Mittwoch, 17. Dezember 2014

Die SPD/CDU-Regierung für die Ehrung von Nazis – wann steht in Berlin ein Hitler-Denkmal?

Geehrte Kollaborateure BERLIN/NEW YORK german-foreign-policy vom 26.11.2014 – Die Bundesrepublik verweigert einer UN-Resolution gegen die Verherrlichung von Nationalsozialismus und NS-Kollaboration ihre Zustimmung. In der vergangenen Woche hat das Dritte Komitee der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet, in der etwa die Errichtung von Denkmälern für NS-Funktionäre und die Stilisierung von NS-Kollaborateuren zu „Freiheitskämpfern“ massiv kritisiert werden. Deutschland und die übrigen EU-Staaten enthielten sich; die USA, Kanada und die Ukraine stimmten sogar gegen das Dokument, dessen Inhalt von 115 Ländern unterstützt wurde. In Berlin und Brüssel heißt es, man habe nur deshalb nicht zustimmen wollen, weil Russland die Resolution initiiert habe. Tatsächlich müsste eine Unterzeichnung des Dokuments zu heftigen Auseinandersetzungen sowohl innerhalb der EU als auch im Verhältnis zu wichtigen internationalen Verbündeten führen: In EU-Staaten wie Ungarn oder den baltischen Ländern, aber auch in der Ukraine werden berüchtigte NS-Kollaborateure in zunehmendem Maße öffentlich verehrt – teils von Kräften, die an der jeweiligen nationalen Regierung beteiligt sind. Tiefe Besorgnis Die erwähnte UN-Resolution drückt „tiefe Besorgnis über jegliche Art der Verherrlichung der NS-Bewegung, des Neonazismus und früherer Mitglieder der Waffen-SS“ aus. Exemplarisch benannt werden in dem Dokument die Errichtung von Denkmälern und Gedenkstätten sowie öffentliche Demonstrationen zur Ehrung des Nationalsozialismus und seiner Protagonisten, aber auch der Versuch, „diejenigen, die gegen die Anti-Hitler-Koalition kämpften und mit der NS-Bewegung kollaborierten“, zu „Aktivisten nationaler Befreiungsbewegungen“ zu stilisieren. In der Resolution wird explizit „betont“, es müssten seitens der UN-Mitgliedstaaten „Maßnahmen“ ergriffen werden, jeglichen Feierlichkeiten für die SS und all ihre Verbände, „einschließlich der Waffen-SS“, entgegenzuwirken. Speziell verurteilt die Resolution darüber hinaus „die vollendete oder versuchte Leugnung des Holocaust“.[1] NS-Verherrlichung nicht abgelehnt Als das Dritte Komitee der Generalversammlung der Vereinten Nationen am vergangenen Freitag die Resolution zur Abstimmung stellte, sah sich der Vertreter der Bundesrepublik nicht in der Lage, ihr zuzustimmen. Außerdem enthielten sich alle weiteren EU-Staaten und einige Länder, die in der einen oder anderen Form von der EU abhängig sind – beispielsweise Andorra, Bosnien-Herzegowina oder Mali. Die Ukraine, die Vereinigten Staaten und Kanada lehnten die Resolution rundheraus ab; die beiden letztgenannten Länder beherbergen eine relativ einflussreiche exilukrainische Szene, die spürbar von alten NS-Kollaborateuren der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) geprägt ist. Am Freitag hieß es allgemein zur Begründung, man stimme der Resolution nur deswegen nicht zu, weil sie von Russland eingebracht worden sei. Die Sowjetunion, deren zentralen Teil Russland damals stellte, war das Land, das die meisten Todesopfer des Naziterrors zu beklagen hatte – 27 Millionen. Tatsächlich jedoch hätte die Resolution, wäre sie von Deutschland und den anderen EU-Staaten unterstützt worden, zu heftigen Auseinandersetzungen führen müssen: In diversen europäischen Ländern werden ehemalige NS-Kollaborateure aus dem gemeinsamen Krieg gegen Moskau heute wieder verehrt. Im Kampf gegen Russland Dies gilt zunächst für die Ukraine. Dort haben deutsche Organisationen seit Anfang 2012, intensiv seit Anfang 2013 darauf hingearbeitet, die Partei Swoboda und ihr nahestehende Kräfte in das damals im Aufbau befindliche antirussische Oppositionsbündnis einzubeziehen (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Swoboda verehrt die OUN und ganz besonders ihren Anführer Stepan Bandera, der vor allem in der Westukraine große Beliebtheit genießt. Banderas Milizen unterstützten NS-Deutschland 1941 aktiv beim Überfall auf die Sowjetunion. Swoboda verehrt darüber hinaus die „Ukrainische Aufstandsarmee“ (UPA), die sich im Windschatten des deutschen Vernichtungskrieges am Massenmord an den europäischen Juden beteiligte.[3] Die Partei sowie weitere faschistische Organisationen haben im Verlauf der Majdan-Proteste, die von Deutschland energisch unterstützt wurden, eine immer wichtigere Rolle gespielt; Swoboda hat dementsprechend ab Ende Februar mehrere Minister im ukrainischen Umsturzregime gestellt. Faschistische Bataillone gehören heute zu den entschlossensten Kämpfern im ostukrainischen Bürgerkrieg; einige ihrer Kommandeure sind auf den Wahllisten der künftigen Regierungsparteien in die Werchowna Rada eingezogen. Anfang des Monats hat zudem ein Aktivist des faschistischen „Rechten Sektors“ und Vizekommandeur des faschistischen „Bataillons Asow“ das Amt des Polizeichefs der Oblast Kiew angetreten. Im Kampf gegen Russland entfaltet sich in der Ukraine die Tradition der antisowjetischen NS-Kollaborateure ungehemmt – an Deutschlands Seite. Unabhängigkeitskämpfer NS-Kollaborateure werden auch in EU-Mitgliedsländern verehrt, etwa in den baltischen Staaten. In Estland, Lettland und Litauen finden beispielsweise regelmäßig Gedenkmärsche zur Erinnerung an die Waffen-SS statt, die von einheimischen Waffen-SS-Veteranen getragen werden. Zuletzt kam es etwa im Frühjahr in Lettland zu einem solchen Marsch, an dem gut 2.000 Personen teilnahmen; umgerechnet auf die Größe der Bevölkerung entspräche dies in Deutschland einer Demonstration mit 80.000 Teilnehmern. Beobachter weisen darauf hin, dass die Milizionäre der Waffen-SS im staatlichen lettischen „Okkupationsmuseum“ in Riga als „Unabhängigkeitskämpfer“ im Kampf gegen Moskau bezeichnet werden. Organisatoren der Waffen-SS-Gedenkmärsche werden in Schulen eingeladen, um dort „Patriotismus“-Unterricht durchzuführen.[4] In der Partei „Nationale Allianz ‘Alles für Lettland’„, die seit 2011 ununterbrochen Regierungspartei ist und aus der heraus die Gedenkmärsche unterstützt werden, ist immer wieder die Deportation („Repatriierung“) der russischsprachigen Minderheit des Landes in Betracht gezogen worden. Einer der Anführer der Partei hat einst erklärt, die Angehörigen der Minderheit – rund ein Viertel der Bevölkerung – seien „Okkupanten“ oder „illegale Kolonialisten“. Eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Kollaboration genießt im Land keinen guten Ruf: Wie der Historiker Maris Ruks feststellt, laufen lettische Wissenschaftler Gefahr, „bei allzu detaillierter Holocaustforschung einen Karriereknick“ zu erleiden.[5] Die baltischen Staaten gehören im aktuellen Machtkampf gegen Russland zu den aggressivsten Kräften in der EU. Hitlers Partner wird rehabilitiert Erstarkt sind faschistische Traditionen unter anderem auch in Ungarn. Exemplarisch zeigen dies die neuen Denkmäler für den „Reichsverweser“ und NS-Kollaborateur Miklós Horthy, die seit 2012 enthüllt worden sind. Nach der Umbenennung des „Freiheitsplatzes“ in der Gemeinde Gyömrő unweit der Hauptstadt Budapest zum „Horthy-Platz“ im April 2012 wurde zunächst in dem südungarischen Dorf Kereki eine Horthy-Statue aufgestellt.[6] Im Mai 2012 enthüllte das Reformierte Kollegium in Debrecen in seinen Räumlichkeiten eine Horthy-Gedenktafel. Weitere Denkmäler folgten, etwa im Juni 2013 in dem ostungarischen Dorf Hencida [7] und im November 2013 direkt in Budapest. „Hitlers ungarischer Partner wird rehabilitiert“, hieß es schon 2012 in der deutschen Presse, die aufmerksam festhielt, Horthy habe Ungarn an der Seite Deutschlands „in den Krieg gegen die Sowjetunion“ geführt.[8] Aktuell gehört Ungarn allerdings nicht zu den Staaten, die besonders aggressiv gegen Russland vorgehen. Die Rehabilitation von NS-Kollaborateuren geht dabei weit über Horthy hinaus. So hat der völkisch-antisemitische Schriftsteller Albert Wass, einst loyal gegenüber Horthy und dem NS-Reich, seit den 1990er Jahren zahlreiche Gedenktafeln und Statuen erhalten. Seine Schriften sind ebenso in den Schul-Lehrplan aufgenommen worden wie diejenigen von József Nyirő, der noch 1944 für die Nazi-“Pfeilkreuzler“ tätig war.[9] In der Tradition der „Pfeilkreuzler“ steht die Partei „Jobbik“, die bei der ungarischen Parlamentswahl am 6. April 2014 mit 20,5 Prozent der Stimmen ihren bislang größten Erfolg erzielte. „Aufstandsbekämpfung“ Die Aufzählung der EU-Staaten, in denen NS-Kollaborateure inzwischen wieder öffentlich geehrt werden, ist damit längst nicht vollständig. In Kroatien etwa sind schon in den 1990er Jahren Denkmäler für NS-Gegner zerstört und stattdessen Straßen nach Mile Budak benannt worden, dem Chefpropagandisten der faschistischen Ustaša und zeitweiligem Außenminister Kroatiens während der NS-Kollaboration. Im italienischen Affile östlich von Rom ist im Jahr 2012 ein Mausoleum für den faschistischen Kriegsverbrecher Rodolfo Graziani eingeweiht worden, der zunächst „Aufstandsbekämpfung“ in Libyen betrieb, in Äthiopien Geiseln erschießen und Giftgas einsetzen und noch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs für das NS-Marionettenregime von Salò nicht kollaborationswillige Italiener exekutieren ließ. Hätten Deutschland und die anderen EU-Staaten sich der Unterzeichnung der UN-Resolution vom vergangenen Freitag nicht verweigert – sie stünden, würden sie den Inhalt des Papieres ernst nehmen, vor gravierenden Auseinandersetzungen untereinander wie auch mit engen Verbündeten, etwa ihren Kooperationspartnern in der Ukraine. [1] United Nations General Assembly: Sixty-ninth session of the Third Committee. Agenda item 66 (a): Elimination of racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance. A/C.3/69/L.56/Rev.1. 19.11.2014. [2] S. dazu Ein breites antirussisches Bündnis, Termin beim Botschafter und Juschtschenkos Mythen. [3] S. dazu Zwischen Moskau und Berlin (IV). [4] S. dazu Tag der Kollaborateure und „Unabhängigkeitskämpfer“ und „Okkupanten“. [5] Frank Brendle: International gegen SS-Verherrlichung. www.neues-deutschland.de 17.03.2014. [6] György Dalos: Horthy im Hoch. www.nzz.ch 03.07.2012. [7] Jobbik und Neue Ungarische Garde weihen neues Horthy-Denkmal ein. pusztaranger.wordpress.com 23.06.2013. [8] Paul Jandl: Hitlers ungarischer Partner wird rehabilitiert. www.welt.de 05.06.2012. [9] S. dazu Ein positives Ungarn-Bild.

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