Freitag, 12. Oktober 2012

Athen skandiert »Merkel raus!«

Blonde Bestie Von Werner Pirker jungeWelt vom 10. Oktober 2012 – Die griechische Bevölkerung hat der deutschen Kanzlerin einen gebührenden Empfang bereitet. »Merkel raus!« und »Volksaufstand gegen die Sparpolitik«, skandierten Zehntausende auf dem Platz vor dem Parlament. Die Bundeskanzlerin wird von der Mehrheit der Griechen als mächtigste Antreiberin einer Belastungspolitik angesehen, die Hellas in die soziale Verelendung und den ökonomischen Untergang treibt. Die Hoffnung des konservativen griechischen Premiers Samaras, Merkel möge bei ihrem Besuch in Athen die »richtigen Worte und Gesten« finden, damit mehr Griechen den Sparkurs seiner Regierung unterstützen, dürfte kaum in Erfüllung gehen. Denn Worte und Gesten sind ganz gewiß nicht die Stärke der als wandelnde Sprechblase verrufenen deutschen Regierungschefin. Zumal ihr ja auch jegliches Verständnis für die leidgeprüfte griechische Bevölkerung abgeht. Merkel kommt mit der Forderung an die griechische Regierung nach Athen, bis zum 18. Oktober alle zugesagten Belastungsmaßnahmen umzusetzen, andernfalls werde die nächste Kredittranche über 31 Milliarden Euro nicht ausbezahlt. Das bedeutet: weiteren Sozialabbau und die nochmalige Kürzung von Löhnen und Gehältern. Das in Griechenland auf Geheiß der EU und ihrer deutschen Supermacht verübte Sozialmassaker wird von den hiesigen Konzernmedien als gerechte Strafe hingestellt. Viel zu lange hätten die Hellenen und andere faule Südländer über ihre Verhältnisse gelebt und das auf Kosten der fleißigen Nordländer. Die Argumentation der »schwäbischen Hausfrau« an der Spitze der Bundesregierung verfehlt nicht ihre populistische Wirkung, zumal Merkel als ökonomische Autodidaktin durchaus glaubwürdig herüberkommt. Es sind aber nicht die Griechen, die den Deutschen an der Tasche hängen. Denn nicht sie haben das Lohndumping in Deutschland zu verantworten, sondern die deutsche Industrie, die sich damit einen Wettbewerbsvorteil zum Nachteil von Volkswirtschaften wie der griechischen sicherte. Die Lohnstückkosten in Deutschland zu erhöhen und damit den Binnenmarkt zu stimulieren, kommt der protestantischen Kommissarin selbstredend nicht in den Sinn. Vielmehr soll die von der Schröder-Regierung den Deutschen verordnete Schocktherapie europaweit zur Anwendung kommen, am brutalsten natürlich im Süden. ESM und Fiskalpakt degradieren im gesamten EU-Bereich die parlamentarische Demokratie zur bloßen Fassade. In Griechenland aber ist das EU-Regime bereits zur offenen Fremdherrschaft ausgeartet. Die Europäische Union indes stellt kein übernationales Gebilde dar, sondern ein Herrschaftsverhältnis der starken über die schwachen Mitgliedsstaaten – unter deutscher Vorherrschaft. Wenn die Griechen vom Vierten Reich reden, dann ist das somit durchaus nachvollziehbar. Auch daß sie in Merkel eher die blonde Bestie als die biedere Hausfrau sehen.

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