Freitag, 3. Mai 2013

Mitgliederversammlung der Antikapitalistischen Linken

Liebe Antikapitalistinnen und Antikapitalisten, auf ihrer bundesweiten Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende hat die Antikapitalistische Linke drei politische Erklärungen verabschiedet. 1. Solidarität mit dem bolivarischen Venezuela und dem gewählten Präsidenten Nicolás Maduro Am 14. April wurde in Venezuela Nicolás Maduro zum neuen Präsidenten Venezuelas gewählt. Er steht damit vor der großen Aufgabe, in die Fußstapfen des am 5. März verstorbenen Hugo Chávez zu treten und gemeinsam mit der breiten bolivarischen Bewegung den Transformationsprozess fortzusetzen, der das südamerikanische Land seit mehr als einem Jahrzehnt prägt und verändert. Die Mitgliederversammlung der Antikapitalistischen Linken in Bremen gratuliert dem neuen venezolanischem Präsidenten zu seinem Wahlsieg, der ein Sieg für ganz Lateinamerika ist. Angesichts des knappen Wahlergebnisses hat die Opposition Pläne aktiviert, vor denen schon bei vergangenen Wahlen gewarnt wurde: Sie erkennt bis heute nicht den Sieg des Kandidaten der Linken an und ist verantwortlich für Ausschreitungen in verschiedenen Teilen des Landes, bei denen mindestens neun Regierungsanhänger getötet wurden. Angeheizt von den Aufrufen des unterlegenen Kandidaten der Rechten, Henrique Capriles Radonski, griffen Anhänger der Opposition zahlreiche Krankenstationen an, die der armen Bevölkerung kostenlose medizinische Versorgung garantieren. Sie belagerten staatliche und kommunitäre Medien und attackierten Büros der sozialistischen Partei (PSUV). Wir verurteilen dies aufs schärfste und fordern die venezolanische Opposition auf, den legitimen Präsidenten Venezuelas umgehend anzuerkennen und ihre Agenda der Gewalt zu beenden. Die Vorwürfe der angeblichen Wahlfälschung sind absurd. Zahlreiche internationale Organisationen wie das Carter-Zentrum haben Venezuela wiederholt bescheinigt, über eines der sichersten und transparentesten Wahlsysteme zu verfügen. Auch diesmal haben internationale Wahlbeobachter, beispielsweise der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur), den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl bestätigt. Bei nahezu jedem Schritt vom Aufbau der Wahllokale bis zur Auszählung der Stimmen waren ZeugInnen aller politischen Lager anwesend um den Ablauf zu überwachen. Am Wahltag bemängelten sie nichts. Anschließend wurde mehr als die Hälfte der Wahlmaschinen zufällig ausgewählt und erneut in Anwesenheit von ZeugInnen überprüft. Dennoch weigert sich die Opposition, das Ergebnis anzuerkennen. Es ist offensichtlich, dass es ihr nicht um angebliche Mängel beim Wahlprozess geht, sondern darum das Land zu destabilisieren und die Institutionen zu delegitimieren. Nicolás Maduro sprach wenige Tage nach der Wahl davon, dass ein Putschversuch abgewendet wurde. Allem Anschein nach wurden die Unruhen bewusst provoziert, um das Land zu destabilisieren und möglicherweise eine Intervention von Außen zu erwirken. In dieses Bild passt, dass die Regierung der USA sich als einzige verbleibende Regierung offen hinter die absurden Vorwürfe des Wahlbetruges stellen, die die Opposition verbreitet – ohne aber Rechtsmittel einzulegen. In den Tagen nach den Wahlen berichteten viele Aktivisten vor Ort, dass sie sich stark an die Situation vor fast auf den Tag genau elf Jahren erinnert fühlten: Im April 2002 hatte die Rechte mit Unterstützung der Privatmedien und der USA nach einem ähnlichen Schema agiert und vorübergehend Hugo Chávez aus dem Amt geputscht. Nur aufgrund massenhafter Mobilisierungen der ausgeschlossenen Bevölkerung und der Unterstützung loyaler Teile des Militärs konnte damals der Putsch niedergeschlagen werden. Und es ist klar, dass auch heute Millionen von Menschen in Venezuela das Projekt zum Aufbau eines neuen, demokratischen Sozialismus verteidigen, weil sie sich darin repräsentiert sehen. Lateinamerika ist im Aufbruch und Venezuela ist zum Epizentrum der Veränderungsprozesse geworden. Nach dem Tod von Hugo Chávez scheint die Rechte mit Unterstützung der Regierungen der USA, der EU und anderer Länder ihre Chance zu wittern, die Zeit zurück zu drehen. Ihnen rufen wir entgegen: No pasarán! Sie werden nicht durchkommen! Solidarität mit der bolivarischen Revolution in Venezuela! 2. Solidarität mit den Streikenden bei Neupack Erklärung der AKL-Mitgliederversammlung AKL Die KollegInnen an den beiden Standorten des Verpackungsunternehmens Neupack in Hamburg-Stellingen und in Rotenburg-Wümme haben im November 2012 ihren Streik für einen Haustarifvertrag begonnen, der sogar nur 82% der Leistungen des geltenden Flächentarifvertrags umfassen soll. Die Eigentümer des Konzerns (Fam. Krüger) führen ihre beiden Betriebe wie moderne Kapitalisten. Dem Streik gingen bereits mehrere Arbeitskämpfe um die elementaren Rechte der ArbeiterInnen voraus, bei denen sich die KollegInnen gegen die Krügers nur durch eine konsequente gewerkschaftliche Praxis durchsetzen konnten. Nichtsdestotrotz gibt es immer noch Leiharbeit, ungleiche Löhne für die gleiche Arbeit, „Nasenprämien“ und Stundenlöhne, die teilweise deutlich unter acht Euro liegen. Die Krüger-Familie agierte von Beginn des Streiks an mit allen schäbigen Tricks, die Kapitalisten zur Verfügung stehen, um Arbeitskämpfe zu torpedieren und den Willen der streikenden KollegInnen zu brechen. Sie überzieht die Streikenden mit Klagen, orchestriert eine Propagandakampagne zu ihren Gunsten mit Hilfe einer Werbeagentur (Menyesch Public Relations GmbH ) und setzte LeiharbeiterInnen als StreikbrecherInnen ein, die mittlerweile befristete Verträge bis 2014 bekommen haben. Kurzum: Die Neupack-Eigentümer führen Klassenkampf. Sie haben von Anfang an Gespräche mit der Gewerkschaft bewusst abgelehnt und tanzen der IG BCE auf der Nase herum, woran deren Politik der Anbiederei und Unterwürfigkeit natürlich nichts geändert hat. Ende Januar hat die IG BCE-Streikleitung entschieden, den unbefristeten Streik de facto auszusetzen und einen sogenannten „Flexi-Streik“ zu beginnen. Weil die Streikenden seither jedoch an den meisten Tagen von der IG BCE zur Lohnarbeit geschickt wurden, bezeichnen die KollegInnen die neue Strategie als „Flexi-Verarschung“. Sie werden im Betrieb gemobbt, müssen die durch den Streik geleerten Lager des Unternehmens auffüllen und bilden de facto die Streikbrecher (ihre Nachfolger im Betrieb?) aus. Die Hauptwaffe des Streiks, der ökonomische Druck auf das Unternehmen, wurde durch die neue Taktik der IG BCE entschärft. Auf die Forderung der Streikenden, demokratisch in die Streikleitung einbezogen zu werden und über die Streikführung zu entscheiden, hat die IG BCE nicht reagiert. Statt dessen hat sie die Forderung der Streikenden aufgegeben. Sie will den Streik nun ohne einen Tarifvertrag beenden. Die Krügers führen Klassenkampf – die IG BCE bettelt auf Kosten der Streikenden um Sozialpartnerschaft. Um so beeindruckender ist die Kampfmoral, die die KollegInnen aufrecht erhalten. Der Streik hat gezeigt, dass nur die Organisation der ArbeiterInnen und eine aktive Gewerkschaftsarbeit an der Basis die Möglichkeit bieten, überhaupt Rechte erkämpfen zu können. Er hat aber auch gezeigt, dass Streikende und ihre UnterstützerInnen sich nicht darauf verlassen können, dass die Gewerkschaftsspitze an ihrer Seite kämpft, wenn nicht genügend Druck von unten ausgeübt wird. Die AKL solidarisiert sich mit den Streikenden und kritisiert gleichzeitig die auf sozialen Frieden und Sozialpartnerschaft ausgerichtete Streikführung der IG BCE. Wir sehen es als unsere Aufgabe, Politik, Streiks und Proteste zu unterstützen, die die Arbeitsbedingungen konkret verbessern und gleichzeitig für Solidarisierung, die Ausweitung von Kämpfen und die Überwindung der Konkurrenz und des Kapitalismus zu streiten. Suchen 3. Die AKL ist Mitzeichnerin des Aufrufes „Für eine ökosozialistische Wende von unten!“ SOAG e.V. Präambel Die TeilnehmerInnen der Beschlusskonferenz im Anschluss an die von der Bildungsgemeinschaft SALZ e.V. im März 2012 ausgerichtete 3. SALZ- Konferenz „Ökologie & Mobilität“ in Kassel unterstützen die ökosozialistische Erklärung von Belém, die aus der Weltsozialforumsbewegung heraus entstanden ist, und verstehen sich als Teil der weltweiten ökosozialistischen Bewegung. Die kapitalistische Produktionsweise ist mit einem ökologisch verantwortlichen Wirt- schaften und einer lebenswerten, zukunftsfähigen Welt nicht vereinbar. Ihre Triebkraft ist das grenzenlose Streben nach höchstmöglichem Profit und die Konsequenz daraus ist der Zwang zu einem Wachstum, das mit den begrenzten Ressourcen der Erde unverein- bar ist. Deswegen halten wir als Ergebnis der Vorbereitung und der Debatten unserer Konferenz fest: I) Klima und Energie Die Erwärmung der Erdatmosphäre durch den Ausstoß von Treibhausgasen gefährdet das Überleben der Menschheit und bedroht sie akut mit unabsehbaren Katastrophen. Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordert eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 90% bis 2050, das entspricht einer Reduktion auf eine Tonne pro Kopf und Jahr. Doch nicht einmal die offiziellen und völlig unzureichenden, von den Herrschenden der reichsten Industriestaaten bestimmten Klimaziele können im Rahmen der bestehenden Verhältnisse erreicht werden. In den ersten vier Jahren des 21. Jahrhunderts war der jährliche Zuwachs der globalen CO2 -Emissionen fast dreimal so hoch wie in den 1990er Jahren, trotz des Kyoto-Protokolls. Die sogenannten marktwirtschaftlichen Lösungen mit Biosprit und Handel mit Emissions- rechten verschärfen das Problem des Hungers in der Welt, von dem bereits eine Milliarde Menschen betroffen sind und verschaffen den Großkonzernen und großen Kapitalgruppen zynisch die Möglichkeit, auch noch ihre umweltvernichtenden Aktivitäten in kling- ende Münze zu verwandeln – zu Lasten des ärmeren Teils der Menschheit und insbesondere zu Lasten der Ärmsten der Armen, die die ersten Opfer der aktuellen und bevorstehenden Umweltkatastrophen sind. Angesichts der objektiven Grenzen des Wachstums erteilen wir jeder Wirtschaftspolitik eine Absage, die versucht, die derzeitige Krise durch Fortsetzung des Wachstumswahns und Konsumsteigerung zu lösen. Wir fordern die radikale Umstellung auf erneuerbare und saubere Energiequellen wie Windkraft, Geothermie, Wellen- und Sonnenenergie. Uns ist bewusst: Auch bei konsequentem Ausbau der zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energien und bei Ausschöpfung der Effizienzpotenziale werden wir in Zukunft mit erheblich weniger Nettoenergie auskommen müssen als bisher. II) Kapitalistische Wirtschaft und Industrie Das stellt nicht nur unsere kapitalistische Wirtschaftsweise radikal in Frage. Das Wegbrechen der fossilen Ressourcen einerseits, die nicht im selben Maß durch andere Ener- giequellen ersetzt werden können, und die Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen schnell und erheblich zu reduzieren andererseits, stellen unsere Industriegesellschaft insgesamt zur Disposition. Der unausweichliche Prozess des Rück- und Umbaus bedeutender Teile der Industrie muss politisch gestaltet und geplant werden. Was, wie und wie viel produziert wird, darf nicht länger kapitalistischen Einzelinteressen überlassen, sondern muss demokratisch entschieden werden. Wir fordern die sofortige Einstellung der Produktion von Massenvernichtungsmitteln und Kriegswaffen. Gerade angesichts der drohenden und von den Militärstrategen bereits geplanten Ressourcenkriege ist dies dringender als je zuvor. Wir fordern den Stopp des Baus von Kohlekraftwerken und des Missbrauchs von Nutzpflanzen zur Kraftstoffherstellung. Wir fordern die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen wegen ihrer unabsehbaren Risiken und des unlösbaren Problems der Entsorgung der nuklearen Abfälle. Der dringend erforderliche Umbau der Industriegesellschaft zu einer postindustriellen Gesellschaft muss dazu führen, dass nicht immer mehr, sondern sehr viel weniger Energie verbraucht wird. Dafür ist eine Entschleunigung des Lebens nötig und eine ganz andere Gestaltung des Raums, die dafür sorgt, dass die täglichen Wege zur Arbeit, zur Freizeit- betätigung und zum Wohnen drastisch verkürzt werden. Dazu gehören die schrittweise Aufhebung der Unterschiede zwischen Stadt und Land, d.h. die völlige Umgestaltung der Millionenstädte zu einer den Menschen förderlichen und angenehmen Umwelt einerseits und die weltweite Demarginalisierung ländlicher Regionen andererseits. Besonderes Augenmerk gilt der Landwirtschaft. Vor allem der primäre Sektor ist anfällig für die Veränderungen des Klimas. In erster Linie die Länder, in denen große Teile der Bevölkerung als Produzenten oder Beschäftigte in diesem Sektor tätig sind, wird die Klimakatastrophe hart treffen: Wetterextreme wie Überschwemmungen, Trockenheit, Wirbelstürme, Landerosion und die Versalzung der Böden in den Küstenregionen werden Millionen von Existenzen in Asien, Afrika und Lateinamerika bedrohen und vernichten. III) Landwirtschaft Für die Landwirtschaft fordern wir ein Ende der Agrarindustrie, der Privatisierung der Natur, der Patentierung von Leben, des intensiven Getreideanbaus, der hypertrophen Weidewirtschaft zur Produktion ungesunder Mengen an Fleisch, der gigantischen Monokulturen und des Einsatzes der Gentechnik. In Übereinstimmung mit der weltweiten Bauernbewegung Via Campesina fordern wir stattdessen die Förderung der Relokalisierung der Versorgung mit Lebensmitteln, die Förderung der bäuerlichen familiären Kleinwirtschaften und der selbstverwalteten Genossenschaften auf dem Lande sowie die Wiederfruchtbarmachung des bislang vernichteten bebaubaren Bodens. Die ökologisch verantwortliche Produktion einer ausreichenden Menge an gesunden und ansprechenden Lebensmitteln ist möglich, allerdings nicht, wenn die Plusmacherei des großen Kapitals und die Macht von Großgrundbesitzern weiter die landwirtschaftliche Produktion beherrschen und überall auf der Welt so viel Fleisch gegessen wird wie in den USA und Europa – und schon gar nicht, wenn Pflanzen für die Produktion von Agrarsprit statt für die Ernährung angebaut werden. Der primäre Sektor und vor allem landwirtschaftlich nutzbare Flächen sind zum begehrten Spekulationsobjekt geworden. Am 'landgrabbing' beteiligen sich Regierungen reicher Staaten, zunehmend aber auch Investmentfonds, die ihr Geschäft mit dem Hunger machen wollen. Deshalb ist die Beseitigung des Bodenmonopols eine Grundbedingung für eine sozial gerechte Lösung der wichtigsten ökologischen Probleme. Nötig sind weiterhin die Flächenbindung für die Viehwirtschaft, das Verbot von Futtermittelimporten, das Verbot von Exportsubventionen, da sie bäuerliche Strukturen in der Dritten Welt zerstören, das Recht der Staaten des Südens auf Schutzzölle gegen Agrarimporte und die schrittweise Reduzierung des Einsatzes von Kunstdünger und Pestiziden. Ziel ist eine Landwirtschaft, die sich an den natürlichen Kreisläufen orientiert. IV) Verkehr Der Verkehr ist ein maßgeblicher Klima- und Umweltkiller. Nach wie vor wird die nationale und internationale Verkehrspolitik von den Profitinteressen der Verkehrs-, Luftfahrt- und Mineralölkonzerne bestimmt. Auch die von der Industrie als „ökologisch“ gepriesene „Elektromobilität“ im Individualverkehr ist keine Antwort auf brennende Zukunftsfragen. Mit Elektromotoren angetriebene PKW verbrauchen kaum weniger Ressourcen und Schadstoffe als Fahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Der auf überholter Technik basierende motorisierte Individualverkehr ist nach wie vor die teuerste und umweltschädlichste Fortbewegungsart. National wie international wird im Wettbewerb der Verkehrsträger die Luftfahrt gegenüber dem Schienenverkehr massiv bevorzugt. So ist z.B. in Deutschland Kerosin, Treibstoff für Turbinentriebwerke, völlig unbesteuert. Die Luftfahrt-Forschung unterstützt der Staat mit Milliarden. Zerschlagung von Staatsbahnen, Privatisierung, Deregulierung und Wettbewerb zerstören die Vor-teile der Eisenbahn als ökologisches und soziales Verkehrsmittel, beeinträchtigen Kommunikation und Sicherheit und führen zu Öko- und Sozialdumping, zum Rückzug aus der Fläche und zur Abkehr vom flächendeckenden Schienenpersonen- und Güterverkehr zum Nachteil der Allgemeinheit. Die mit der Zerschlagung der Bundespost einhergehende Liberalisierung im Logistikbereich fördert private Konzerne und den Aufbau sinnloser Parallelstrukturen. Dies ist eine Verschwendung von Ressourcen und steigert Prekarisierung und Dumpinglöhne. Wir fordern eine an den Bedürfnissen von Mensch und Natur ausgerichtete Verkehrsplanung, deren Ziel in der geplanten Verkehrsreduzierung liegen muss. Dazu gehört die Entprivatisierung der großen Verkehrsunternehmen, die unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten und der Gesellschaft gestellt werden müssen. Dazu gehören der großzügige Ausbau des öffentlichen Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene und die drastische Reduktion des PKW- und LKW-Verkehrs auf der Straße. Im Gegenzug muss der Fahrradverkehr durch infrastrukturelle Maßnahmen gefördert und der Fußgängerverkehr erleichtert und sicherer gemacht werden. Für den Verkehr auf den Weltmeeren und in der Luft fordern wir den Umstieg auf Segelschifffahrt und Luftschiffe. Hauptziel muss aber die Verkehrsvermeidung sein. Das erfordert eine Politik der regionalen Produktion und Vermarktung. V) Wirtschaftsdemokratie Die Ressourcen der Erde sind von erheblichem öffentlichen Interesse, und alles für die menschliche Gesellschaft insgesamt Bedeutende muss endlich gesellschaftlich kontrolliert und verwaltet werden. Wir fordern daher die Vergesellschaftung der großen Produktionsmittel, Überführung der Energieversorgung in öffentliche Hände, Vergesellschaftung aller Bereiche der Daseinsvorsorge und auch der Banken und Versicherungsgesellschaften. Die Banken dürfen die Gesellschaft nicht wie bei der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise in Geiselhaft nehmen können; die Verteilung von Kreditmitteln ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Dabei ist den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Beschlusskonferenz für Ökologie und Sozialismus bewusst, dass Verstaatlichung nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die ökosozialistische Wende sein kann. Wenn Verstaatlichungen dazu führen, dass nur eine kleine Minderheit von Verwaltern das Sagen hat, dann werden diese tendenziell zu Lasten der großen Mehrheit der Menschen und zu Lasten der Natur zum eigenen Vorteil wirtschaften. Die Erfahrungen mit einem scheinbar „sozialistischen“ Produktivismus haben gezeigt, dass die demokratische Kontrolle von unten und die Teilhabe der Beschäftigten sowie der Konsumentinnen und Konsumenten an der Verwaltung der Betriebe und an den großen wirtschaftlichen Richtungsentscheidungen eine Voraussetzung dafür ist, dass ein ökologisch verantwortliches und auf die Bedürfnisse ausgerichtetes Wirtschaften erreicht werden kann. Darum erfordert die ökosozialistische Wende die gleichmäßige Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit auf alle und die Sicherung der materiellen Existenz aller zu menschenwürdigen Bedingungen. VI) Ökologischer Sozialismus Freiheit von Existenzangst und freie Zeit sind erforderlich, um die Teilhabe aller an der Verwaltung und am Meinungsbildungsprozess über das, was gesellschaftlich notwendige Arbeit ist, zu ermöglichen. Bei einer Wende zu ökologisch verantwortlichem Wirtschaften, bei dem schädliche und überflüssige Produktionen und Produktlinien aufgegeben werden, bei dem Boden, Wasser und Luft nicht weiter vergiftet, verschmutzt und vernichtet werden, kann viel überflüssige Arbeit (Waffenindustrie, unsinnige Konsumgüter, Massenproduktion von ökologisch im heutigen Ausmaß nicht mehr tragfähigen Gütern wie Autos etc.) eingespart werden. Andererseits ist die bisherige hohe Produktivität zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass lange Zeit ausreichend und preiswert billige Energie zur Verfügung stand. Diese Voraussetzung ist aber bald nicht mehr gegeben. In vielen Bereichen werden wir wieder auf energieärmere Produktionsverfahren zurückgreifen müssen. Die erreichte hohe und jede höhere Arbeitsproduktivität aber muss dafür genutzt werden, den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen. Qualitatives Kriterium eines erhöhten Lebensstandards ist, sobald die Grundbedürfnisse befriedigt werden, die Ausdehnung der freien Zeit für vielfältige selbstbestimmte und schöpferische kulturelle Betätigung und Selbstentfaltung, für die Gestaltung liebevoller Beziehungen sowie für die Betreuung von Kindern und allen hilfsbedürftigen Menschen. Dabei ist für uns selbstverständlich, dass die so genannte Reproduktionsarbeit unter Männern und Frauen gleichmäßig aufgeteilt werden muss. Erst dann werden die vielfältigen Benachteiligungen und Diskriminierungen der Frauen restlos verschwinden können. Gerecht aufgeteilt werden müssen auch die Lasten des ökologischen Umbaus. VII) Maßnahmen Die reichen Industrieländer müssen den ärmeren und armen Ländern helfen, die Grundbedürfnisse ihrer Bevölkerungen so rasch wie möglich befriedigen zu können. 500 Jahre Kolonialismus, Imperialismus und Neokolonialismus verpflichten dazu. Ansprechende Lebensmittel, Zugang zu sauberem Wasser, zu Bildung und Kultur darf nicht das Privileg einer Minderheit der Weltbevölkerung bleiben. Zu den ersten großen Opfern zählen Menschen in den Staaten, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, weil ihr Anteil an den Treibhausgasemissionen vernachlässigt werden kann: die Insel- und Flächenstaaten Ozeaniens, Südasiens und des subsaharischen Afrikas. Sie werden ganz oder teilweise im Meer versinken oder zu Wüsten werden. Es wird mehrere hundert Millionen Klimamigranten geben. Es liegt in der Verantwortung der Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels, ihnen andernorts eine menschenwürdige Zukunft zu ermöglichen. Auch hierzulande stellt sich die Frage der sozialen Gerechtigkeit dringender denn je. In Zukunft geht es nicht mehr einfach um eine möglichst gerechte Aufteilung des „Wohlstandskuchens“, sondern um knapper werdende Ressourcen und um ein qualitativ anders gestaltetes Leben. Es darf auf keinen Fall die Situation eintreten, dass sich die Reichen weiterhin einen hohen Umweltverbrauch leisten können, während es den Armen am Nötigsten fehlt. Um das zu vermeiden, ist aber bewusste politische Gestaltung nötig (Festsetzung von Preisen und Tarifen, Ressourcenzuteilung, Quotenvergaben usw.). Marktwirtschaftliche und rein fiskalische Instrumente (wie z.B. „Ökosteuern“) müssen hier zwangsläufig versagen. Eine Abkehr von unserem derzeitigen Konsumstil wird gesellschaftlich nur dann akzeptiert werden können, wenn sie gerecht und solidarisch gestaltet wird. Eine konsequente Umverteilungspolitik von oben nach unten ist daher eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen der ökologischen Wende. VIII) Die nächsten Schritte Wir wenden uns mit dieser Erklärung insbesondere an soziale Bewegungen, Gewerkschaften, die Umweltbewegung und die politischen Parteien und Organisationen der Linken. Wir brauchen die gemeinsame Aktion für die dringend nötige ökosozialistische Wende. Stellvertreterpolitik in den überkommenen politischen Institutionen kann diese Wende nicht herbeiführen, sondern nur die Mobilisierung und Selbstorganisation der abhängig Beschäftigten und der Erwerbslosen zusammen mit allen Ausgebeuteten und Unterdrückten. Lasst uns alle unsere Ressourcen, Ämter und Mandate gemeinsam dafür nutzen, aufzuklären und alles dafür zu tun, dass eine mächtige, betriebs- und ortsübergreifende und internationale Bewegung entsteht, die die bestehenden Verhältnisse umstößt zugunsten einer globalen ökosozialistischen Demokratie! Wir befürworten die Arbeit eines organisations- und strömungsübergreifenden ökosozialistischen Arbeitskreises im Rahmen der politischen Bildungsarbeit von SALZ, der sich an der Meinungsbildung der internationalen ökosozialistischen Bewegung beteiligt, die die Erklärung von Belém erarbeitet hat. Beschlossen auf der 3. Kasseler Beschlusskonferenz, Sonntag, den 25. März 2012 Förderverein Solidarität in Arbeit & Gesellschaft SOAG e.V.

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