Dienstag, 29. Juli 2014
Arbeitsmarkt: Verwaltungskosten der Jobcenter steigen dramatisch
Von Nicolai Kwasniewski
Es ist aufwendig, Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen - und es wird immer teurer: Der Anteil der Verwaltungskosten hat sich im vergangenen Jahr verdreifacht. Bezahlt wird der Bedarf auch mit Geldern, die eigentlich für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt gedacht waren.
Hamburg - Um Langzeitarbeitslose zurück in einen Job zu bringen, scheuen Jobcenter und die Bundesagentur für Arbeit (BA) keinen Aufwand. Es gibt Umschulungen und Weiterbildungen, Trainings und Praktika, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie Zuschüsse zu Fahrt- oder Bewerbungskosten. "Leistungen zur Eingliederung in Arbeit" heißen diese Instrumente zusammengefasst, und die Arbeitsagentur hat dafür im vergangenen Jahr fast vier Milliarden Euro veranschlagt. Ausgegeben hat sie aber deutlich weniger - 445 Millionen Euro sind dafür in einen anderen Haushaltsposten geflossen: in den für Verwaltungskosten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.
Stolze 11,4 Prozent der für Fördermaßnahmen vorgesehenen Summe wurden 2013 also genutzt, um die laufenden Kosten für Personal und Verwaltung zu decken. Zwar werden Gelder zwischen den beiden Haushaltspositionen seit Jahren umgeschichtet - aber im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Verwaltungsanteil mehr als verdreifacht: 2010 wurden erst 0,2 Prozent umgewidmet, 2012 waren es 3,6 Prozent und 2013 eben 11,4 Prozent.
Auch in absoluten Zahlen wurde noch nie seit 2006 so viel Geld von der Arbeitsförderung in die Verwaltung umgeleitet, 2010 waren es 13 Millionen Euro, 2012 überstieg die Summe bereits 150 Millionen Euro und im vergangenen Jahr wurde der Verwaltungsetat schon um 445 Millionen Euro aufgestockt. Die Eingliederungsleistungen sind außerdem von 6,6 Milliarden Euro (2010) auf 3,9 Milliarden zusammengekürzt worden - die Verwaltungskosten sanken dagegen nur von 4,4 Milliarden Euro auf 4,05 Milliarden Euro.
Für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer, ist diese Entwicklung "unhaltbar". An vielen Arbeitslosen gehe der Job-Boom vorbei, kritisiert die Arbeitsmarktexpertin, das bekämen vor allem Hartz-IV-Empfänger zu spüren. Die Mittel für Qualifizierung und Förderung von Arbeitsuchenden wurden Pothmer zufolge in den vergangenen drei Jahren um 40 Prozent gekürzt, das Verwaltungskostenbudget dagegen nur um acht Prozent. Die Bundestagsabgeordnete hält das für "nachvollziehbar, aber trotzdem falsch", die aktive Arbeitsmarktpolitik "blutet aus".
Unklar bleibt, wofür die Jobcenter das Geld genau ausgeben - dabei komme es gerade darauf an, sagt der Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, Holger Schäfer: "Individuelle Betreuung, die wegen des höheren Verwaltungsaufwands teurer ist, bringt unter Umständen größere Erfolge als günstigere langfristige Maßnahmen." Stellen die Jobcenter also mehr Mitarbeiter ein, die sich auf wenige Fälle konzentrieren, klappt die Vermittlung möglicherweise besser, als wenn die Arbeitslosen sechs Monate lang in eine Weiterbildungsmaßnahme gesteckt werden.
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Laut Schäfer müsse man "die Gesamtkosten für Eingliederungshilfen und Verwaltung mit den Erfolgen ins Verhältnis zu setzen". Wie viel Geld es kostet, einen Hartz-IV-Empfänger wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wird allerdings nicht erhoben.
Pothmer geht es aber auch nicht darum, den einen Haushaltstitel gegen den anderen auszuspielen. Sie fordert Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles dazu auf, ausreichend Geld für beides bereitzustellen, für Personal und für die Arbeitsförderung.
Denn dass Mittel fehlen, wird immer wieder klar: Gerade in den Kommunen kommen die Jobcenter ihrer Pflicht, Langzeitarbeitslose umfassend zu betreuen, kaum nach. Einer aktuellen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zufolge sind die Kommunen mit dem großen Betreuungsbedarf in den meisten Fällen überfordert oder nicht bereit zu helfen. Oft wird demnach der Bedarf nicht einmal erkannt, Wartezeiten von bis zu sechs Monaten seien nicht unüblich. Der Studie zufolge ist die mangelnde Betreuung auch der Grund dafür, warum die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit Jahren kaum zurückgeht.
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