Freitag, 24. Mai 2013
150 Jahre SPD: Die SPD und die Nazis
Die Sozialdemokratie schmierte sich 1933 an die Faschisten an
Zur Rede von Otto Wels in der Reichstagssitzung vom 23. März 1933 in der Berliner Krolloper
Von Günter Ackermann
Kommunisten-online – „Der Herr Reichskanzler** hat auch vorgestern in Potsdam einen Satz gesprochen, den wir unterschreiben. Er lautet: »Aus dem Aberwitz der Theorie von ewigen Siegern und Besiegten kam der Wahnwitz der Reparationen und in der Folge die Katastrophe der Weltwirtschaft.“[1]
Wels will also einen Ausspruch des Faschistenführers Hitler unterschreiben, der den Nazis in Folge als Vorwand für die deutsche Hochrüstung und damit zur Kriegsfähigkeit des Nazireiches und schließlich als Rechtfertigung des 2. Weltkriegs diente.
Des Führers wohl gesonnene untertänigste sozialdemokratische Opposition.
Mehr noch: Wels brüstet sich, quasi als frühen Nazi und sagte: „Ich darf mir wohl in diesem Zusammenhang die persönliche Bemerkung gestatten, daß ich als erster Deutscher vor einem internationalen Forum, auf der Bremer Konferenz am 3. Februar des Jahres 1919, der Unwahrheit von der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Weltkrieges entgegengetreten bin.“[2]
Tatsache ist ja: Das deutsche Großkapital sah sich bei der Aufteilung der Reichtümer der Erde den anderen Mächten benachteiligt. Da aber die Welt bereits aufgeteilt war, war jede Änderung nur mittels Krieg möglich. Das wusste die SPD, als sie den Kriegskrediten 1914 zustimmte, das wusste Wels 1919 als er der „Unwahrheit von der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Weltkrieges“ entgegen trat und das wusste er nicht minder, als er 1933 im Reichstag sprach.
Statt Hitler als Kriegstreiber zu entlarven, der im Auftrag von Thyssen, Krupp, IG-Farben usw. sich anschickte, der Mörder an der Führung der Arbeiterbewegung zu werden, statt das offen aufzudecken, stellt sich Wels quasi als Vorläufer der Nazis hin und versucht sich bei Hitler anzuschmeicheln. Natürlich vergeblich, denn die Entscheidung stand bereits für die Herrschenden in Deutschland fest: Den neuen Weltkrieg und die Vernichtung aller, die diesem Streben sich entgegen stellen konnten, also der Arbeiterbewegung.
Wels sagt weiter: „Zu dem Ausspruch des Herrn Reichskanzlers bildet jene Erklärung eine wertvolle Ergänzung.“[3] Die SPD hat also, in prophetischer Voraussicht auf Hitler als Reichskanzler, die Schuld des deutschen Reiches, also des Kaisers, der Großagrarier, des Großkapitals, der Banken, schon 1919 zurück gewiesen. Das versucht Wels Hitler klar zu machen – natürlich vergeblich, das weiß der längst und plant bereits den nächsten Krieg.
Weiter Wels: „Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten können, daß sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt.“[4]
Nein, das erwartete Hitler auch nicht. Er musste, um den Schein zu wahren, Gegenrede haben, damit er seine Polemik abziehen konnte. Die SPD hatte zwar keinen direkten Anteil an der Reichskanzlerschaft Hitlers, eine indirekte schon.
Beim Preußenputsch am 20. Juli 1932. als der Reichskanzler von Papen die Regierung des deutschen Teilstaates Preußen absetzte und einen Reichskommissar ernannte, unternahm die in Preußen regierende SPD nichts. Dabei war die Polizei Preußens in ihrer Mannschaftsstärke und Bewaffnung der Reichswehr überlegen. Der preußische Innenminister Carl Severin ließ sich von einer Handvoll Soldaten der Reichswehr verhaften und erklärte, er weiche der Gewalt. In der Folge verzehrte er seine üppige Pension in seiner Heimatstadt Bielefeld –und das die ganze Zeit im Nazireich – andere Sozialdemokraten saßen während der Zeit im KZ.
Forderungen von Teilen der Gewerkschaften, Teilen der SPD und der KPD nach Generalstreik, widersetzte sich die SPD-Führung und verwies auf die bevor stehenden Reichstagswahlen im Juli 1932: „Wahltag ist Zahltag“, sagten sie. Bei diesen Reichtagswahlen wurde die NSDAP stärkste Partei[5] im Reichstag, die SPD verlor erheblich an Stimmen. Das war der Zahltag, eine weitere und diesmal die letzte Chance, den Faschismus zu vermeiden, wurde durch die Ablehnung des Generalstreiks vertan.
Im März und April 1932 fanden die Direktwahlen des Reichspräsidenten statt. Die SPD verzichtete auf einen eigenen Kandidaten und unterstützte Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg, dem der 1. Weltkrieg bekanntlich wie eine Badekur (eigener Ausspruch) bekam. Die KPD sagte damals: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt Krieg. Welch prophetische Voraussicht! Die SPD hatte damit indirekt Hitler in die Reichskanzlei verholfen.
Es mag eine falsche Position aus der KPD gewesen sein, die SPD-Führer als Sozialfaschisten zu bezeichnen, aber die SPD tat alles, um Hitler den Weg an die Macht zu erleichtern.
Und jetzt jammert Wels im Reichstag, dass seine Leute verfolgt werden. Über die verfolgten Kommunisten – die KPD ist bereits verboten – verliert er kein Wort.
Weiter Wels: „Die Zustände, die heute in Deutschland herrschen, werden vielfach in krassen Farben geschildert. Wie immer in solchen Fällen fehlt es auch nicht an Übertreibungen. Was meine Partei betrifft, so erkläre ich hier: wir haben weder in Paris um Intervention gebeten, noch Millionen nach Prag verschoben, noch übertreibende Nachrichten ins Ausland gebracht.“[6]
Krasse Farben geschildert? Wels meint die Meldungen der Presse im Ausland über den Terror der SA, die willkürlichen Verhaftungen und Folterungen in neu geschaffenen Konzentrationslagern, aber die SPD hat keine „noch übertreibende Nachrichten ins Ausland gebracht.“
Wels sieht seine Partei als die alleinige Opposition gegen die Faschisten und sagte: „Das Verhältnis ihrer Revolution zum Sozialismus beschränkt sich bisher auf den Versuch, die sozialdemokratische Bewegung zu vernichten, die seit mehr als zwei Menschenaltern die Trägerin sozialistischen Gedankengutes gewesen ist und auch bleiben wird. Wollten die Herren von der Nationalsozialistischen Partei sozialistische Taten verrichten, sie brauchten kein Ermächtigungsgesetz.“[7]
Dass zu dieser Zeit bereits zehntausende Kommunisten dem Terror der SA ausgeliefert waren, dass bereits der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, seit dem 3. März im Kerker saß, interessierte Wels offenbar einen Dreck.
Und: Der Vorwand der Nazis zum Ermächtigungsgesetz und den Verfolgungen nach den Brand des Reichstages, die Kommunisten planten einen Putsch, war nicht auf den Mist der Nazis, sondern auf dem der Sozialdemokratie gewachsen. Mit genau diesem erfunden Vorwand inszenierte die Berliner Polizei 1928 – unter Führung des sozialdemokratischen Berliner Polizeipräsidenten Zörrgiebel, den Blutmai und ließ die Demonstrationen der Arbeiter zum 1. Mai 1928 niederschießen.
Auch war der erste Chef der Gestapo in Preußen, Rudolf Diels, ursprünglich Mitglied der SPD. Er arbeitete unter Severin als „Dezernent zur Bekämpfung der kommunistischen Bewegung“. Ab 1933 bildete er unter dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring die Gestapo und verfolgte weiter Kommunisten – wie schon zuvor unter dem Sozialdemokraten Severin.
Wels appelliert an Hitler „sozialistische Taten folgen zu lassen – was immer das auch sei – und verspricht den Nazis, in dem Fall, die Unterstützung der SPD.
Die SPD wurde im Juni 1933 verboten. Vorher hatte sie noch alle Juden aus der Partei ausgeschlossen und sich so ein weiteres Mal den Nazis angebiedert. Die Gewerkschaftsbewegung des ADGB wurde am 2. Mai 1933 zerschlagen. Vorher hatte sie Hitler noch gelobt, weil der den 1. Mai 1933 als „Nationalen Tag der Arbeit“ zum gesetzlichen Feiertag gemacht hatte. Das hätten die ADGB-Führer bereits 1928 haben können. Damals brachte der KPD-Reichstagsabgeordnete Willy Münzenberg im Reichstag den Antrag ein, der 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu machen – die SPD lehnte den Antrag ab und mit ihr auch die sozialdemokratischen Führer der ADGB-Gewerkschaften.
Die SPD-Führer haben sich nicht mit Ruhm, bekleckert als es um die Machtübergabe an die Faschisten ging. Sie wichen ständig zurück, versteckten sich hinter scheinbar rechtlichen und scheinbar demokratischen Normen und versuchten mit aller kraft, den Kampf der Arbeiterklasse gegen die Faschisten zu verhindern. Stattdessen da, wo die SPD bis 1932 Regierungspartei war, die Nazis zu geschont und die Kommunisten zu bekämpft.
So, wie auch nach dem 2. Weltkrieg, als ihr „großer“ Kanzler Brandt „mehr Demokratie“ zu wagen vorgab und den Deutschen die Berufsverbote bescherte.
G.A.
** Gemeint ist Hitler bei der Propagandashow des „Tages von Potsdam“ am 21. März 1933 in der Garnisonskirche in Potsdam mit Reichspräsident von Hindenburg. Dort machte der „Gefreite des Weltkrieges“ Hitler seinen Kotau vor dem „greisen Feldmarschall“ von Hindenburg, der ihn einige Wochen vorher zum Reichskanzler ernannt hatte. Der Grund: Das deutsche Großkapital, allen voran die Rüstungswirtschaft, wollten Revanche für den verlorenen 1. Weltkrieg, die gleichen Leute wollten sich der Arbeiterbewegung, die sie in ihrer Kriegstreiberei stören könnte, entledigen. Vor allem die Kommunisten sollten vernichtet werden, aber auch die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie.
[1] Otto Wels (SPD): Rede zur Begründung der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes, Reichstagssitzung vom 23. März 1933 in der Berliner Krolloper mehr
[2] ebenda
[3] ebenda
[4] ebenda
[5] NSDAP 37,3 % (+19,0 %), SPD 21,6 (-2,9 %), KPD 14,3 % (+1,2 %), Zentrum: 12,4 % (+ 0,6 %).
[6] Otto Wels (SPD): Rede zur Begründung der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes, Reichstagssitzung vom 23. März 1933 in der Berliner Krolloper mehr
[7] ebenda
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