Dienstag, 2. Oktober 2018

Am Mittwoch stimmt das Europaparlament über neue CO2-Vorgaben für Neuwagen ab


In Europa tobt der Kampf um neue CO2-Vorgaben für Neuwagen. Dabei geht es um die Einhaltung der Pariser Klimaziele, aber auch um die Zukunft der europäischen Autoindustrie. In Berlin scheinen die Industrielobbyisten die Schlacht für sich entschieden zu haben. Im und um das Europaparlament wird noch gerungen, denn in Straßburg steht am Mittwoch eine entscheidende Abstimmung an.
Das Kabinett rang nicht nur am Freitag und Montag mit den Autobauern um einen Kompromiss im Dieselstreit, vergangene Woche einigte es sich auch auf eine gemeinsame Linie bezüglich der CO2-Vorgaben für Neuwagen. Berlin unterstützt den Vorschlag der EU-Kommission, der vorsieht, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent gesenkt werden soll. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatten Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zum Einlenken gebracht. Wie ihre Parteikollegen in Brüssel und Straßburg hatte Schulze bis dato ehrgeizigere Ziele gefordert.
Die Sozialdemokraten im Europaparlament (S&D) wollen eine Reduktion der durchschnittlichen Emissionen von 20 Prozent bis 2025 und 45 Prozent bis 2030. Außerdem soll es finanzielle Anreize beziehungsweise Strafzahlungen für Hersteller geben, die besonders viele oder wenige saubere Autos bauen. Für diesen Vorschlag konnte die S&D-Fraktion vor drei Wochen im Umweltausschuss genügend grüne, liberale und linke Abgeordnete gewinnen. Am Mittwoch findet nun die erste Abstimmung im Plenum des Parlaments statt, um eine Position für die anstehenden Verhandlungen mit der Kommission und den Mitgliedstaaten festzulegen.
In Brüssel läuft die Lobbymaschinerie dementsprechend auf Hochtouren. Vergangenen Mittwoch hatte die Vertretung der bayerischen Unternehmerverbände in Brüssel zum fünften Tag der Bayerischen Wirtschaft geladen. Bei Häppchen und Weißbier waren auch Audi und BMW als zwei der wichtigsten Arbeitgeber im Freistaat vertreten. Bei der Podiumsdiskussion standen die »Mobilität der Zukunft« und die CO2-Grenzwerte für Neuwagen auf der Agenda. Das Ziel der Kommission sei kaum erreichbar, höhere Ziele stünden völlig außer Frage, hieß es aus den Reihen der Wirtschaftsvertreter.
Auch der CDU-Europapolitiker Jens Gieseke warnt gerne vor »unrealistischen Vorgaben« und einer »europäischen Planwirtschaft«. Dabei streben viele Autohersteller nach eigenen Angaben bis 2025 bereits eine Verkaufsquote von Elektroautos von 20 bis 25 Prozent an. Laut Berechnungen der Kommission wären Verkaufsanteile von lediglich sieben Prozent für Elektroautos sowie elf Prozent für Hybridfahrzeuge nötig, um das 30-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen.
Auch die Verbraucher scheinen nicht das Problem zu sein. In einer aktuellen Untersuchung des NGO-Dachverbandes Transport & Environment bezeichneten 40 Prozent der Befragten in der EU es als »wahrscheinlich«, sich bald ein Fahrzeug mit alternativem Antrieb zuzulegen. Je nach Land gaben fünf bis zwölf Prozent der Befragten an, sich sehr wahrscheinlich für ein E-Auto zu entscheiden.
»Die Industrie möchte sich einfach nicht gerne reinreden lassen«, vermutet der verkehrspolitische Sprecher der Europa-SPD, Ismail Ertug. Der bayerische EU-Abgeordnete saß beim Tag der Bayerischen Wirtschaft ebenfalls in der Expertenrunde zur Mobilität. Als glühender Verfechter strengerer Vorgaben für die Autoindustrie hatte er allerdings einen denkbar schweren Stand.
Für den europäischen Autoherstellerverband ACEA sind ehrgeizigere CO2-Ziele »aggressive« Vorgaben, die »disruptive sozio-ökonomische Folgen« nach sich ziehen würden. Tatsächlich sind die möglichen Folgen des Technologiewandels im Automobilsektor nicht von der Hand zu weisen. Die Produktion von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben kommt mit weniger Personal aus. Wegen der Angst vor Jobverlusten weiß die Autoindustrie in dieser Angelegenheit auch die Gewerkschaften auf ihrer Seite.
Das größte Problem ist laut EU-Politiker Ertug jedoch, dass Europa derzeit bei der Technologie des mit Abstand wertvollsten Einzelteils, der Batterie von E-Autos, ins Hintertreffen gerät. »Den Herstellern ist im Endeffekt egal, wo die Batterie hergestellt wird«, meint Ertug. Damit die sozio-ökonomischen Folgen des letztlich unvermeidbaren Technologiewandels eben nicht disruptiv seien, müsse die Wertschöpfung in Europa stattfinden. Das ist aber nicht unbedingt das Ziel der Lobbyisten.

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