An markigen Worten fehlte es nicht, als die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« ihr weiteres Vorgehen vorstellte. Der Wohnungsmarkt sei »vollkommen aus den Fugen geraten«, daher habe man sich »Großes vorgenommen«, erklärte Mitinitiator Michael Prütz auf einer gut besuchten Veranstaltung am Donnerstagabend im Kreuzberger Begegnungszentrum Aquarium.
Eigentlich sollte die Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren mit dem Ziel, die Berliner Bestände aller profitorientierten Wohnungsunternehmen ab einem Volumen von 3000 Wohneinheiten zu enteignen, schon im September beginnen. Doch die Erarbeitung eines entsprechenden Beschlussentwurfs verzögerte sich, da es sich bei Enteignungen um eine äußerst komplexe juristische Materie handelt. Der Text muss überarbeitet werden, weil die zuständige Stelle der Berliner Innenverwaltung erhebliche rechtliche Bedenken anmeldete. Angemerkt wurde laut Prütz von dieser Seite, dass die im Volksentscheidsgesetz verlangte Unterscheidung zwischen einem Begehren für ein konkretes Gesetz oder einem Beschluss, der den Senat auffordert, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen, nicht eindeutig sei. Seitdem wird intensiv an einer Neufassung der Vorlage gearbeitet, die laut Initiative in einigen Wochen fertig sein soll. In der derzeitigen Fassung des Beschlusstextes lautet der Kernsatz: »Zur Sicherstellung des in Art. 28 der Verfassung des Landes Berlin garantierten Rechts auf angemessenen Wohnraum wird der Senat von Berlin daher aufgefordert zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz.« Weitere Abschnitte befassen sich mit Fragen der Entschädigung der Unternehmen bei Enteignung und Modalitäten der Überführung und Verwaltung der Wohnungen in Gemeineigentum.
Noch sei nichts endgültig entschieden, aber er gehe davon aus, »dass wir ein Beschlussvolksbegehren machen«, so Prütz. Als Starttermin wird die erste Aprilwoche anvisiert. Vorher müsse der Senat noch seine Kostenschätzung für die Folgen eines möglichen Beschlusses abgeben und die Initiative ihre eigene erarbeiten. Für die erste Stufe des Volksbegehrens wären dann 20.000 Unterschriften von in Berlin wahlberechtigten Bewohnern notwendig. Ob das eigentliche Volksbegehren, für dessen Erfolg rund 175.000 Unterschriften gesammelt werden müssten, dann wirklich durchgeführt werden kann, ist ebenfalls noch offen, da die Landesregierung das Begehren dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen kann. Ein Prozedere, bei dem Dauer und Ausgang ungewiss sind.
An der politischen Sprengkraft der Initiative ändert dies jedoch nichts. Das ungehemmte Profitstreben der großen Immobilienkonzerne und der damit einhergehende dramatische Mangel an bezahlbarem Wohnraum werden von sehr vielen Berlinern als drängendstes soziales Problem in der Hauptstadt angesehen. Dabei steht die »Deutsche Wohnen«, das mit über 100.000 Wohnungen größte Unternehmen, im Fokus. Aber auch Konzerne wie Akelius, Vonovia und ADO sollen vergesellschaftet werden. Trotz der Verzögerungen beim Volksbegehren war die Gruppe in den vergangenen Monaten nicht untätig. Bei Veranstaltungen in Siedlungen der »Deutsche Wohnen« sei die Kampagne stets auf große Resonanz gestoßen, so Prütz. Zudem wurde eine Art Task Force eingerichtet, die Mieter in den betreffenden Häusern dabei unterstützen soll, den Widerstand gegen Mieterhöhungen und kostentreibende Modernisierungen zu organisieren.
Unterstützung wurde auch im viel beschworenen »linken Lager« signalisiert, darunter von den drei Kreuzberger Bundestagsabgeordneten Canan Bayram (Grüne), Cansel Kiziltepe (SPD) und Pascal Meiser (LINKE). Er gehe davon aus, dass sich seine Partei »auch in ihrer Gesamtheit hinter die Forderung nach Enteignung der großen Wohnungskonzerne stellen wird, wenn wir einen gangbaren rechtlichen Weg dafür finden«, sagte Meiser dem »nd«. Bei den Grünen werde ein Landesparteitag im November über eine offizielle Unterstützung abstimmen. Im Kontakt stehe man mit ver.di, der DGB-Jugend und dem Berliner Mieterverein. Positive Signale kämen auch von der Bewegung »Aufstehen«.
In den nächsten Wochen will die Initiative in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen und beispielsweise 6000 Plakate mit verschiedenen Motiven der Kampagne in der ganzen Stadt kleben. Am 30. Oktober werde man mit Mietergruppen und stadtpolitischen Initiativen auf einem großen Plenum im Nachbarschaftsheim Urbanstraße (Kreuzberg) weitere Schritte besprechen. Auch regelmäßige Veranstaltungen mit den Mietern in den betroffenen Siedlungen sollen folgen, denn »diese Menschen wollen was machen«, so Prütz.
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