Dossier
„… Dass nun sowohl das Einfrieren der Mieten als auch die Anfang Juni vorgelegten Eckpunkte für ein nun zu erarbeitendes Gesetz beschlossen wurden, darf daher als Überraschung gelten. Womöglich liegt es daran, dass viele in der SPD, etwa die zuständige Fachpolitikern Iris Spranger, den Mietendeckel unbedingt wollten. Zudem: Hätte sich der Senat nicht geeinigt, wäre das für ihn der Super-GAU. An dem ursprünglichen Eckpunktepapier wurde nur im Detail geschraubt, und nicht die SPD, sondern die Grünen verhandelten die einzige relevante Änderung: So sollen Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen auf Antrag möglich sein. Lompscher sprach von einer „Balance zwischen Mieter- und Klimaschutz.“ Ansonsten bleibt es bei dem ursprünglichen Vorschlag: Höhere Mieten von bis zu 50 Cent pro Quadratmeter sind nach Sanierungen erlaubt; eventuelle Ersparnisse bei den Nebenkosten werden mit eingerechnet. Etwas konkreter wurde Lompscher bei der Mietobergrenze, über deren Höhe bislang noch nichts bekannt ist. Nun hieß es, es werde ein „differenziertes Mietobergrenzensystem“ geben, womöglich angelehnt an den Mietspiegel, der zwischen Baujahr, Ausstattung und Lage unterscheidet. Mieten, die darüber liegen, müssen bei Wiedervermietung und in bestehenden Verhältnissen auf Antrag der Mieter gesenkt werden…“ – aus dem Beitrag „Es kann gedeckelt werden“ von Erik Peter am 18. Juni 2019 in der taz online zum Beschluss des Berliner Senats, den zumindest die SPD als Alternative zum Enteignen sehen will… Siehe dazu weitere aktuelle Beiträge:
- Der Berliner Mietendeckel: Findet Unterstützung. Und ruft Panik hervor
„Der Berliner Senat hat beschlossen, Mieterhöhungen für fünf Jahre zu untersagen und eine generelle Mietobergrenze einzuführen. Für Erstvermietungen von Neubauten und für preisgebundene Wohnungen gilt das nicht. Auch andere Länder denken über ein solches Modell nach. Die Linken sowie Teile der SPD und der Grünen fordern, einen Mietendeckel für ganz Deutschland einzuführen. Gegner eines Mietendeckels behaupten, dass nur mehr Wohnungs-Neubau helfe. Das Problem steigender Mieten wird man damit aber nicht in den Griff bekommen. Denn vielerorts führen allein schon die extrem hohen Bodenpreise zu Wohnungspreisen und Neubaumieten, die sich Normalverdienende nicht leisten können. Zugleich können Vermieter bei starkem Zuzug in Städte wie Berlin, Frankfurt/Main oder München jede Mieterhöhung durchsetzen, die die Gesetze und der Mietspiegel zulassen. Modernisierungen werden für noch stärkere Erhöhungen missbraucht. Insbesondere große private Wohnungsunternehmen fahren so leistungslose Extraprofite ein – auf Kosten der Mieter und zugunsten reicher Kapitalanleger…“ – aus dem Text mit dem bei ver.di die Wirtschaftspolitik aktuell 11/2019 vorgestellt wird mit eben dem Thema Mietendeckel und der Befürwortung durch die Gewerkschaft. Zu den – je nach Seite sehr unterschiedlich ausfallenden – Reaktionen auf den Mietendeckel zwei weitere aktuelle Beiträge:- „Der überfällige Griff zur Notbremse“ von Stefan Reinicke am 19. Juni 2019 in der taz online kommentiert zusammenfassend: „… In Berlin wird seit Jahren im großen Stil Reichtum umverteilt. Enteignet wird die Mittelschicht, die bis zu 50 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben muss. Die Mieten sind explodiert – und zwar aus zwei Gründen. Zum einen wächst Berlin um knapp 40.000 Menschen pro Jahr, es werden aber weniger neue Wohnungen gebaut. Allerdings ist dies nicht der entscheidende Preistreiber. Weit mehr Einfluss haben internationale Investoren, die seit Finanzkrise und Nullzinspolitik fast panisch auf der Suche nach Anlagen sind. In Berlin zahlen ein chinesischer Staatsfonds, britische Milliardäre und dänische Konzerne fast jeden Preis. Die Preise für Eigentumswohnungen und Mieten haben sich in manchen Innenstadtvierteln in den letzten paar Jahren verdoppelt. Der Effekt: GrundschullehrerInnen, KrankenpflegerInnen, PolizistInnen, HandwerkerInnen, VerkäuferInnen, kurzum jene, ohne die die Infrastruktur jeder Großstadt zusammenbricht, können sich Berlin kaum mehr leisten. Die Lage in Berlin ist noch dramatischer als in Frankfurt, München oder Hamburg, weil die Einkommen in der Hauptstadt schlicht geringer sind. Dafür fahren Wohnungskonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia seit Jahren Renditen von über 20 Prozent ein. Der Markt versagt somit doppelt: Zum einen wird Geld, das aus Arbeit stammt, in die Taschen von AktionärInnen gespült, die dafür eben nicht arbeiten. Zum anderen werden Wohnungen, die etwas grundsätzlich anderes sind als Schokoladenkekse oder Flugreisen, nämlich ein existentiell nötiges Gut, für viele unbezahlbar…“
- „Debatte zum Mietendeckel köchelt weiter“ von Martin Kröger am 19. Juni 2019 in neues deutschland online zur Reaktion „der anderen Seite“: „… Von den Verbänden hagelte es zur Verabschiedung des Eckpunkte-Papiers zur Mietenregulierung aber auch viel Kritik. »Der geplante Berliner Mietendeckel ist ganz grundsätzlich das falsche Instrument um eine Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu erreichen«, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Die Berliner Wirtschaft warne seit Beginn der Debatte vor den Risiken und Nebenwirkungen. Eders Schreckenszenario: Vermieter würden weniger Rücklagen für notwendige Investitionen oder Reparaturen bilden. Derart »massive Markteingriffe« seien ein »fatales Signal« für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. Die Ressourcen sollten besser zur Aktivierung von Bauflächen und schnelleren Vergaben von Baugenehmigungen eingesetzt werden. Auch die Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, Manja Schreiner, stellte sich öffentlich gegen den Senatsbeschluss zum Einfrieren der Bestandsmieten. »Investoren, die bislang rund 85 Prozent der Wohnungen in Berlin bauen, werden andere, politisch kalkulierbare, Märkte bedienen«, behauptete Schreiner. Damit könne Berlin seine bau- und klimapolitischen Ziele auch in Zukunft nicht erreichen, hieß es…“
- „So will der Berliner Senat Mietsteigerungen stoppen“ am 18. Juni 2019 bei der SZ online meldet unter anderem Reaktionen: „… Auf der Webseite des Eigentümerverbandes Haus & Grund Berlin lief die vergangenen Tage ein Countdown: “Ihre vielleicht letzte Chance, die Miete zu erhöhen”, stand darüber und war als Aufruf an Berlins Immobilienbesitzer zu verstehen. Die Aktion rief große Empörung hervor. Jetzt ist der Countdown abgelaufen, für Mieterhöhungen in Berlin ist es zu spät. An diesem Dienstag hat der Berliner Senat Eckpunkte für einen gesetzlichen Mietenstopp auf den Weg gebracht. “Mieten dürfen für fünf Jahre nicht erhöht werden”, verkündete Berlins Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher (Linke). Die Berliner Landesregierung aus SPD, Grünen und Linken will mit ihrer Entscheidung dem rasanten Anstieg der Mieten in Berlin Einhalt gebieten und Zeit für entlastenden Wohnungsneubau gewinnen…“
- „Mieten wachsen nicht mehr in den Himmel“ am 19. Juni 2019 in neues deutschland online zum Koalitionsbeschluss und Bewertungen: „… »Der Berliner Senat hat Mut bewiesen«, lobt dann auch der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, den Beschluss. Denn mit einem öffentlich-rechtlichen Landesmietengesetz werde in der Republik Neuland beschritten. In Berlin ist man überzeugt, dass seit der Föderalismusreform 2006 die Länder für das Wohnungswesen zuständig sind. Die Diskussion darüber werde nach dem Senatsbeschluss nicht abbrechen, ist Lompscher klar. (…) Der Stadtsoziologe Andrej Holm lobt die mietenpolitischen Impulse aus Berlin. »Sowohl bei Enteignungen als auch beim Mietendeckel wird auf einer abstrakten Ebene ausgehandelt, wie viel öffentliche Verantwortung für die soziale Wohnraumversorgung es geben soll«, sagt er auf nd-Anfrage. »Dies bedarf einer umfassenden Strategie sowohl für den Neubau als auch den Bestand«, so Holm weiter. Dafür müsse auch Geld fließen…“
- „Deckeln und Enteignen“ von Martin Reeh am 14. Juni 2019 in der taz online zum Verhältnis beider Schritte: „… Das Gesetz soll erst im Januar 2020 in Kraft treten, aber rückwirkend zum 18. Juni 2019 gelten. An diesem Tag will der Senat die Eckpunkte für den Mietendeckel beschließen. Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ rief seine Mitglieder deshalb dazu auf, noch bis zum 17. Juni die Mieten zu erhöhen. Auch bei der Debatte um gedeckelte Mieten war aus der Immobilienbranche kein Verständnis für die Mieterseite zu hören. Das hat zur Eskalation der politischen Situation in Berlin erheblich beigetragen. Obwohl die Mieten in Berlin seit Jahren deutlich stärker als die Einkommen steigen, ist aus der Immobilienbranche wenig mehr zu hören als das Mantra: Es müsse mehr gebaut werden. Der Haken des Mietendeckels: Gerichte werden entscheiden, ob eine landesrechtliche Regelung zulässig ist. Bis zu einer Entscheidung dürften Jahre vergehen. Deshalb plädieren Mieteraktivisten dafür, nicht einseitig auf den Mietendeckel zu setzen. Auch die Dauer reicht vielen nicht: „Der Mietendeckel gibt nur für fünf Jahre Sicherheit“, sagt Michael Prütz vom Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“…“
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