Montag, 17. Dezember 2012

Opel Bochum: Selbständiger Streik gegen Werksschließung

Provokativ verkündete Opel-Chef Thomas Sedran auf der Betriebsversammlung am 10. Dezember die Schließung des Werks in Bochum bis 2016. Eine Kriegserklärung an die Belegschaft – ohne sich irgendeiner Diskussion zu stellen. Als dem Opel-Chef breite Empörung und Ablehnung entgegenschlug, zog er es vor, fluchtartig den Saal zu verlassen – geschützt von Security-Leuten, die sich bis dahin unter die Belegschaft gemischt hatten. IG-Metall-Vertrauenskörperleiter Dirk Grützner, der ihn noch zur Rede stellen wollte, wurde von Bodyguards zu Boden geworfen und gewürgt. „So kann man mit uns Arbeitern nicht umgehen“ – der Beschluss und die arrogante Weise, die Vernichtung der Existenzgrundlage tausender Familien im Ruhrgebiet zu verkünden, führte zu Tumulten und wurde auf der Belegschaftsversammlung von zahlreichen Rednern angeprangert. „Ihr bekommt ab morgen keine Karre mehr von uns“, diese Losung setzte sich auf der Versammlung als Konsens der Belegschaft mehr und mehr durch. Die sofortige Reaktion von Kanzlerin Merkel und verschiedenen Bundes- und Landesministern sowie die Verbreitung als Top-Meldung in allen Nachrichten zeigt, dass der Kampf von Anfang an einen politischen Charakter hat und auch gegen die Bundesregierung geführt werden muss. Über die bürgerlichen Politiker wurde nach der Verkündung der Werksschließung unisono Resignation und Niederlagenstimmung verkündet. Die Schließung sei zwar bedauerlich, aber nun mal unabwendbar, kämpferische Kollegen stünden auf verlorenem Posten. Der Betriebsratsvorsitzende Reiner Einenkel warnte vor „blindem Aktionismus“. Am Dienstagmorgen berichteten die Radio- und Fernsehstationen, dass im Werk alles „ruhig“ und in den nächsten Tagen kein Protest geplant sei. Doch dabei hatten sie die Rechnung ohne die kämpferische Belegschaft gemacht. 200 bis 300 Kolleginnen und Kollegen der Frühschicht legten um 7.30 Uhr die Arbeit nieder und beschlossen die Forderungen: „Kein Arbeitsplatz darf weg! Autos müssen nach 2016 weiter produziert werden!“ Sie zogen selbstbewusst vor die Schranke ans Tor 1, um die Medien zu informieren. Zwei Stunden standen die Fertig- und Endmontage still. Alle Schritte wurden gemeinsam beraten und beschlossen. Nachdem sich die Kollegen aus dem Rohbau nicht anschlossen, beendeten sie mit hocherhobenem Kopf und stolz den selbständigen Streik. Ein Beteiligter zu „rf-news“: „Es war wichtig, General Motors hier jetzt keine Zeit zu geben, sondern auf die Provokation und die Kriegserklärung von gestern direkt zu antworten. Wir haben hiermit einen guten Auftakt gemacht.“ Verschiedene Zeitungen, Fernseh- und Radiosender wie ZDF und ntv berichteten darüber, wobei auch die zuvor in der Berichterstattung ausgeblendeten kämpferischen Stimmen zu Wort kamen. Bundesweit wird die Entwicklung bei Opel von vielen Menschen mit großem Interesse verfolgt, steht die kämpferische Belegschaft mit ihrem Streik im Oktober 2004 doch als Symbol für den Weg der Arbeiteroffensive und das gewachsene Vertrauensverhältnis zur MLPD. Auch der jetzige selbständige Kampf und die zugrunde liegende Entwicklung in der Belegschaft sind über eine längere Zeit herangereift. Die Kollegenzeitung „Der Blitz“ für alle Opel-Werke und Zulieferbetriebe in Deutschland, an der auch Genossen der MLPD mitarbeiten, trat systematisch für einen konzernweiten Kampf ein; ein von klassenkämpferischen Opelanern vorgeschlagenes „Zukunftsprogramm“ haben über 1.500 Menschen unterzeichnet; ein Frauenkomitee „Basta!“ wurde gegründet und hat schnell im Werk und in der ganzen Stadt Bochum Wellen geschlagen. Aufbauend auf den gewachsenen Verbindungen über den Internationalen Automobilarbeiterratschlag fand am 28. Juni ein länderübergreifender Aktionstag gleichzeitig in den Opel-Werken in Deutschland und bei PSA in Frankreich statt. Die MLPD unterstützte die Opelaner mit ihrem Know-how, machte die ICOR bekannt und verbreitete den Gedanken der notwendigen Koordierung und Revolutionierung der Kämpfe über Ländergrenzen hinweg. Obwohl die Betriebsratsspitze vom Konsens der Belegschaftsversammlung am 10. Dezember abgerückt war und sich ausdrücklich gegen Aktionen zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen hatte, folgten die Arbeiter mit ihrer Streikaktion der Aufforderung der Kollegenzeitung „Der Blitz“: „Klare Antwort: Streik!“ Taktikwechsel von GM/Opel Angesichts des provokativen Kurses des GM/Opel-Vorstands klagt Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), dies sei „keine gelebte Sozialpartnerschaft“. Als ob der inzwischen wieder größte Automobilkonzern der Welt die Arbeiter, aus deren Arbeitskraft er Milliardenprofite zieht, je als „Partner“ behandelt hätte. Tatsächlich hat GM jedoch die Taktik gewechselt. Die bisherige Rücksichtnahme der Konzernführung in den USA auf die in Deutschland und Europa noch hauptsächlich eingesetzte Klassenzusammenarbeitspolitik weicht einem härteren Kurs. Der Hintergrund ist ein sich abzeichnender neuer Einbruch in der andauernden Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Vor allem in Europa brechen die Pkw-Absatzzahlen (siehe S. 7) ein und verschärft sich der internationale Konkurrenzkampf. Verstärkt setzen die Autokonzerne auch in Europa auf Werksschließungen – wie bei Fiat in Termini Imerese, bei PSA in Aulnay sowie Ford in Belgien (Genk) und Großbritannien (Southampton und Dagenham). Die Unternehmensberatung PwC geht von bis zu zwölf möglichen Werksschließungen in Europa aus, schon jetzt würden 15 Automobilwerke mit einer Auslastung von unter 50 Prozent arbeiten. Insgesamt ist noch die Politik der Krisendämpfung bei der Bundesregierung vorherrschend, zugleich zeigt der Taktikwechsel des GM-Managements gegenüber der Belegschaft, dass die Arbeiter sich auf härtere Kämpfe einstellen müssen. Dass jetzt auch in Deutschland erstmals die Werksschließung eines Automobilwerks angekündigt und eine der kampfstärksten Belegschaften angegriffen wird, hat auch politische Gründe. Die Konzernchefs wissen genau, dass hier auch die fortgeschrittensten Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit der Automobilbelegschaften vorhanden sind, was eng mit der langjährigen Verankerung der MLPD zusammenhängt. Mit dem Versuch, die Werksschließung in Bochum nach so vielen gescheiterten Anläufen nun endlich durchzusetzen, soll ein Exempel statuiert werden. Wer sind die „Unruhestifter“? Nach der erfolgreichen Streikaktion am Dienstagvormittag wurde in der Berichterstattung der bürgerlichen Medien im Ruhrgebiet umgeschwenkt und begonnen, diese zu kriminalisieren und führende Kolleginnen und Kollegen als „Unruhestifter“ zu bezeichnen. Selbst der Bochumer IGM-Funktionär Volker Strehle war sich nicht zu schade, in der „Westfälischen Rundschau“ vom 12. Dezember die Streikaktion als „spontane Störaktion, die nicht zu verhindern war“, zu diffamieren. Es ist schon tragisch, wie weit man als Gewerkschafter sinken kann: GM wird zum „Friedensstifter“ erkoren. Nicht GM ist mit seiner Verkündung der Werksschließung für die Unruhe verantwortlich, sondern die Kollegen, die für die Existenzgrundlagen ihrer Familien kämpfen. Notwendig sind starke Gewerkschaften, die kämpfen. „Unruhestiftung“ ist dagegen der Jargon, mit dem die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von „Rädelsführern“ vorbereitet wird. Damit wird allen Beteiligten zugleich vorgeworfen, sie hätten sich zu der Aktion verführen oder gar missbrauchen lassen. Tatsächlich war dies der Konsens auf der Belegschaftsversammlung und wurde über jeden Schritt kollegial beraten und demokratisch abgestimmt. Gegen jeden Versuch der Kriminalisierung brauchen die mutigen Opelaner die Solidarität aller Arbeiter und der demokratischen Öffentlichkeit. Gebt Antikommunismus keine Chance! Es geht um die ganze gesellschaftliche Perspektive Die Forderung nach einem vollständigen und allseitigen gesetzlichen Streikrecht ist nur ein Bestandteil der sich entfaltenden Diskussion um die gesellschaftliche Perspektive. Auf der Belegschaftsversammlung wurde auch die bürgerliche Argumentation von den angeblichen „Überkapazitäten“ angegriffen. Vom Standpunkt der Arbeiter und der übergroßen Masse der Bevölkerung besteht doch ein riesiger Bedarf z. B. an umweltfreundlicher Verkehrstechnik, die in „nicht ausgelasteten“ Automobilwerken produziert werden könnte. Die Technologie für emissionsfreie Autos ist längst vorhanden. Dies wäre ein enorm wichtiger Beitrag zur Rettung der Umwelt vor der drohenden Klimakatastrophe. Zum jetzt anstehenden Kampf der Opelaner gehört deshalb auch die Forderung, die Produktion auf emissionsfreie Autos und Verkehrstechnik umzustellen – auf Kosten der Konzernprofite. Dabei können die Automobilarbeiter jedoch nicht stehen bleiben. Sie brauchen eine Zukunft ohne Massenarbeitslosigkeit und ständig steigende Ausbeutung, eine Zukunft ohne Krisenchaos und verheerende Umweltkatastrophen. Im Sozialismus wird dies durch die planmäßige Entwicklung der internationalen Produktivkräfte in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der Menschen und der Natur möglich sein. Alle (Automobil)-Arbeiter gemeinsam! Die für Freitag, 14. Dezember, angekündigten Protestaktionen sind eine gute Möglichkeit, die Kräfte weiter zu stärken und zu erproben. Damit die Werksschließung vom Tisch kommt, ist ein entschlossen geführter unbefristeter Streik erforderlich. Der für den 15. Dezember geplante „Tag der offenen Tür“ anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Opel Bochum kann zu einem „Fest der Solidarität“ werden. Er ist eine hervorragende Gelegenheit, die Opelaner zu besuchen und ihnen die Solidarität zu erweisen. Delegationen aus anderen Betrieben, Montagsdemonstranten, Migrantenorganisationen, Künstler, Frauengruppen usw. können dort ihre „Selbstverpflichtung“ übergeben, die sie nach dem Beginn eines unbefristeten Streiks einlösen werden: vom Kaffeekochen über die Verpflegung bis zu kultureller Begleitung. Die MLPD wird sich dafür mit ganzer Kraft einsetzen. Sie wird mit ihren Betriebsgruppen in den Opel-Werken und anderen Automobilbetrieben Deutschlands alles dafür tun, den konzernweiten Kampf der Opelaner zu fördern. Es muss zur Ehrensache aller (Automobil)-Arbeiter werden, den Opelanern in dieser Situation beizustehen und gemeinsam mit ihnen zu kämpfen. Die MLPD wird sich zusammen mit der revolutionären Weltorganisation ICOR, deren Mitglied sie ist, zugleich für dessen länderübergreifende Koordinierung und Revolutionierung einsetzen. In verschiedenen Ländern gibt es derzeit Kämpfe gegen Werksschließungen und Massenentlassungen in der Autoindustrie – unter anderem in Belgien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Wenn die Automobilarbeiter sich absprechen, gemeinsame Forderungen, Aktionen und Streiks vereinbaren, werden sie ihre Kraft vervielfachen. Wer entschlossen kämpfen will, braucht aber auch eine Perspektive über den Tageskampf hinaus. Dafür steht die MLPD als wirkliche sozialistische Alternative. Aus all diesen Gründen muss sie gerade jetzt stärker werden. Die Automobilarbeiter und ihrer Familien werden dafür gebraucht.

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