Freitag, 7. Dezember 2012

Eskalation der Gewalt in Coahuila

Lange Zeit war der mexikanische Bundesstaat Coahuila mit seinen Kohleminen und einer boomenden Autoindustrie nur eine Transitroute der Drogenkartelle. Doch die Zetas änderten das. Systematisch nahmen sie den Staat in ihren Würgegriff. Waren sie in den vergangenen Monaten eher in einer trügerischen Stille vorgegangen, spitzt sich die Situation seit einigen Wochen zu. Gerade die Stadt Torreon hatte den Kartellen zuvor als Stützpunkt gedient. Schon dort spürte man rasch, was auf den ganzen Bundesstaat im Norden des Landes zukommen sollte. In fünf Jahren versechzehnfachte sich die Mordrate, das gesamte Polizeikommando - ganze 1.000 Mann - der Stadt wurde gefeuert, nachdem es nach dem Auftrag, schärfer gegen das Kartell vorzugehen, in Streik getreten war. „Die Polizei war nicht vom organisierten Verbrechen infiltriert - sie war das organisierte Verbrechen“, sagte Bürgermeister Eduardo Olmos. Zetas reißen alles an sich Die Zetas sind auf dem Vormarsch, seit sie sich vom Golfkartell, das sie ursprünglich als Söldnertruppe engagiert hatte, getrennt haben. Sie agieren ohne Prinzipien, sagte der nunmehrige Polizeichef von Torreon, Adelaido Flores, der Nachrichtenagentur Reuters. Das Sinaloa-Kartell hatte wenigstens die Bevölkerung in Ruhe gelassen. Im Gegensatz zu anderen Kartellen begnügen sich die Zetas nicht mit dem Drogengeschäft. Sobald sie in eine Region eindringen, versuchen sie jegliche Kriminalität dort zu kontrollieren, von Schmuggelware über illegale Nachtclubs bis hin zu Prostitution. Die lokalen Kriminellen, aber auch einfache Kleingewerbler, werden bedroht: 1.000 Pesos (rund 60 Euro) oder drei Finger sei eine der üblichen Forderungen gewesen, schreibt die „Los Angeles Times“. „Wir sind im Belagerungszustand“, sagt Raul Vera, der katholische Bischof von dem Bundesstaat. Was als Gewalt in einem kleinen Gebiet des Bundesstaats begonnen hat, habe sich nun so ausgebreitet, wie es sich niemand vorstellen hätte können. Politikersohn ermordet Im Vergleich zu anderen Bundesstaaten war es in Coahuila an der Grenze zur USA lange ruhig geblieben - ohne viel Gewalt. Doch das änderte sich: Mitte September flohen 131 Insassen aus dem Gefängnis Piedras Negras nahe der Stadt Acuna, einer der spektakulärsten Ausbrüche in der Geschichte Mexikos. Zetas, die von Zetas befreit wurden, hieß es später. Anfang Oktober wurde dann der Sohn des früheren Vorsitzenden der jahrelangen Regierungspartei Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), Humberto Moreira, getötet. Die Leiche des 25-jährigen Jose Eduardo Moreira wurde nach Angaben der Behörden an einer Landstraße nahe der Stadt Acuna im Staat Coahuila gefunden. Sein Vater war bis 2011 auch Gouverneur von Coahulia, sein Onkel Ruben Moreira ist derzeit im Amt. Auswüchse bis in die Politik Vermutet wurde, dass der 25-Jährige aus Rache ermordet wurde: Kurz zuvor war ein Neffe des Zetas-Bosses Miguel Trevino Morales bei einem Gefecht getötet worden. Der Tod des Politikersohnes machte deutlich, wie sehr auch die politische Elite in den Drogenkrieg verwickelt ist. Sein Vater machte in Interviews Unternehmer aus dem Minensektor für den Tod seines Sohnes verantwortlich. Diese würden mit dem Kartell Geschäfte machen. Doch Kritiker warfen ihm danach vor, dass er offenbar viel mehr über Verstrickung von Wirtschaft und Kriminellen weiß - und das in seiner Amtszeit als Gouverneur hätte verhindern müssen. Während er im Amt war, begann der Aufschwung der Zetas in Coahuila. Er verwies darauf auf die Bundesbehörden, die für den Kampf gegen die Kartelle zuständig seien. Tatsächlich sagen aber viele Beobachter, dass die Behörden in den Bundesstaaten auf Kuschelkurs mit den Kartellen sind - und mehr noch: Im Norden Mexikos laute das Motto Kooperation, sagt George W. Grayson, Experte an der Uni in Williamsburg, Virginia. „Und die Polizei in Coahuila gehört zu der korruptesten in ganz Mexiko“. Erst heuer wurde auch aufgedeckt, dass die Zetas elf hochrangige Beamte auf ihrer Gehaltsliste hatte, darunter den Bruder des Generalstaatsanwalts. Ex-Boss der Zetas getötet Und auch der spektakulärste Vorfall der jüngeren Vergangenheit mit den Zetas fand in Coahuila statt: Einer der Oberbosse der Zetas, Heriberto Lazcano, wurde Anfang Oktober bei einem Militäreinsatz wahrscheinlich getötet. Ganz sicher konnte man sich aber nicht sein. Er wurde zwar mittels Fingerabdrücken identifiziert, seine Leiche wurde aber von einem bewaffneten und vermummten Kommando aus einem Bestattungshaus geraubt. Die Entführung der sterblichen Überreste von Drogenbossen als besondere Form des Totenkults hat in Mexiko durchaus Tradition - gleichzeitig wurde damit aber ein DNA-Beweis zunächst unmöglich. Die Behörden exhumierten schließlich die Leiche eines Verwandten des Drogenbosses, um per DNA-Abgleich Gewissheit über seinen Tod zu erlangen. Nachfolger noch brutaler Lazcano hatte die Führung des Kartells 2002 übernommen, nachdem Gründer Arturo Guzman Decena getötet worden war. In Coahuila konnte sich Lazcano unbehelligt frei bewegen. Angeblich gingen sie gemeinsam auf die Jagd nach extra dafür aus Afrika importierten Zebras. Zum Verhängnis dürfte ihm am 7. Oktober der Besuch eines Baseballmatches geworden sein: Soldaten der mexikanischen Armee hätten ihn dort zufällig angetroffen, hieß es. Eine Schwächung des Kartells dürfte der Tod Lazcanos nicht bedeuten. Im Sommer war bekanntgeworden, dass Miguel Trevino Morales seinen Boss sukzessive von der Spitze des Kartells verdrängt hatte. Und er setzte noch konsequenter und umbarmherziger auf Gewalt als sein Vorgänger. Arbeitssklaven für eigenes Funknetz Das Magazin „Wired“ berichtet indes unter Berufung auf die mexikanische Website Animal Politico, dass die Zetas ein eigenes Funksystem aufgebaut haben - und das mit Hilfe von Arbeitssklaven. Das Kartell würde ganz gezielt Kommunikationstechniker entführen. 36 Techniker seien in den vergangenen vier Jahren gekidnappt worden - und von denen fehle bis heute jede Spur. Die Zetas würden demnach an schwer zu erreichenden Stellen Antennen und Relaisstationen aufbauen - und diese, wenn nötig, mit Energie aus Solarzellen speisen. Im Vorjahr hatte die Polizei ein Netzwerk mit fast 170 Antennen gefunden. Doch selbst dieser Verlust scheint die Truppe kaum zu treffen: Das verwendete Material ist billig und kann ohne Probleme rasch ersetzt werden. Über das System kommunizieren dem Bericht zufolge eher die niederrangigen Kartellmitglieder - für die Bosse ist das Risiko zu hoch - sie setzen auf E-Mails. URL: http://orf.at/stories/2149778/2149787/ _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider Chiapas98@listi.jpberlin.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98

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