Mitte Oktober wurde die linke Aktivistin Dilek Dogan in ihrer Wohnung in Istanbul bei einer Polizeirazzia erschossen. Ein geleaktes Video dokumentiert nun die Tat
Von Peter Schaber
Polizeivideo von der Razzia und den Todesschüssen auf Dilek Dogan Mitte Oktober in Istanbul
Foto: Screenshot Hürriyet via youtube
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Geleaktes Polizeivideo: kurzlink.de/dilek
Am
18. Oktober starb im mehrheitlich von Aleviten bewohnten Istanbuler
Stadtteil Kücük Armutlu eine 25 Jahre junge Sozialistin. Dilek Dogan
wurde während einer Razzia, die sich gegen die vom türkischen Staat
verfolgte Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKP-C) richtete, von
Polizeikugeln getroffen, sie erlag ihren schweren Verletzungen.
Unmittelbar nach der Tat sprach ihr älterer Bruder, Emrah Dogan, von
einer gezielten Hinrichtung. Polizeisprecher und regierungsnahe Medien
dagegen stilisierten die junge Aktivistin zu einer gefährlichen
potentiellen »Selbstmordattentäterin«, einige sprachen von einer
»Schießerei«. Der Schütze, Yüksel M., behauptete, es sei zu
»Auseinandersetzungen« gekommen, in deren Verlauf er aus Notwehr
geschossen habe.
Diese Versionen können nun als widerlegt gelten. Ein aus einer
Gerichtsakte geleaktes Video, das am Wochenende im Internet publik
gemacht wurde, dokumentiert die kritischen Minuten der Hausdurchsuchung.
Schwerbewaffnete Polizisten einer Sondereinsatzeinheit dringen in das
kleine Haus der Familie Dogan ein. Zu sehen ist, wie ein Beamter in
einem der Räume Möbel und Betten durchsucht, während andere im Flur mit
Dilek, ihrer Mutter und ihrem Bruder reden. Den Schuss selbst sieht man
nicht. Aber: Die Lage ist nicht angespannt. Man hört, wie der Polizist
Yüksel M. die 25jährige anherrscht: »Was habe ich dir gesagt?« Sie
fragt: »Was machst du da?« Dann fällt ein Schuss. Die Kamera schwenkt
zum Geschehen, Dilek Dogans Mutter und Bruder schreien, Dogan liegt
getroffen am Boden. Irgendeine »Auseinandersetzung« oder gar
»Schießerei« war der Tat nicht vorhergegangen.Das Video legt nahe, dass es sich bei der Erschießung Dilek Dogans um einen kaltblütigen Mord gehandelt hat. Dass der türkische Staat vor außergerichtlichen Hinrichtungen nicht zurückschreckt, stellt er derzeit täglich in den kurdischen Regionen des Landes unter Beweis. Auf offener Straße werden protestierende Jugendliche von Heckenschützen getötet und posthum einfach zu »PKK-Kämpfern« erklärt. Über einhundert dieser angeblichen Kombattanten habe man in den letzten Tagen erschossen, ließ Ankara diese Woche stolz verlautbaren.
Beisetzung von Dilek Dogan in Istanbul (26. Oktober 2015)
Foto: EPA/SEDAT SUNA
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Internationaler Protest war und ist nicht zu vernehmen. Einen Tag nach der Ermordung Dogans war Angela Merkel bei Recep Tayyip Erdogan. Die Kanzlerin hatte dem Autokraten ein Angebot zu machen: Drei Milliarden Euro soll Erdogan bekommen, wenn er die Grenzen für Flüchtlinge schließt. Angela Merkel schüttelte seine Hand, lächelte freundlich, über Dilek Dogan kein Wort. Unter Partnern macht man das so.
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