Dienstag, 18. Dezember 2012
Europäische Polizeibehörden sichern sich Zugriff auf Eurodac-Daten
Als „Eurodac“ geschaffen wurde, hieß es, die Fingerabdruck-Datei diene allein dazu, festzustellen, welcher EU-Staat für ein Asylgesuch zuständig sei. Nun akzeptiert der Innenausschuss des EU-Parlaments, dass die Daten künftig auch für Polizeibehörden zur Verfügung stehen. Das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung wird weiter eingeschränkt – und sie werden als potentielle Straftäter stigmatisiert.
Wer in einem EU-Staat sich mit einem Asylgesuch an die Behörden wendet, dem werden Fingerabdrücke abgenommen, die in der sogenannten Eurodac-Datenbank gespeichert werden. Mit Eurodac soll die Funktionsweise der Dublin-Verordnung sichergestellt werden, nach der derjenige EU-Staat für einen Asylsuchenden verantwortlich ist, der in einreisen lassen hat.
Kommt etwa in Deutschland ein Flüchtling mit den Behörden in Kontakt, so gleichen sie in der Regel dessen Fingerabdrücke mit der Eurodac-Datenbank ab. Wird dabei ein „Eurodac-Treffer“ festgestellt, der zeigt, dass der Betroffene bereits in Italien aufgegriffen wurde, steht für die Behörden in der Regel fest, dass der Betroffene nach Italien zurückgeschoben wird. Flüchtlinge, die etwa innerhalb der EU weiterflohen, weil sie monatelang in Rom als Obdachlose auf der Straße leben mussten oder in ungarischen Haftzentren eingesperrt wurden, zerstören sich in manchen Fällen aus Verzweiflung die Fingerkuppen, um nicht dorthin zurückgeschoben zu werden.
Nach der bisherigen Rechtslage war die Durchsetzung der Dublin-Verordnung der einzige Zweck der Fingerabdruck-Datenbank. Mit der nun von den Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen angenommenen Neufassung der EURODAC-Verordnung wird die klare Zweckbindung der Datei aufgehoben. Nun dürfen auch Polizeibehörden auf die Fingerabdrücke der Flüchtlinge zugreifen.
Damit wird nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen beschnitten. Der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hatte gewarnt, die Gesetzesänderung berge ein „Risiko der Stigmatisierung“. Menschen, die in Europa Schutz suchen, werden durch die neue Eurodac-Verordnung unter Generalverdacht gestellt, kriminell zu sein.
Befürworter der Veränderung betonen indes, dass die Polizei nur unter strengen Auflagen auf die Daten zugreifen dürfe. Die Argumentation ist naiv, folgt doch bereits die eben vom Innenausschuss des EU-Parlament durchgewunkene Gesetzesänderung einem altbekannten Schema: Zunächst werden datenschutzrechtliche Bedenken mit dem Hinweis beiseite gewischt, die Daten würden nur zu ganz bestimmten Zwecken erhoben. Sobald die Daten erfasst sind, melden Sicherheitsbehörden Begehren an. In der Folge wird die enge Zweckbindung Schritt für Schritt aufgehoben. Ein Mechanismus, den man bei Projekten zur Datenerhebung stets bei ihrer Beurteilung von vornherein bedenken muss – ganz gleich, um welche und um wessen Daten es geht.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereitet die EU-Kommission bereits eine weitere Verordnung vor, nach der nicht nur von Flüchtlingen, sondern von sämtlichen EU-Ausländern Fingerabdrücke genommen und gespeichert werden sollen.
Eurodac-Dossier der Abgeordneten des Europa-Parlaments Ska Keller
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