Mittwoch, 23. Juli 2014
Mexico: Transgene Kollateralschäden
Freitag, den 11. Juli 2014
von Silvia Ribeiro*
(Mexico-Stadt, 28. Juni 2014, la jornada).- Fast zwei Jahrzehnte nach der kommerziellen Freigabe der gentechnisch manipulierten Anbaukulturen sind viele der schweren Schäden, vor denen KritikerInnen warnten, belegt. Einer besteht in der transgenen Verunreinigung anderer Anbaukulturen und verwandter Wildpflanzen sowie der damit verbundenen Folgen für das Ökosystem. Dieses Thema wollen die Unternehmen nicht diskutieren. Die Regierungen, die transgene Pflanzungen genehmigen, behandeln die Angelegenheit mit größter Nachlässigkeit.
396 Fälle transgener Verunreinigung in 60 Ländern
Auch wenn die kommerzielle Aussaat von gentechnischen veränderten Pflanzen weltweit nur in 27 Ländern erlaubt ist und sich 98 Prozent der Anbaufläche auf zehn Länder konzentrieren: Es sind 396 Fälle transgener Verunreinigung in mehr als 60 Ländern festgestellt worden (GeneWatch und Greenpeace, 2013). Dies zeigt, dass die Kontamination – sei es per Genfluss auf dem Feld, bei der Verladung oder auf dem Markt – weit über die Grenzen und Beschränkungen der erlaubten Anbaufelder hinaus reicht.
Gleich, wo sie geschieht: Die Verunreinigung ist schlimm und bringt eine breite Palette von Konsequenzen mit sich, die von biologischen Auswirkungen und Folgen für die Ökosysteme bis hin zu ökonomischen, sozialen und kulturellen Problemen reichen. Aber noch zerstörender ist sie, wenn es sich wie beim Mais und Reis um Kulturpflanzen in ihren Ursprungs- und Vielfaltszentren handelt.
Internationale Kampagne kritischer WisschenschaftlerInnen
Darum begannen verschiedene Vereinigungen kritischer WissenschaftlerInnen – darunter die Vereinigung Gesellschaftlich Engagierter Wissenschaftler (UCCS) aus Mexiko, Testbiotech aus Deutschland und das Europäische WissenschaftlerInnen-Netzwerk für Soziale und Ökologische Verantwortung (ENSSER) – zusammen mit internationalen Organisationen wie dem Dritte Welt Netzwerk und der ETC-Group eine Kampagne, um die Expansion von Transgenen in der Umwelt zu stoppen. In einem ersten Schritt wandten sie sich an die Mitglieder der Biodiversitäts-Konvention (CDB) und des Internationalen Cartagena-Protokolls über Biosicherheit.
Die Initiative stellte mehrere wissenschaftliche Berichte zusammen, die Fälle unkontrollierter Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen unter wild wachsenden Populationen und Ökosystemen dokumentieren. Dazu gehören die Baumwolle in Mexiko, der Raps in Nordamerika, Japan und Australien, Grünweiden in den USA. Ebenso wird die wiederkehrende Präsenz von Transgenen in verschiedenen autochthonen und bäuerlichen Ernährungspflanzen in ihren Ursprungszentren aufgezeigt. Der Mais in Mexiko und der Reis in China sind dafür beispielhaft.
Sorge vor kommerzieller Freigabe
Das weltweit einzige Land, das die Aussaat einer gentechnisch veränderten Ernährungspflanze in ihrem Ursprungszentrum autorisiert hat, ist Mexiko. Weder China noch Japan haben beispielsweise die Aussaat von Genreis oder Gensoja erlaubt. Denn sie wollen das Ursprungszentrum der jeweils für ihre Ernährung sehr wichtigen Pflanze schützen. In diesen Fällen ist die Verunreinigung anderen Übertragungsformen transgenen Saatgutes auf ihrem Gebiet geschuldet. Dazu gehören die Importe.
Im Brief der WissenschaftlerInnen und Organisationen wird zudem die Sorge ausgedrückt, die durch eine breit angelegte kommerzielle Freigabe von gentechnisch veränderten Fischen, Bäumen und Insekten sowie aus synthetischer Biologie abgeleiteten Mikroorganismen droht. All diese Fälle werden die Risiken und die Ausbreitung von Transgenen in freier Natur exponentiell erhöhen. Bei den Mikroorganismen und Tieren aufgrund deren Mobilität. Bei den Bäumen wegen der von ihnen ein Leben lang abgegebenen Pollen, die Distanzen von mehreren hundert Kilometern zurücklegen können.
Warnung vor fraglichen Kontrollmechanismen
Dies veranlasst die Organisationen zu folgender Erklärung: Die Gentechnik und die synthetische Biologie repräsentieren einen radikalen Bruch mit den weit bekannten natürlichen Beschränkungen der mit den Erbanlagen verbundenen Prozesse und dem genetischen Austausch zwischen den Spezies.
Es ist ein entscheidendes Element für den Schutz der biologischen Vielfalt, dass die Organismen die Fähigkeit behalten, sich im Rahmen ihrer evolutionären Tendenz, mit den durch langfristig fortschreitende evolutionäre Prozesse gesetzten natürlichen Grenzen, weiter zu entwickeln.
Die InitiatorInnen der Kampagne weisen auch auf Folgendes hin: In allen Ländern, die Experimente und Pflanzungen mit gentechnisch veränderten Organismen erlaubt haben, berücksichtigen die angewandten Normen für Biosicherheit die Zeit-Raum-Kontrolle nicht. Das heißt, sie schenken den evolutionären Prozessen keine Beachtung.
Dies müsste jedoch eine fundamentale und erste Voraussetzung für jegliche Risikobewertung sein. Denn sonst wird angenommen, dass Umwelt und Organismen sich statisch verhalten. Das bedeutet, Leben und Evolution zu verleugnen. Es existiert ein großes Risiko, dass wir die ursprüngliche biologische Vielfalt nicht zurück gewinnen könnten und dass die Dynamik der autochthonen angebauten und wild wachsenden Sorten verändert würde. Irreparable Schäden in den Ursprungs- und Vielfaltszentren wären die Folge.
Sukzessive Akkumulation von Transgenen
Darum, so versichern die Organisationen, kann nur von Biosicherheit gesprochen werden, wenn bei unfreiwilligem oder zufälligem Entweichen von gentechnisch veränderten Organismen deren Entfernung aus der Umwelt möglich ist. Anderenfalls dürfen diese Organismen nicht erlaubt werden, denn die wissenschaftlichen Belege haben bewiesen, dass sie sich ausgebreitet und unter vielfältigen geographischen Bedingungen sowie über große Entfernungen hinweg ihren Weg gebahnt haben. Auf diese Weise haben sich Transgene in wild wachsenden Sorten und lokalen bäuerlichen Kulturen angehäuft.
Die sukzessive Akkumulation von Transgenen wird schwere Schäden mit sich bringen. Der Maisexperte Ángel Kato sieht etwa die Gefahr für bäuerliche und traditionelle einheimische Sorten, sich zu deformieren und steril zu werden, wenn die Varietät die Anstrengung unternimmt, das unbekannte genetische Material abzuweisen.
Transgenes Experiment muss gestoppt werden
Für die Unternehmen ist die Verunreinigung ein Geschäft, denn sie können deren Opfer vor Gericht bringen und sie anschuldigen, ihre patentierten Gene genutzt zu haben. Die Unternehmen sahen die Kontaminierung voraus und bereiteten sich vor, daraus ein Geschäft zu machen.
Die Schädigungen durch die gentechnisch veränderten Organismen sind weitreichend. Obwohl uns vermittelt werden soll, die Transgene seien unaufhaltsam auf dem Vormarsch, stimmt das nicht. Sie sind bisher auf wenige Länder konzentriert. Das transgene Experiment begünstigt die Unternehmen, aber richtet sich gegen die Menschen und die Natur. Die Quelle der Verunreinigung und der Zerstörung der biologischen Vielfalt muss gestoppt werden.
*Forscherin der ETC-Group
URL: http://www.npla.de/de/poonal/4776-transgene-kollateralschaeden
_______________________________________________
Chiapas98 Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
Chiapas98@listi.jpberlin.de
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen