Freitag, 3. Mai 2013
Newsletter zur Projektwerkstatt Saasen am 30.4.2013
Hallo,
schöne Grüße aus den Räumen des bunten Hauses in der Ludwigstr. 11 in Reiskirchen-Saasen. Etwas unfreiwillig sind die Wände noch bunter als gedacht, denn 2-3mal ist die Projektwerkstatt in den letzten Tagen von Neonazis angegriffen worden. Offensichtlich hängt das mit Aktionen von Polizei und Antifas im nahegelegenen Lumdatal zusammen. Auch dort haben die frustrierten Gestrig-Denker auf einige Häuser Farbkugeln geworfen – aber nur die Projektwerkstatt bekam es mehrfach ab. Im Lumdatal gibt es deshalb ein christlich-gutmenschelndes Netzwerk für Toleranz und so … die hauptangegriffene Projektwerkstatt wird von dort bislang nicht weiter beachtet. Mal schauen, was in der Nacht auf den 1. Mai oder am 1. Mai hier passiert, wo traditionell Nazis (und andere KurzdenkerInnen) vermehrt herumstreunen. Wer noch kurzentschlossen einen Besuch abstatten will, damit das Haus die kritische Phase überlebt, ist gern gesehen.
Ansonsten folgen hier wieder die aktuellen Infos zum Haus und den Projekten rundherum. Das erste Themenseminar ist vorbei – und wir hoffen auf etwas mehr Teilnehmende bei den nächsten. Deshalb fangen wir diesmal an mit der Einladung zu den Terminen der kommenden Wochen – ich würde mich freuen, Euch hier zu sehen. Neu sind dabei auch die zwei Bautage-Phasen ... gedacht als Zeitraum, wo hoffentlich ein paar mehr Menschen mal zusammen ein paar größere Baustellen wuppen.
Gruß aus Projektwerkstatt, Jörg
LASST EUCH SEHEN:
VORTRÄGE, SEMINARE UND BAUTAGE IN DER PROJEKTWERKSTATT …
Hier die Übersicht über die schon feststehenden Termine – genauere Infos, Anmeldung und Beschreibungen auf www.projektwerkstatt.de/termine. Nett wäre auch, unseren aktuellen Terminflyer auszudrucken und zu verteilen/auszuhängen: www.projektwerkstatt.de/termine/theoriecamp2013programm.pdf.
· Freitag, den 3. Mai um 20 Uhr in der Projektwerkstatt Saasen als Einführung (Besuch nur an diesem Abend möglich) und dann die Folgetage (Samstag/Sonntag) als Seminar:
"Den Kopf entlasten? Kritik rechter Ökologie und vereinfachter Welterklärungen“
Monsanto ist schuld. Nein, die Bilderberger. Quatsch, das Finanzkapital macht alles kaputt. Völkerrechtswidrige Kriege lehnen wir ab - demokratisch bomben ist schöner. Härtere Strafen für Nazis, Vergewaltiger und Umweltsünder. Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Die Überbevölkerung bedroht unseren Planeten. Zivilisation zerstören. Heimat schützen. So oder ähnlich klingen viele politische Forderungen. Was sie gemeinsam haben: Sie blenden Machtebenen aus, verkürzten komplexe Herrschaftsanalysen und spielen mit den Mitteln des Populismus. Statt Menschen zu eigenständigem Denken und kritischem Hinterfragen anzuregen, wollen sie billige Zustimmung einfangen - zwecks politischer Beeinflussung, Sammeln von AnhängerInnen und WählerInnen oder auf der Suche nach dem schnöden Mammon in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Auf diese Weise betreiben viele Gruppen das Geschäft derer, die an den Hebeln der Macht sitzen. Sie wollen Einzelprobleme lösen und verschärfen dabei die Ursachen von Profit, Ausbeutungen, Unterdrückung und Umweltzerstörung. Wer das Gute will, dabei aber die Befreiung der Menschen außer Acht lässt, wird schnell zur Hilfstruppe derer, die immer mehr Kontrolle und Steuerungsmittel wollen - und auch immer das Beste versprechen.
Das Seminar bietet genug Zeit für drei Schwerpunkte: 1. die Kernmerkmale von vereinfachten Welterklärungen und rechten Denkmustern zu klären, 2. konkrete Beispiele von Vereinfachungen (gern auch auf Wunsch von TeilnehmerInnen) zu hinterfragen und 3. praktische Hinweise zu geben, wie mensch sich vor vereinfachtem Denken schützen und solche „Theorien“ entlarven kann.
· 20.-24. Mai 2013 in der Projektwerkstatt Saasen:
Bautage - vier Tage Renovieren, Sortieren, Einrichten und mehr
Wer hat Lust, an einigen aufeinanderfolgenen Tagen gemeinsam etwas größere Baustellen anzupacken - ohne Streß, aber trotzdem entschlossen ein bis zwei größere Baustellen abarbeiten. Daneben bleibt Zeit für Gespräche, Umgucken in der Projektwerkstatt, den Bibliotheken und mehr? Je nach Wetter stehen folgende Baustellen an:
o Dacharbeiten: Schornstein neu aufmauern und Solar-Warmwasseranlage überprüfen
o Fußbodenisolierung: Im Partyraum den Fußboden Stück für Stück entfernen, darunter isolieren und wieder einbauen
o Wandisolierungen: An einigen Wänden die Isolierung verstärken
o Heizungskreislauf: Pumpen und Ventile ersetzen, Pufferspeicher neu isolieren
o Daneben gibt es eine Menge kleiner Dinge, die anliegen (siehe Pinnwand im Haus und hier) ++ für alles nützlich: Sachspenden (www.projektwerkstatt.de/gesucht)!
· 24.- 26. Mai 2013 in der Projektwerkstatt Saasen:
Seminar "Sich einmischen - Akten und Pläne studieren, Mitreden und Protestieren vor Ort"
Kreativer und widerständiger Protest ist gut. Das dürfte inkompatibel sein mit dem Versuch, sich ständig mit den Herrschenden und Privilegierten zu verbinden, um kleine Vorteile zu ergattern, aber damit das Ganze selbst zu unterstützen. Es bedeutet aber nicht, zu den Strukturen des herrschenden Systems ohnmächtigen Abstand zu halten. Ganz im Gegenteil: In den Kochtöpfen der Macht herumrühren, genau hinzugucken, Interessen zu demaskieren, Vorhaben frühzeitig und genau zu kennen, verbessert die Handlungsmöglichkeiten. Darum soll es gehen: Die vorhandenen Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten im Rahmen des bestehenden Systems kennenzulernen, um sie – neben der direkten Aktion – optimal nutzen zu können, z.B. Akteneinsichtsrecht, Verwaltungsklagen gegen Planungen und Behördenentscheidungen, BürgerInnenbeteiligung bei Bauvorhaben, nach Immissionsschutzrecht usw.
· 12.-17. Juni 2013 in der Projektwerkstatt Saasen:
Bautage - vier Tage Renovieren, Sortieren, Einrichten und mehr
Erklärung siehe oben (20.-24. Mai)
· 2.-7.7. in der Projektwerkstatt Saasen:
Theoriewoche zur Herrschaftskritik
Wie kann eine herrschaftsfreie Welt aussehen? Diese Frage beschäftigt PhilosophInnen, manch zukunftsorientierte PolitikerInnen oder AktivistInnen, Roman- und Sachbuchschreiberlinge. Doch ein kritischer Blick zeigt meist: Zukunftsdebatten sind eher ein Abklatsch heutiger Bedingungen mit netteren Menschen in der Führung. "Freie Menschen in freien Vereinbarungen" ist radikal anders: Mit scharfem, analytischen Blick werden die Bedingungen seziert, unter denen Herrschaft entsteht, wie sie wirkt und was sich wie ändern muss, damit Menschen aus ihrem Streben nach einem besseren Leben (Eigennutz) sich nicht nur selbst entfalten, sondern genau dafür die Selbstentfaltung aller Anderen brauchen und deshalb mit herbeiführen. Der Anspruch an das Seminar ist nicht weniger als der Versuch, eine Theorie der Herrschaftsfreiheit darzustellen, zu diskutieren und, wo nötig und möglich, weiterzuentwickeln. Die Länge des Seminars ermöglicht es, alle Formen der Herrschaft und ihrer Wirkung zu klären und die Aspekte einer herrschaftsfreien Welt zusammenzutragen.
Übrigens: Wer gerne Veranstaltungen bei sich organisieren will mit Menschen von hier als ReferentInnen, TrainerInnen usw., findet die Themenvorschläge und Beschreibungen auf www.vortragsangebote.de.vu.
NACHRICHTEN AUS DEM HAUS
Kommen wir zu schönen und weniger schönen Informationen – den Meldungen zu Aktivitäten und Projekten rund um das Haus …
++ Neues zur Telefonüberwachung ++
Immer bizarrer werden die Informationen zum Überwachungsskandal. Mehrere Zeitungen und Fernsehsender haben über das Abhören der Projektwerkstatts-Telefone und die Hintergründe berichtet. Eine Übersicht findet sich (fortlaufend aktualisiert) auf www.projektwerkstatt.de/abhoeren2011 - viel Spaß ... liest sich immer mehr wie ein Krimi.
++ Feldbefreiungsprozess Gatersleben muss wiederholt werden ++
Ein bemerkenswerter Erfolg für die Selbst- und Laienverteidigung vor Gericht: Die Revision gegen die Verurteilung von drei FeldbefreierInnen (April 2008 in Gatersleben) klappte. Ich war dort Verteidiger eines der Aktivisten – und vor allem auf meine Revisionsschrift stützt sich die Wiederholungsanweisung des OLG Naumburg. Immer mehr wird deutlich, dass die Idee der Selbstermächtigung vor Gericht nicht nur emanzipatorischer ist, sondern auch wirkungsvoll. Die Apparate politischer Bewegung werden das aber sicher weiterhin nicht zur Kenntnis nehmen – die wollen MitläuferInnen. Bericht unter http://de.indymedia.org/2013/04/344058.shtml
++ Vortrag mit 22 Leuten ++
Immerhin: 22 Menschen kamen zur Ton-Bilder-Schau „Monsanto auf Deutsch“ am 27.4. in die Projektwerkstatt – und diskutierten bis spät in die Nacht über Gentechnik und Widerstand (erst um 2.30 Uhr morgens gingen die Letzten auseinander).
Schlechter besucht war das erste unserer Themenseminare – zwischen zwei und fünf schwankte die TeilnehmerInnenzahl. Das nächste Seminar folgt schon nächstes Wochenende (siehe Terminliste oben).
++ Wie weiter mit Gastgruppen im Seminarhaus? ++
Schon in den vergangenen Jahren kamen Zweifel auf, welchen Sinn eine „Vermietung“ des Seminarhauses an Gastgruppen macht. Die Gelder, die dadurch eingenommen werden, sind kein Argument: Die Projektwerkstatt ist vor allem geldfrei und damit von Spenden, Zuschüssen und wirtschaftlicher Tätigkeit weitgehend unabhängig organisiert. Haupteinnahmequelle ist der Büchertisch (überwiegend bei meinen Vorträgen/Workshops aufgebaut). Eigentlicher Sinn war, für Projekttreffen und Seminare einen Rahmen zur Verfügung zu stellen, der selbstorganisierte Lern- und Projektarbeitsformen fördert. Außerdem bestand die Hoffnung, neue Kontakte zu knüpfen. Doch seit einigen Jahren ist das kaum noch möglich. „Linke“ und nahestehende Bildungs- und Projektarbeit ist zurückgefallen in traditionelle Organisierungsmuster, d.h. die typischen Ausstattungselemente und die hierarchiearme Strukturen fördernde Architektur der Projektwerkstatt kommt nicht mehr zu Zuge. Auch das zweite Ziel erreichen wir seit Jahren nicht mehr: Die Gruppen bilden identitäre Haufen mit der typischen Auswirkung, Kommunikationsinseln zu sein. Die sind zwei Tage oder mehr in der Projektwerkstatt, interessieren sich für eher gar nichts außer ihrem Kram und reisen ab, ohne irgendeine Begegnung mit anderen Menschen im Haus zu haben. Das ist ein allgemeiner Trend in der Gesellschaft, der in den Mustern existenter Gruppenstrukturen nachvollzogen wird – sicher enttäuschend angesichts einer parolenhaften emanzipatorischen Außendarstellung der meisten Gruppen.
Hinzu kommt, dass Auftritt und Alltagsorganisierung immer enttäuschender werden. Beispiel die letzte Gruppe (Ende März in der Projektwerkstatt): Komplette Kommunikationsinsel (nur ganz wenige hatten kurze technische Gespräche mit anderen Menschen aus der Projektwerkstatt). Konsum gekaufter und übler Ausbeutungsprodukte – welch absurdes Bild, ein Seminar zu „Antisexismus“ zu machen und dabei völlig gedankenlos die kapitalistisch organisierte Billigarbeit, Tierquälerei usw. zu konsumieren. Am Ende wurde kein Raum geputzt – und damit nochmal gedankenlos die reproduktive Hintergrundarbeit Anderer konsumiert: Auch so ist Antisexismus lebbar! Wer Unterdrückungsverhältnisse über den Markt organisiert, sieht sie nicht mehr …
Unter solchen Bedingungen verliert das Seminarhaus seinen eigentlichen Sinn, denn nichts soll hier einen Selbstzweck als Geldbeschaffung haben. Wenn es dazu noch anstrengend wird, weil auch innerhalb der regelmäßig die Projektwerkstatt nutzenden Runde von Menschen die reproduktiven Arbeiten (zunehmend) richtig schlecht aufgeteilt werden, enden die Wenigen irgendwann als unfreiwillige Hintergrund-Dienstleister trostlos organisierter Gruppen und gedankenlos Mitlebender im Haus.
Ich überlege, zumindest meine Zuarbeit für Gruppen an Bedingungen zu stellen. Das üble Ausnutzen meiner Arbeitskraft wird ja so weitergehen, weil es Folge einer Denkkultur ist, die Selbstorganisierungsfähigkeit und –bereitschaft völlig vernichtet hat und das auch nicht als bewusster Prozess läuft, sondern einfach so stattfindet, d.h. auch nicht so einfach zu ändern ist. Da ist keine Lust habe, für solche Gruppen (wie beschrieben) hier tagelang zu putzen, zu heizen usw., wäre eine Möglichkeit, nur noch Gruppenaufenthalte zu unterstützen, die antihierarchische Gruppen anwenden oder emanzipatorische Projekte vorbereiten wollen. Das ist keine Absage an den offenen Raum. Wer das denkt, sieht mich als willenloses Möbelstück. Das bin ich nicht. Es dürfen gern andere Gruppen oder Personen kommen, aber ich will nicht als deren reproduktives Hinterland in ihre eigene Selbstorganisierungsfähigkeit hineingedacht werden.
ALLGEMEINE INFOS …
NEUE VERÖFFENTLICHUNGEN UND INFOS
Das neue „grüne blatt“ ist erschienen – bestellbar wie alle Bücher, CDs & Co. aus der Projektwerkstatt über www.aktionsversand.de.vu und über den Buchhandel – aber auch erhältlich im „Buchladen“ der Projektwerkstatt.
DENKSTÜCK: GELD STATT AKTION … und andere Absurditäten im Dschungel der Selbst(des)organisierung
Es ist Tradition zwischen allen Generationen, übereinander immer mal wieder den Kopf zu schütteln. In der Projektwerkstatt und den locker verbundenen Cliquen unabhängiger AktivistInnen ist das auch Alltag. Die Muster wechseln, aber Unverständnis als Folge der sich verändernden Verhältnisse, unter denen Mensch aufwächst, bleibt. Dummerweise passt das oft wenig zusammen – und so stellt es die Zukunft der Projektwerkstatt immer wieder in Frage – während ähnliche Projekte tatsächlich von der Bildfläche verschwinden. Das wäre in Saasen voraussichtlich auch so, denn Selbstorganisierung ist definitiv nicht Zeitgeist – und die Projektwerkstatt ein entsprechend unzeitgemäßes Projekt. Hier kann mensch Projekte unabhängig vorbereiten und umsetzen. Doch warum? Es lässt sich doch überalles alles billig einkaufen: Copyshops, Rohstoffminen in Zentralafrika oder China, Billigarbeitskräfte in Südkorea – alles kein Problem. Nur ein paar Euros auf den Tisch und mensch kann weltweit erzwungene Arbeitskraft einkaufen. Wer braucht da noch eine Projektwerkstatt? Vermutlich kaum noch jemand, denn die Menschen, die den Politikstil der kapitalkräftigen und marktorientierten Opposition in den Metropolen nicht wollen, sind sehr, sehr rar gesät. Zwar wird die Projektwerkstatt genutzt, aber eher auch wie ein Laden: Konsumieren. Und wenn es anstrengend wird, woanders kaufen. Die Menschen, die im Haus aus eigenem Antrieb, mit der Idee der Selbstorganisierung und Unabhängigkeit und in der Hoffnung auf bunte, kreative Nutzung die Räume renovieren, Archive sortieren, Material beschaffen, Veranstaltungen vorbereiten, Büchertische machen usw. (neben ihren eigenen Projekten und Aktionen), sind nur Wenige. Das überrascht zunächst nicht, es sind die üblichen Binnenhierarchien vieler Projekte. Doch mehrmals wurde in der Projektwerkstatt schon die Probe aufs Exempel gemacht: Was passiert, wenn diejenigen länger nicht da sind, die sich übllicherweise um den organisatorischen Background kümmern? Das Ergebnis von gewollten oder erzwungenen Abwesenheiten war niederschmetternd: Die Menschen, die bleiben, lassen Haus und Einrichtungen um sich herum zusammenstürzen. Nicht immer, nicht alle – aber auffällig regelmäßig. Hier ragen die Unaufmerksamkeiten einer Welt hinein, in der Menschen – vertieft in Smartphones, Facebook oder das eigene soziale Mini-Umfeld samt künstlicher Identitäten (Vereine, Gruppen, Fanclubs …) – als AKteurInnen ihres eigenen Lebens mehr oder weniger verschwinden. Mit verloren geht die Fähigkeit, noch kommunikativ in der Gesellschaft unterwegs zu sein. Dadurch (und durch andere Prozesse) geht immer mehr Organisationsfähigkeit verloren. Das ist auch in politischen Bewegungen zu spüren – Hauptamtlichenapparate ersetzen die Bewegung, simulieren deren Existenz und beschäftigen sich im Wesentlichen damit, Spenden und Fördergelder zu beschaffen, die dann in die eigenen Taschen (als Lohn) wandern. Das läuft nicht bösartig, nicht kaltschnäuzig, sondern als Hamsterrad im Alternativdesign.
Die Projektwerkstatt ist keine Insel – wird aber mit dem weiterhin prägenden Anspruch auf Selbstorganisierung und Unabhängigkeit von Marktkräften und Staatsgewalt immer mehr zu einer. Wie das praktisch aussieht? Nur mal ein kleiner Rückblick auf 14 Tage Seltsamkeiten – ein beliebig ausgewählter Zeitraum und einige notierte Ereignisse:
Ein Infoladen (also diese Lokalitäten der selbsternannten „radikalen“ Linken!) möchte bei der Vorbereitung einer Veranstaltung nicht mehr von mir angemailt werden, um nicht gefährdet zu werden (Angst regiert …).
Ein gemeinsam von drei Gruppen vorbereitetes Seminar, für das es Förderungen gab (wollten die anderen so), war super anstrengend, weil sich zeigte, dass eine der Gruppen das Ganze nur machte, um das Geld abzugreifen. Wir hatten die inhaltlichen Programmteile aufgeteilt – aber die kamen nicht einmal zu den eigenen Workshops. Leidtragende waren die TeilnehmerInnen … aber was zählen schon Menschen, wo es um Geld geht.
Ein Wohnprojekt aus der Nähe fragte nach guten Containermöglichkeiten (Essen aus dem Müll holen). Aber nur unter der Bedingung, dass wir nicht mit ihnen kooperieren oder kommunizieren. Dabei wäre das richtig sinnvoll: Abwechselnd fahren und sich gegenseitig was mitbringen; dann müssten alle nur halb so oft fahren. Es soll aber noch nicht einmal eine Absprache getroffen werden, wer wann fährt. Die Folge wäre, öfter umsonst zu fahren. Organisierte Erfolglosigkeit – selbstverschuldete Blödheit?
Ein hoffnungsvolles Projekthaus, ganz ähnlich der Projektwerkstatt, war vor einiger Zeit in Düren entstanden. Von hier aus wurde das auch unterstützt – materiell, ideell, finanziell und durch Mitarbeit. Mehr gerüchteweise sickerte durch, dass das Projekt so nicht mehr weitergeht. Die Infos wurde nicht einmal an die weitergegeben, die sich mit um Sachen und weiteren Ausbau kümmerten …
Wenn doch mal was neues entsteht an Projekten, dann in den Cliquen, die wie Geheimbünde arbeiten und die bestehenden Kommunikationswege nicht nutzen, weil ihnen die Menschen da außerhalb der Cliquen nicht wichtig sind (bzw. sie gar nicht vorkommen im Denken). Dass solche Projekte dann regelmäßig zum Scheitern verurteilt sind, zumindest wenn sie die Unterstützung von mehr Menschen brauchen, scheint überraschend wenig zu stören – schließlich geht es um den sozialen Prozess miteinander statt um eine gute Organisierung und den Erfolg in der Sache.
Da schreibe ich gar nicht mehr, mit welcher Selbstverständlichkeit hier im Haus Leute oder Gruppen die Räume nutzen und alles einfach anderen zum Aufräumen, Putzen … hinterlassen.
Es ist alles eher kollektives Versagen. Kein Wunder, dass fast alle Menschen nur kurze Zeit selbstorganisiert und unabhängig politisch aktiv sind. Wer sich derart dumm organisiert, agiert ineffizient und hält das nicht lange auf. Die angepassten Parteien, NGOs, die modernen Bewegungsagenturen auf ihrer Suche nach Schafen für die eigene Herde oder gleich die Normalität in Lohnarbeit sind dann die einzigen, ausgetrampelten Wege, die bleiben.
P.S. Diesen Newsletter auch zukünftig beziehen?
Wenn Ihr Lust habt, über mehr laufend informiert zu werden, könnt Ihr verschiedene Newsletter beziehen zu Themen wie Gentechnik(seilschaften), Antirepression, zur Debatte um Herrschaftskritik und herrschaftsfreien Utopien und eben diesen über die Projektwerkstatt und was dort anliegt/läuft.
Außerdem gibt es einige Mailinglisten zum Mitdiskutieren. Eine Übersicht und Eintragemöglichkeiten findet Ihr auf der entsprechenden Seite auf www.projektwerkstatt.de, direkter Link: www.projektwerkstatt.de/mailing.html.
Hinweis: Diese Infosammlung ist keine offizielle Verlautbarung der Projektwerkstatt. So etwas gibt es nicht und kann es nicht geben, denn ein Haus hat Türen und Fenster, aber keine Meinung. Die Projektwerkstatt ist eine offene Aktionsplattform, die von vielen Menschen für Seminare, Treffen, Aktionsvorbereitung, Lesen, Denken und Diskutieren genutzt. Das darf gerne mehr werden …
Nichtsdestrotrotz freue ich mich auch über Menschen, die aus dem Haus und seinen Einrichtungen mehr machen wollen – also nicht nur die Ausstattung nutzen, sondern auch aufrechterhalten und weiterentwickeln. Angesichts dessen, wie viel an Aktivitäten aus diesem Haus erfolgt, lohnt sich das. Denn bedenkt: Hier ist alles ehrenamtlich, fast komplett geldfrei organisiert, auf jeden Fall völlig unabhängig. Verglichen mit den schwerfälligen und ständig auf Geldsuche befindlichen Apparaten von Verbänden und Parteien freut mich das jeden Tag neu, wie kreativ, frech und effizient hier vieles läuft. Um keinen Preis der Welt würde ich das eintauschen. Aber damit das so bleibt oder noch besser wird, braucht Menschen, die diese Aktionsplattform immer wieder neu denken, schaffen und erhalten. Davon gibt es – wie üblich – nicht viele. Sei doch dabei, übernehme irgend kleinen oder größere Stelle im Haus als Dein Ding ... ich würde mich freuen!
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Mailingliste von Hoppetosse - Netzwerk für kreativen Widerstand. Alle Infos und Formular für Aus-/Eintragen sowie Archiv: www.projektwerkstatt.de/hoppetosse.
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