Entgegen
dem Willen, die Kunst aus der DDR im Depot verbleiben zu lassen, steht
die historische Verortung des halleschen Direktors Thomas
Bauer-Friedrich. Er widersetzt sich der Delegitimierung und ignoranten
Verunglimpfung der Kunst der DDR in seiner Konzeption und
Ausstellungsgestaltung und konstatiert für das von ihm geleitete Museum:
Es sei das »derzeit einzige Museum im Osten, dass sich auf Dauer zu
seiner DDR-Sammlung bekennt«. Damit gewinnt die Kunstsammlung des
Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) ihr Museum zurück. Aus den Winkeln
des Wandsystems tritt die offene Bildwelt »Wege der Moderne. Kunst in
der SBZ/DDR 1945 bis 1990«. Dieser abschließende zweite Teil der
Dauerausstellung setzt im »historisch wie regional-geografisch
gewachsenen Profil« (Info-Tafel) die von Max Sauerlandts und Alois
Schardts Blick auf die klassische Moderne geprägte Sammlungsauswahl aus
der Zeit nach 1885 fort, die im modernen westlichen Erweiterungsbau
präsentiert wird.
Die Sammlung würdigt große künstlerische Leistungen, verteidigt sie nicht aufsässig, aber mit kluger Kraft. Zudem wird die Arbeit der Direktoren nach 1945 anerkannt, auch die von Thomas Bauer-Friedrich, der die Sammlung zwar perspektivisch öffnen, doch nicht mit den sonst überall zu sehenden Werken von (West-)Künstlern zwanghaft »korrekt« und langweilig machen will.
Vor allem ist es eine Präsentation Hallenser Kunst, die, wie Fritz Löfflers im Jahre 1949 feststellt, »eine Reihe beachtenswerte Talente [reifen ließ], die aus der Schule Giebichenstein hervorwuchsen« (Info-Tafel). Er schätzt sogar ein, Halle sei die »vitalste Stadt [...] in der ostzonalen Malerei« (Zeitschrift für Kunst 4/49).
Die klassische Moderne lehrten an der Kunstschule Burg Giebichenstein die an den früheren Wirkungsort zurückgekehrten Lehrer Charles Crodel und Erwin Hahs, nach 1945 weiterhin Gustav Weidanz und Karl Müller. In einer »vornehmlich grautonigen Malerei [mit] Akrobaten, Gaukler[n …] als Sinnbilder der Nachkriegsgesellschaft« brachte der Kreis um Bachmann mit den Malern Jochen Seidel, Willi Sitte, Fritz Rübbert, Kurt Bunge, Ulrich Knispel, Herbert Kitzel sowie den Bildhauern Mareile Kitzel und Waldemar Grzimek »eine eigene Bildsprache« hervor (Info-Tafel). Als eine bedeutende Neuerwerbung erinnert Herbert Kitzels »Müder Reiter«, 1957 (1990 erworben) daran, wie sich die neue Hoffnung mit den Ungarn-Ereignissen wieder zerschlug.
Die ausgestellten Werke lassen fragen, was an ihnen »bürgerlich-dekadent« und »formalistisch« sei, und warum sie nach 1990 eine »neuerliche Ächtung« erfahren mussten. Mit dem Bild »Mohn vor der Reife« von Hermann Bachmann wird daran erinnert, dass er in einer scharfen Kampagne angegriffen wurde, die ihn 1953 nach Westberlin fliehen ließ. Das zurückgelassene Gemälde, das eines »Republikflüchtigen«, wurde beschlagnahmt und – ein besonderes Sammlungsmerkmal – dem Museum übergeben; allerdings 1990 zurückerstattet und erworben vom Künstler. Otto Grotewohl wird mit einer Anweisung von 1951 zitiert: »Die Idee der Kunst muss der Marschrichtung des politischen Kampfes folgen.« Aber 1953 bezog er erneut Stellung, denn Otto Grotewohl sah sich 1953 im Rahmen des »Neuen Kurses« veranlasst, die »kleinliche Bevormundung« der Künstler und die »unfruchtbare, ja bisweilen tötende Form der Kritik an Kunstwerken« zu kritisieren (15. Tagung der SED). Eine Folge war die Gründung eines Ministeriums für Kultur, 1954.
Wie bei Kunst der DDR üblich springt ein zeitgleiches Zusammentreffen verschiedener künstlerischer Formen mit besonderer Rezeption historischer und moderner Kunststile ins Auge. Mich berührt tief, in meine Biografie eingeschlossene Bilder wiedersehen zu können, so Eugen Hoffmanns goldene Bronze »Das Leben«, 1949/50 (posthumer Nachguss), Walter Arnolds großartige Holzskulptur von 1946 »Leid«, Herbert Stockmanns hoffnungsvolles Gemälde »Die Ersten«, 1946/47 (1959 Schenkung von Charlotte Hammermeister, Halle) oder Carl Crodels »Mythologische Szene« von 1946/47 (1966 erworben), von anmutiger Farbigkeit und voll tief empfundener harmonisch-heiterer Stimmung, der antifaschistische Rückblick Werner Tübkes auf die »Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze II”, 1965 (1965 vom Künstler erworben), oder Wolfgang Mattheuers bedeutendes und gleich angekauftes Gemälde »Kain« von 1965, ein Bild vom biblischen Brudermord, das die Kongo-Ereignisse reflektierte, aber vom Vorbildschema abwich, um sich aus den Niederungen des abbildhaften »sozialistischen Realismus« zu prägnanter, sinnschichtenreicher Bildhaftigkeit zu erheben. Dieser Qualität folgten Uwe Pfeifer mit »Abgerissener Drache«, 1976 (1977 erworben aus der VIII. Kunstausstellung der DDR) und Baldur Schönfelders mit seiner Antikriegsskulptur »Nike I« von 1981 (1983 erworben).
Bedauerlicherweise fehlt eines der kleinen Profanbilder Ulrich Hachullas, um 1966, mit der Ankunft im Alltag, das einen Gegenpart zu der etwas verstiegenen »Parteidiskussion« Willi Neuberts bilden würde und zeigen könnte, dass der offiziellen Kunstpolitik mancher widerstand und dass die Parteipropaganda nicht mit Lebenswirklichkeit verwechselt werden sollte. Aber die Sammlungsauswahl korrigiert mich auch, so bei Erwin Hahs, denn bisher war ich versteift auf sein »Prometheus bringt den Menschen das Feuer«, ohne darauf zu achten, ihm sei inzwischen, wie beim »Verlorenen Paradies«, 1944 (1985 erworben), mit sinnlicher und konstruktiver Dichte eine gänzlich andere Bildstruktur eigen.
Im Schnittbereich zwischen der ersten und zweiten Jahrhunderthälfte erhebt sich Mattheuers »Jahrhundertschritt«, der Erstguss, ein gleichnishaftes Zeitzeichen konträrer und wechselseitiger politischer Bewegungen. Ihm gegenüber reflektiert die fragile plastische Arbeit »Stehend. Stocksteif und Wolkenblau« vom Hallenser Klaus Völker, gleichfalls aus den 80er Jahren, kontrastierend »das Gefühl von individueller Verletzlichkeit und Lebenslust« (Info-Tafel).
Es wurde Kunst gesammelt, damit wir sehen, wie die Künstler in ihrer Zeit gegenüber dem staatlich propagierten Realismus ihre Kunstformen individuell ausprägten und dass die Kunst aus der DDR offen ist für neue Rezeption.
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Friedemann-Bach-Platz 5, täglich 10 bis 18 Uhr, Mi geschlossen
Die Sammlung würdigt große künstlerische Leistungen, verteidigt sie nicht aufsässig, aber mit kluger Kraft. Zudem wird die Arbeit der Direktoren nach 1945 anerkannt, auch die von Thomas Bauer-Friedrich, der die Sammlung zwar perspektivisch öffnen, doch nicht mit den sonst überall zu sehenden Werken von (West-)Künstlern zwanghaft »korrekt« und langweilig machen will.
Vor allem ist es eine Präsentation Hallenser Kunst, die, wie Fritz Löfflers im Jahre 1949 feststellt, »eine Reihe beachtenswerte Talente [reifen ließ], die aus der Schule Giebichenstein hervorwuchsen« (Info-Tafel). Er schätzt sogar ein, Halle sei die »vitalste Stadt [...] in der ostzonalen Malerei« (Zeitschrift für Kunst 4/49).
Die klassische Moderne lehrten an der Kunstschule Burg Giebichenstein die an den früheren Wirkungsort zurückgekehrten Lehrer Charles Crodel und Erwin Hahs, nach 1945 weiterhin Gustav Weidanz und Karl Müller. In einer »vornehmlich grautonigen Malerei [mit] Akrobaten, Gaukler[n …] als Sinnbilder der Nachkriegsgesellschaft« brachte der Kreis um Bachmann mit den Malern Jochen Seidel, Willi Sitte, Fritz Rübbert, Kurt Bunge, Ulrich Knispel, Herbert Kitzel sowie den Bildhauern Mareile Kitzel und Waldemar Grzimek »eine eigene Bildsprache« hervor (Info-Tafel). Als eine bedeutende Neuerwerbung erinnert Herbert Kitzels »Müder Reiter«, 1957 (1990 erworben) daran, wie sich die neue Hoffnung mit den Ungarn-Ereignissen wieder zerschlug.
Die ausgestellten Werke lassen fragen, was an ihnen »bürgerlich-dekadent« und »formalistisch« sei, und warum sie nach 1990 eine »neuerliche Ächtung« erfahren mussten. Mit dem Bild »Mohn vor der Reife« von Hermann Bachmann wird daran erinnert, dass er in einer scharfen Kampagne angegriffen wurde, die ihn 1953 nach Westberlin fliehen ließ. Das zurückgelassene Gemälde, das eines »Republikflüchtigen«, wurde beschlagnahmt und – ein besonderes Sammlungsmerkmal – dem Museum übergeben; allerdings 1990 zurückerstattet und erworben vom Künstler. Otto Grotewohl wird mit einer Anweisung von 1951 zitiert: »Die Idee der Kunst muss der Marschrichtung des politischen Kampfes folgen.« Aber 1953 bezog er erneut Stellung, denn Otto Grotewohl sah sich 1953 im Rahmen des »Neuen Kurses« veranlasst, die »kleinliche Bevormundung« der Künstler und die »unfruchtbare, ja bisweilen tötende Form der Kritik an Kunstwerken« zu kritisieren (15. Tagung der SED). Eine Folge war die Gründung eines Ministeriums für Kultur, 1954.
Wie bei Kunst der DDR üblich springt ein zeitgleiches Zusammentreffen verschiedener künstlerischer Formen mit besonderer Rezeption historischer und moderner Kunststile ins Auge. Mich berührt tief, in meine Biografie eingeschlossene Bilder wiedersehen zu können, so Eugen Hoffmanns goldene Bronze »Das Leben«, 1949/50 (posthumer Nachguss), Walter Arnolds großartige Holzskulptur von 1946 »Leid«, Herbert Stockmanns hoffnungsvolles Gemälde »Die Ersten«, 1946/47 (1959 Schenkung von Charlotte Hammermeister, Halle) oder Carl Crodels »Mythologische Szene« von 1946/47 (1966 erworben), von anmutiger Farbigkeit und voll tief empfundener harmonisch-heiterer Stimmung, der antifaschistische Rückblick Werner Tübkes auf die »Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze II”, 1965 (1965 vom Künstler erworben), oder Wolfgang Mattheuers bedeutendes und gleich angekauftes Gemälde »Kain« von 1965, ein Bild vom biblischen Brudermord, das die Kongo-Ereignisse reflektierte, aber vom Vorbildschema abwich, um sich aus den Niederungen des abbildhaften »sozialistischen Realismus« zu prägnanter, sinnschichtenreicher Bildhaftigkeit zu erheben. Dieser Qualität folgten Uwe Pfeifer mit »Abgerissener Drache«, 1976 (1977 erworben aus der VIII. Kunstausstellung der DDR) und Baldur Schönfelders mit seiner Antikriegsskulptur »Nike I« von 1981 (1983 erworben).
Bedauerlicherweise fehlt eines der kleinen Profanbilder Ulrich Hachullas, um 1966, mit der Ankunft im Alltag, das einen Gegenpart zu der etwas verstiegenen »Parteidiskussion« Willi Neuberts bilden würde und zeigen könnte, dass der offiziellen Kunstpolitik mancher widerstand und dass die Parteipropaganda nicht mit Lebenswirklichkeit verwechselt werden sollte. Aber die Sammlungsauswahl korrigiert mich auch, so bei Erwin Hahs, denn bisher war ich versteift auf sein »Prometheus bringt den Menschen das Feuer«, ohne darauf zu achten, ihm sei inzwischen, wie beim »Verlorenen Paradies«, 1944 (1985 erworben), mit sinnlicher und konstruktiver Dichte eine gänzlich andere Bildstruktur eigen.
Im Schnittbereich zwischen der ersten und zweiten Jahrhunderthälfte erhebt sich Mattheuers »Jahrhundertschritt«, der Erstguss, ein gleichnishaftes Zeitzeichen konträrer und wechselseitiger politischer Bewegungen. Ihm gegenüber reflektiert die fragile plastische Arbeit »Stehend. Stocksteif und Wolkenblau« vom Hallenser Klaus Völker, gleichfalls aus den 80er Jahren, kontrastierend »das Gefühl von individueller Verletzlichkeit und Lebenslust« (Info-Tafel).
Es wurde Kunst gesammelt, damit wir sehen, wie die Künstler in ihrer Zeit gegenüber dem staatlich propagierten Realismus ihre Kunstformen individuell ausprägten und dass die Kunst aus der DDR offen ist für neue Rezeption.
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Friedemann-Bach-Platz 5, täglich 10 bis 18 Uhr, Mi geschlossen
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