Sonntag, 16. Februar 2014
Große Koalition des Geheimnisverrats, der Strafvereitelung, Vertuschung und des Amtsmissbrauchs
15.02.14 - Am gestrigen Freitag trat der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Hans-Peter Friedrich (CSU), nach nur 59 Tagen im Amt zurück. Einen schnelleren Rücktritt aus Angela Merkels Koalitionen gab es bisher nur einmal: Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) musste 2009 seinen Regierungsposten schon nach vier Wochen räumen. Seine Lügen als Bundesverteidigungsminister über das Massaker bei Kundus hatten ihn doch noch eingeholt. Den gestrigen Tag über hatte der Agrarminister noch verlauten lassen, er werde im Amt bleiben. Aber seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, ließ ihn hingegen fallen wie eine heiße Kartoffel.
Hans-Peter Friedrich war in der letzten Merkel-Regierung Innenminister. Als solcher erhielt er interne Erkenntnisse über Ermittlungen, aus denen er gegenüber dem SPD-Vorsitzenden und heutigen Vize-Kanzler Sigmar Gabriel im Oktober 2013 Details ausplauderte. Die Ermittler waren gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy tätig. Dieser war offenbar im Besitz von mindestens 31 Videos und Fotosets von nackten Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren. Der Verdacht des Besitzes illegaler Kinderpornografischer Materialen steht im Raum. Der leitende Oberstaatsanwalt in Hannover ist "fassungslos", dass Informationen aus Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit und an Edathy gelangten. Außer Sigmar Gabriel sind unter anderem Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann (beide SPD) direkt in die Affäre verstrickt. Auch sie wussten von den Ermittlungen und stehen im Verdacht Informationen weiter gegeben zu haben. Auf jeden Fall wurde Edathy gewarnt und konnte eventuelles Beweismaterial vernichten.
Friedrich hat Amtsgeheimnisse verraten und sein Amt missbraucht. Hinzu kommt der Verdacht der Strafvereitelung nach Paragraph 258 des Strafgesetzbuches. Wer "absichtlich oder wissentlich" Ermittlungen behindert, die zu einer gesetzlichen Strafe führen können, begeht Strafvereitelung; "im Amt" wiegt diese besonders schwer. Gabriel, Steinmeier und Oppermann versuchen, sich herauszuwinden – Merkel opfert den CSU-Mann Friedrich.
Als Bundesinnenminister hat sich Hans-Peter Friedrich zahlreiche zweifelhafte Meriten als Antikommunist, Dilettant und Reaktionär erworben, darunter seine Feststellung in der NSA-Affäre, alle Vorwürfe seien ausgeräumt und man könne "sehr stolz" auf die deutschen Geheimdienste sein. Auch Edathy nahm übrigens im NSU-Untersuchungsausschuss den "Verfassungsschutz" in Schutz und trat wie Friedrich für die Vorratsdatenspeicherung ein.
Friedrichs Motiv für den Geheimnisverrat, war die neue Regierung nicht mit einem Minister zu belasten, gegen den im Zusammenhang von Kinderpornografie ermittelt wird. Jetzt weiß man, warum Edathy wider Erwarten doch nicht Justizminister geworden ist. Offenbar wollte man verhindern, einen Minister zu küren, der dann gleich wieder zurücktreten muss. Das ist gründlich misslungen.
Sigmar Gabriel schiebt den Gedanken, ob nicht auch er seinen Hut nehmen müsse bisher weit von sich. Seine einstmals gute Beziehung zur CSU, zum zum bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer kann er jetzt allerdings in der Pfeife rauchen. Seehofer kritisierte die SPD als geschwätzig. Es sei "hochproblematisch, dass man die Vertraulichkeit des Wortes bricht", sagte Seehofer am Samstag auf einem kleinen Parteitag in Bamberg.
Für die CSU-Spitze ist Vertraulichkeit seit jeher ein hohes Gut. Es steht auf jeden Fall vor Steuerhinterziehung, Korruption, Amtsmissbrauch, Strafvereitelung usw. usf. was demgegenüber für die CSU offenbar lässliche Sünden sind.
Gabriel erklärt die Affäre jetzt für beendet. Tatsächlich verschärfen sich aber verschiedene Widersprüche weiter und kommen neue Enthüllungen ans Licht. Bisher widersprechen sich so gut wie alle Beteiligten in ihren Aussagen, was, wann, wer, zu wem gesagt hat. "Das Vertrauensverhältnis und das Klima in der Koalition sind durch den Vorgang stark belastet", so beschreibt der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) die Stimmung:
Ein fragwürdiges Klima und eine bürgerliche Doppelmoral, denen Bosbach hier huldigt: Alles ist erlaubt, es muss nur unter den Teppich passen und dort bleiben.
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