Montag, 21. Dezember 2015

Spanien: Das alte Zwei-Parteien-System ist gesprengt


Podemos erreicht über 20 Prozent / Konservative PP verliert erheblich - und erklärt sich zum Sieger / PSOE bei 22 Prozent, liberale Ciudadanos bei knapp 14 Prozent, linke Izquierda Unida bei unter 4 Prozent

Inigo Errejon, Pablo Iglesias un...
Inigo Errejon, Pablo Iglesias und Irene Montero von Podemos
Update 23.35 Uhr: Verlierer PP erklärt sich zum Sieger
Die PP von Ministerpräsident Mariano Rajoy hat sich trotz erheblicher Stimmenverluste zur Siegerin der Parlamentswahl in Spanien erklärt. Nach Auszählung von 90,3 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt die konservative Partido Popular auf 28,66 Prozent und 122 Sitze von 350 Abgeordneten - bei den Wahlen 2011 waren es noch 44 Prozent und 186 Sitze. Die sozialdemokratische PSOE erreicht 22,1 Prozent und 91 Sitze, die linke Podemos kommt auf 20,61 Prozent und 69 Sitze die liberale Partei Ciudadanos auf 13,8 Prozent und 40 Sitze. Die linke IU erreicht 3,6 Prozent und 2 Sitze.

Update 23.15 Uhr: Wahlbeteiligung lag deutlich höher
Die Beteiligung an der Parlamentswahl in Spanien ist im Vergleich zur Abstimmung vor vier Jahren deutlich gestiegen. Am Sonntag gaben 73,15 Prozent der gut 36 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie Kommunikationsstaatssekretärin Carmen Martín Castro am späten Abend in Madrid mitteilte. Bei der Parlamentswahl im November 2011 waren es 68,94 Prozent gewesen.
Update 21.45 Uhr: 45 Prozent der Stimmen ausgezählt
Nach den Prognosen kommt nun die Wahrheit der Auszählung – nach Wertung von 45 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt die konservative Partido Popular auf 27,4 Prozent und 123 Sitze, die sozialdemokratische PSOE erreicht 22,9 Prozent und 97 Sitze, die linke Podemos kommt auf 20,4 Prozent und 70 Sitze die liberale Partei Ciudadanos auf 12,6 Prozent und 31 Sitze. Die linke IU erreicht 3,7 Prozent und 2 Sitze.
Update 20.55 Uhr: Linkenchefin Kipping begrüßt Podemos-Erfolg
Die Vorsitzende der Linkspartei in Deutschland, Katja Kipping, hat die ersten Ergebnisse der Wahlen in Spanien begrüßt. Die Opposition gegen Austerität sei gestärkt worden, sagte sie in einer ersten Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. »Der Wandel beginnt im Süden Europas«, so Kipping. Jetzt werde man »weiter für ein soziales und demokratisches Europa« ringen. Der Ko-Vorsitzende Bernd Riexinger sagte, der Einzug von Anti-Austeritätsparteien ins Parlament sei eine »Ohrfeige fürs politische Establishment«. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold kommentierte die ersten Prognosen mit den Worten: »Spanien setzt ein positives Zeichen in Europa: Trotz Wirtschafts- und Flüchtlingskrise gibt es keinen Rechtsrutsch und kein Erstarken von Fremdenhass«.
Update 20.45 Uhr: Das alte Zwei-Parteien-Syetem ist gesprengt
Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Abstimmung am Sonntag das spanische Zwei-Parteien-System aufsprengen würde. Das lässt sich deutlich an einfachen Zahlen festmachen: Hatten die konservative Partido Popular und die sozialdemokratische PSOE zusammen bei den Wahlen etwa im Jahr 2000 noch 78,7 Prozent, 2008 sogar 83,8 Prozent, so sind es nun laut der Prognosen klar unter 50 Prozent. Neben der linken Podemos (Wir können) war erstmals auch die liberale Partei Ciudadanos (Bürger) zur Parlamentswahl angetreten. Viele Spanier machen die Konservativen und die Sozialdemokraten, die sich jahrelang an der Regierung abwechselten, für die derzeitige Wirtschaftsmisere und für Korruptionsaffären verantwortlich. Die Arbeitslosigkeit in Spanien beträgt über 20 Prozent, bei den Jugendlichen hat sogar mehr als die Hälfte keinen Job. Viele Menschen leiden unter den Folgen der rigiden Kürzungspolitik unter der Regierung Rajoy, immer mehr drohen in die Armut abzurutschen.
Update 20.20 Uhr: Comú Podem stärkste Kraft in Katalonien
Das Podemos-Bündnis mit Barcelona en Comú wird den ersten Zahlen zufolge stärkste Kraft in Katalonien. Im Baskenland wird Podemos laut der Prognosen mit 26 Prozent ebenfalls stärkste Kraft.
Update 20.10 Uhr: Prognosen: Podemos wird zweitstärkste Kraft
Laut der ersten Prognose, die vom Sender TVE gemeldet wurde, hat die konservative Partido Popular laut den Nachwahlbefragungen 26,8 Prozent erhalten, die linke Podemos kommt auf 21,7 Prozent, die sozialdemokratische PSOE auf 20,5 Prozent und die liberale Ciudadanos auf 15,5 Prozent. Die Izquierda Unida, in der linke Parteien versammelt sind, kommt den vorläufigen Zahlen zufolge auf 4,1 Prozent.
Für die Sitzverteilung im Parlament würde dies bedeuten, dass die Partido Popular auf 114 bis 118 Sitze kommt, die PSOE erhält aufgrund des Wahlsystems mit 81 bis 85 Mandaten mehr als Podemos, die mit 76 bis 80 Sitzen rechnen können. Ciudadanos wird auf 47 bis 50 Mandate geschätzt.
Update 18.30 Uhr: Wahlbeteiligung um 18 Uhr etwas höher als 2011
Die Wahlbeteiligung um 18 Uhr lag mit 58,29 Prozent etwas über der zu gleichen Zeit bei den Wahlen 2011. Damals betrug die Beteiligung um 18 Uhr 57,65 Prozent.
Update 17 Uhr: Wahlbeteiligung um 14 Uhr etwas geringer als 2011
Noch zwei Stunden sind die Stimmlokale geöffnet. Anders als von vielen Beobachtern vorhergesagt lag die Wahlbeteiligung bis zum Nachmittag allerdings nicht höher als bei den Wahlen 2011. Bis um 14 Uhr hatten 37 Prozent der Berechtgiten abgestimmt, das ist eine um einen Prozentpunkt niedrigere Beteiligung als zur gleichen Zeit im Wahljahr 2011. Beim linken österreichen Portal moaik-blog.at hieß es, laut ersten Analysen sei die Wahlbeteiligung vor allem in den Hochburgen der rechtskonservativen Partido Popular und der sozialdemokratischen PSOE zurück. »In denen von Podemos stieg sie leicht.«
Update 15.15 Uhr: Wie geht es nach der Wahl weiter?
Nach der konstituierenden Sitzung des neuen Congreso de los Diputados am 13. Januar haben die Abgeordneten 60 Tage Zeit, um den Regierungschef zu bestimmen. Andernfalls drohen Neuwahlen. Bei der Zusammenführung der zerstrittenen Parteien könnte König Felipe VI. in den nächsten Wochen eine wichtige Rolle zukommen. Anders als beim Nachbarn Portugal, wo eine linke Regierung jüngst die Konservativen ablöste, wurde in Spanien der Staatshaushalt für 2016 bereits verabschiedet.
Update 14.10 Uhr: »Diese Horrorjahre haben etwas Gutes«
Aus Sicht vieler Spanier sind die beiden Altparteien verantwortlich für die derzeitige Wirtschaftsmisere und ähnlich stark verstrickt in Korruptionsaffären. Die Arbeitslosenrate liegt nach amtlichen Angaben immer noch bei über 20 Prozent. Bei den Jugendlichen haben sogar mehr als die Hälfte keinen Job. Viele Menschen leiden unter den Folgen der rigiden Kürzungspolitik unter Rajoy, immer mehr drohen in die Armut abzurutschen. »Diese Horrorjahre haben etwas Gutes: viele Wähler haben angefangen, sich für Politik zu interessieren«, sagte Jonathan Pozo, ein 27-jähriger Arbeitsloser und Podemos-Unterstützer, nach der Stimmabgabe in L'Hospitalet de Llobregat. Die Partei Podemos erzielte schon bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai sensationelle Erfolge, als mit ihr verbündete Kandidatinnen unter anderem die Rathäuser in Madrid und Barcelona eroberten. Ihr Erfolg erklärt sich nicht zuletzt aus der Bewegung der Indignados (Die Empörten) von 2011, als vor allem junge Menschen aus Protest gegen die Einschnitte in Sozialprogramme Plätze besetzten und Zeltstädte errichteten.
Die Spitzenkandidaten der vier g...
Die Spitzenkandidaten der vier größeren Parteien: Pablo Iglesias von Podemos (oben rechts), Albert Rivera von Ciudadanos (oben links), Mariano Rajoy von der Popular Party (unten rechts) und Pedro Sanchez von den Sozialdemokraten (unten links)
Update 13 Uhr: Villarroya braucht nur eine Minute
Als in vielen Städten und Gemeinden in Spanien die Wahllokale ihre Pforten öffneten, war die Abstimmung in einem Dorf im Norden des Landes bereits beendet. Die sechs Wahlberechtigten in Villarroya gaben in der Rekordzeit von einer Minute ihre Stimmen ab. Wie eine Gemeindesprecherin am Sonntag mitteilte, hatten die Dorfbewohner sich verabredet, gleich nach der Öffnung ihres Wahllokals möglichst rasch ihre Wahlzettel in die Urne zu stecken. Auf diese Weise brachen sie ihren Rekord von der Europawahl 2014, bei der sie zwei Minuten für die Stimmabgabe benötigt hatten. »Damit kommen sie zu Ruhm in den Massenmedien«, sagte die Sprecherin. In dem Dorf in der Weinbauregion La Rioja leben zwei Zwillingsschwestern im Alter von 32 Jahren und vier Rentner.
Update 10 Uhr: Hundert Waldbrände in Nordspanien ausgebrochen
Im Nordwesten Spaniens sind in der Nacht zum Sonntag rund hundert Waldbrände ausgebrochen. Etwa 230 Feuerwehrkräfte seien im Einsatz, um die Brände zu bekämpfen, teilte die Feuerwehr in der Region Asturias mit. Zudem seien der Zivilschutz sowie weitere Freiwillige und Staatsbedienstete an den Löscharbeiten beteiligt. Warme Temperaturen und starker Wind behinderten laut der Feuerwehr die Löscharbeiten. Hinweise auf Tote oder Verletzte gab es demnach nicht. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums wurden durch Brände im laufenden Jahr in Spanien bereits mehr als 54.000 Waldgebiet und Ackerland zerstört. Die betroffene Fläche ist demnach mehr als doppelt so groß wie in den beiden Vorjahren zusammen.
Update 9.30 Uhr: Zelik: Podemos hat linke Positionen aufgegeben
Der Politikwissenschaftler und Spanien-Kenner Raul Zelik sieht den Kurs der linken Podemos kritisch: Die erst Januar 2014 gegründete Partei habe »zentrale inhaltliche Positionen aufgegeben«, um sich »als verlässliche und staatstragende Reformkraft zu profilieren. Von einer Überwindung der postfranquistischen Verfassung von 1978 oder einer Opposition gegen die Austeritätspolitik der EU ist nicht mehr die Rede«, so Zelik in einer Kurzanalyse für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. »Selbst wenn es zu einer Mitte-Links-Regierung von Podemos und PSOE käme, wäre also keine grundlegend andere Politik zu erwarten.« Zelik nennt die Wahlen dennoch »die interessantesten in Spanien seit drei Jahrzehnten. Nachdem die Platzbesetzungen der 15M-Bewegung 2011 deutlich machten, wie sehr die spanische Gesellschaft ihrer politischen Klasse misstraut, ist das traditionelle Parteiensystem weiter erodiert«. Selbst wenn »ein großer Politikwechsel« nicht zu erwarten sei, »sind die Wahlen ein interessanter Indikator für die Frage, ob die politische Krise in Spanien nach dem Abflauen der Protestbewegungen auf der Straße weitergehen wird. Noch ist die Situation völlig offen«, so Zelik.
Update 9.15 Uhr: Oberndorfer über die Wahlen und das »Vorhängeschloss von 1978«
Der Politikwissenschaftler Lukas Oberndorfer hält eine Große Koalition zwischen Partido Popular und Sozialdemokraten für wahrscheinlich. »Sollte es zu keiner rechten oder großen Koalition kommen, wäre umgekehrt eine ›linke‹ Regierung – wenn überhaupt – nur als breites Mosaik unter Einschluss einiger Regionalparteien denkbar«, heißt es in seiner Einschätzung der Lage unmittelbar vor der Wahl. Es sei aber »schon jetzt klar, dass die soziale Revolution der letzten Jahre die Grundpfeiler des spanischen Staates unterspült hat: Die Wurzeln des spanischen Entwicklungsmodells, welches auf einer finanzmarktgetriebenen Entwicklung des Immobilien- und Tourismussektors basiert, reichen bis in die Zeit Francos zurück«, so Oberndorfer. Die Verfassung von 1978 habe dann »dem Ziel der Herstellung formaler Demokratie unter gleichzeitiger Absicherung der bisherigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse« gedient. Dies habe Ausdruck gefunden in der »Blockierung regionaler Autonomiebestrebungen, Unterbindung einer Demokratisierung der Wirtschaft und Verstetigung der Zweiparteienherrschaft unter Aufsicht der Krone«. Mit den sozialen Auseinandersetzungen und politischen Protestbewegungen ab 2011 habe aber eine »Politisierung der spanischen Gesellschaft« eingesetzt, die »diese drei Pfeiler des spanischen Staates zunehmend in Frage« stellen. Ihre Alternative laufe auf einen konstituierenden Prozess hinaus: »Durch eine radikal-demokratische Debatte der Vielen über die Zukunft des Gemeinsamen sollte das ›Vorhängeschloss von 1978‹ aufgebrochen werden.« Dass Podemos inzwischen nur noch eine punktuelle Reform der Verfassung fordere, habe zu Enttäuschung geführt. »Es war der gesellschaftliche Umbruch der letzten Jahre, welcher die Verhältnisse im spanischen Staat in Bewegung gesetzt hat. Dieser Prozess findet mit den Wahlen keinen Abschluss, vielmehr öffnen diese, wie die möglichen Szenarien deutlich machen, neue Perspektiven für emanzipative Verschiebungen und Kämpfe«, so Oberdorfer. Der österreichische Politologe gehört zu den Autoren des linken mosaik-blog.at, dort wird am Sonntag auch live vom Wahlabend berichtet - mit Einschätzungen und Analysen aus Spanien.

Spanien entscheidet: Podemos in Umfrage vor PSOE

Berlin. Nun gilt es - Spanien entscheidet: 36,5 Millionen Wahlberechtigte sind am Sonntag aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen. Die Wahllokale öffnen um 9 Uhr und schließen um 20 Uhr, unmittelbar danach wird mit ersten Prognosen gerechnet. Genauere Ergebnisse auch aus den Regionen werden in der Nacht auf Montag erwartet.
Vier Parteien können auf große Fraktionen in der Volksvertretung hoffen. Dies sind neben der rechtskonservativen Partido Popular von Ministerpräsident Mariano Rajoy auch die sozialdemokratische PSOE, die neue Linkspartei Podemos (Wir können) und die liberalen Ciudadanos (Bürger). In der letzten veröffentlichten Umfrage vom Samstag führt die Partido Popular mit über 26 Prozent, die linke Podemos liegt nach einer Aufholjagd in den Umfragen nun auf Platz zwei mit 21,5 Prozent. Die Sozialdemokraten kamen mit 20,1 Prozent auf den dritten Platz, die Ciudadanos erreichten 15,3 Prozent. Die Izquierda Unida, in der linke Parteien versammelt sind, kam zuletzt auf 4 Prozent.
Kurz vor Öffnung der Stimmlokale hatten sich noch viele Wahlberechtigte laut Demoskopen unentschieden gezeigt. »Vor vier Jahren kannten wir den Wahlausgang schon ein Jahr vorher und jetzt, zwei Tage vor der Wahl, ist einer von vier Wählern noch unentschieden«, sagt José Pablo Ferrándiz vom Umfrageinstitut Metroscopia. Das birgt Chancen und Risiken - je nach politischem Standort.
 Die Partido Popular dürfte jedenfalls kräftige Verluste erleiden - aber dennoch stärkste Kraft im Parlament bleiben. Der 60-jährige Rajoy schürte gegenüber den Wählern Angst vor einem anderen Wahlausgang: Nur ein Sieg der Rechtskonservativen garantiere Spaniens Stabilität. Die Alternative sei eine Regierungskoalition »von acht oder neun Parteien«, die das Land in den Ruin treiben werde - dies ist in Richtung der Mitte-Links-Parteien gemünzt. Zuvor hatte er schon vor allem gegen die Linken Front gemacht. Es bestehe die Gefahr einer Regierung der »Superroten« unter Führung von Podemos und mit Beteiligung der sozialdemokratischen PSOE, wurde aus der Partei von Rajoy kolportiert.
Eine ganz andere Stoßrichtung hatten am Freitag aus der Partido Popular genährte Spekulationen, wonach der Ministerpräsident eine Große Koalition mit den Sozialdemokraten eingehen könnte. Dazu müsste die PSOE allerdings ihren Parteichef Pedro Sánchez ablösen, hieß es. Rajoy wies diese Gedankenspiele zurück. Über Koalitionspartner werde er »am Tag nach der Wahl sprechen«, sagte der konservative Politiker dem staatlichen Rundfunk RNE. »Ich habe eine Große Koalition nicht vorgeschlagen, und das hat auch niemand in meiner Partei getan.« vk/Agenturen

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