etliche große Demonstrationsgruppen auf dem Handelsplatz in der Innenstadt Lissabons zusammen, um unter der Losung „Gegen den Diebstahl von Löhnen und Renten“ zu demonstrieren. Ein Zeitungskommentator: „Diese Demonstration zeugt von einer zunehmenden sozialen Unzufriedenheit und war die größte in Portugal, seit das Land im Mai 2011 Finanzhilfe von 78 Milliarden Euro von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds bekommt.“ Die Schätzungen belaufen sich auf 70.000 bis 175.000 Demonstrationsteilnehmer. Der Sekretär der CGTP, Armenio Carlos, erklärte: „Wir werden keine einzige Lohnsenkung mehr hinnehmen. Es ist jetzt am Kapital zu zahlen!“ Er rief auf zur „Einheit aller Opfer der Sparpolitik“ und kündigte an, daß die Gewerkschaftszentrale am 3. Oktober sich versammeln wird „wegen des Ausrufens eines großen allgemeinen Streiks“. Avante, die Zeitung der Kommunistischen Partei Portugals, kündigte daraufhin an, daß ihr 19. Parteitag unter dem Thema „Demokratie und Sozialismus, die Werte des April und die Zukunft Portugals“ stehen wird. Mit den Werten des April verweist die KP Portugals auf die demokratische Revolution von 1974, die 40 Jahren Diktatur ein Ende setzte. „Wir werden die verheerenden Folgen des Kapitalismus für die Menschen einschätzen (...). Das wird ein Parteitag, der erneut den Sozialismus als unvermeidliche Alternative vorlegen wird, und der einen Weg weisen wird, der die Hoffnung von Millionen Portugiesen auf eine besseres Leben wahrmachen wird“, schreibt Avante.
Quelle: http://www.pvda.be/
[1] Tony Busselen ist Redakteur für internationale Fragen der Wochenzeitung der PVDA (Kommunistische Partei Belgiens) Solidair
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