Mittwoch, 17. Dezember 2014
Mexikos Probleme ausgeblendet
Schwach besuchter Iberoamerika-Gipfel in Veracruz beschloss Bildungsvorhaben
Mexiko war diese Woche Gastgeber der Staaten aus dem spanischen und portugiesischen Sprachraum. Die Konferenz hat gegenüber anderen regionalen Bündnissen an Bedeutung verloren.
Schon seit Wochen ist Mexikos Regierung wegen des Studentenmassakers von Iguala mächtig unter Druck. Ausgerechnet jetzt war das Land auch noch Gastgeber des 24. Iberoamerika-nischen Gipfels. Regierungsvertreter aus Lateinamerika trafen sich am Mintag und Dienstag mit Repräsentanten ihrer ehemaligen Kolonialmächte Spanien und Portugal sowie Andorra in der ostmexikanischen Stadt Veracruz. Auf dem von Polizisten und Soldaten schwer umstellten Konferenzgelände debattierten sie über wirtschaftliche, politische, kulturelle und soziale Zusammenarbeit.
Nur wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier gab die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass erstmals ein Opfer des Studentenmassakers durch DNA-Untersuchungen identifiziert werden konnte. Dabei handelt es sich um den 19-jährigen Lehramtsstudenten Alexander Mora Venancio. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto ging gleich zur Offensive über. Zum Auftakt des Gipfels sprach er der Familie des identifizierten Opfers öffentlich sein Beileid aus und bedankte sich bei den iberoamerikanischen Staaten für ihre Solidarität. Ansonsten mied der 48-Jährige das Thema.
Die Veranstaltungen rund um den Gipfel nutzte der Gastgeber, um aus der Defensive herauszukommen und das Land mit neuen Themen zu positionieren. In erster Linie wurde über die Kooperation im Bildungs- und Kulturbereich gesprochen. In Zukunft soll ein engerer Austausch zwischen Universitäten und Forschungszentren gepflegt werden. 200 000 Stipendien zusätzlich werden die Teilnehmerstaaten an Studenten und Professoren bis zum Jahr 2020 vergeben. »Bildung ist der Motor für den Wechsel und öffnet die Tür für mehr fundamentale Rechte. Sie ist die Basis des Fortschritts, des Austauschs und natürlich der Demokratie«, betonte der Präsident.
Ansonsten sprachen die Staatschefs kaum über die politische Krise im Gastgeberland. Schon im Vorfeld versicherte Vanessa Rubio vom mexikanischen Außenministerium, dass die Ereignisse von Iguala die Gespräche nicht überschatten werden. Im Fokus stehe der wirtschaftliche und kulturelle Ausbau der Staatengemeinschaft und nicht die Kritik an der Regierungsführung eines amtierenden Präsidenten, ergänzte Costa Ricas Präsident Luis Guillermo Solís.
Auch andere lateinamerikanische Staatschefs hatten angemerkt, auf dem Treffen über Abkommen und nicht über das Massaker sprechen zu wollen. »Normalerweise gibt es bei diesen Gipfeln eine geheime Abmachung, Themen bezüglich der Innenpolitik der Teilnehmerstaaten nicht anzusprechen«, erklärt Professor Rodrigo Salazar von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften in Mexiko-Stadt. Nur ein paar dutzend Demonstranten gelang es, nahe des Konferenzgeländes auf das Schicksal der 43 Studenten aufmerksam zu machen.
Das Gipfeltreffen hat in den letzten Jahren sehr an Bedeutung verloren. Das zeigte sich am Fernbleiben einiger Staatschefs, darunter die Präsidenten Cristina Fernández de Kirchner aus Argentinien, Nicolás Maduro aus Venezuela und der Brasilianerin Dilma Rousseff. Auch die von linken Regierungen geführten Länder Bolivien und Nicaragua blieben dem Treffen fern. Boliviens indigener Präsident Evo Morales sparte dabei nicht mit Kritik: »Bei dem Treffen geht es ebenso wie bei den Gipfeln der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten um Fremdinteressen.«
Ingesamt kann Peña Nieto den Gipfel als Erfolg verbuchen. Doch an der tristen Realität im Land ändert dies nichts. Die Mehrheit der Mexikaner bricht Schule und Studium vorzeitig ab. Fast sieben Prozent der über 15 Jahre alten Einwohner können weder lesen noch schreiben.
Das Massaker von Iguala ist nur eine Bluttat von vielen. Rund 30 000 Menschen sind seit Amtsantritt des jetzigen Präsidenten umgekommen, über 9000 werden vermisst. Schon aus diesem Grund müsste die internationale Staatengemeinschaft Mexiko auf eine notwendige Staats- und Bildungsreform ansprechen, die besonders die unteren Schichten erreichen soll. Doch von derartigen Überlegungen war nichts zu vernehmen.
URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/955118.mexikos-probleme-ausgeblendet.html
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