Montag, 17. Dezember 2012

Ein Detail zu deutsch-chinesischen freundschaftlichen Beziehungen

Vier laufende Meter Bücher zur Geschichte der Arbeiterbewegung und des Sozialismus. Am 1. Oktober 1949 rief Mao Tsetung in Beijing die Volksrepublik China aus. Am 7. Oktober des- selben Jahres wurde die Deutsche Demokratische Republik gegründet (nachdem zuvor im Mai ohne Abstimmung mit der sowjetischen Regierung se- parat für die US-amerikanische, britische und französische Besatzungszone das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wor- den war). Am 27.10.1949 erfolgte die Herstellung diplo- matischer Beziehungen zwischen der VRCh und der DDR. Am 10.10.1950 wurde das erste Han- delsabkommen zwischen der DDR und der VRCh unterzeichnet. Am 8.12.1955 traf eine Regierungs- delegation der DDR unter Leitung von Minister- präsident Otto Grotewohl zu einem offiziellen Staatsbesuch in China ein, wo am 25.12.1955 der Vertrag über Freundschaft und gegenseitige Zu- sammenarbeit zwischen der DDR und der VRCh unterzeichnet wurde. Vom 15.-27.9.1956 fand der VIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in Beijing statt, an dem Delegationen von mehr als 50 Bruderparteien, darunter die Delegation der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands unter Leitung ihres Generalsekretärs Walter Ulbricht, teilnahmen und ein neues Parteistatut sowie Vor- schläge für den zweiten Fünfjahrplan Chinas (der erste hatte am 1.1.1953 begonnen) annahm. Am 22.1.1959 traf wieder eine Regierungsdele- gation der DDR unter Leitung O. Grotewohls zum offiziellen Staatsbesuch in China ein. Nahezu ein Jahrzehnt diplomatischer Beziehungen waren ver- gangen, die wirtschaftlichen Beziehungen und der Erfahrungsaustausch bei der Verwirklichung der antifaschistisch-demokratischen und der volksde- mokratischen Ordnung und der bewussten und planmäßigen Entwicklung der Wirtschaft als Vor- aussetzung für die Errichtung der Grundlagen des Sozialismus, aber auch der Austausch auf den Gebieten Wissenschaft, Technik und Kultur waren in Gang gekommen. Chinesische Studenten stu- dierten an Hochschulen der DDR und umgekehrt. Chinesische Marx-Engels-Forscher sammelten in Berlin Erfahrungen. Im Frühjahr 1953 hatte Mao Tsetung den Beschluss über die Gründung des Instituts für die Sammlung und Übersetzung der Werke von Marx, Engels, Lenin und Stalin beim Zentralkomitee der KPCh unterzeichnet. Daher hat die von O. Grotewohl geleitete Delegation an Mao Tsetung ein Geschenk übergeben: Ein eigens angefertigter Bücherschrank mit zwei Glastüren und drei Regalen voller verschiedenfarbiger Leder- bände bis damals im Berliner Dietz Verlag erschie- nener Bücher. Die Sammlung ist ein Unikat und Zeitdokument zugleich, worin die bis 1958 in der vor allem deut- schen und russischen Geschichte oder Arbeiter- bewegung und des Sozialismus gesammelten Er- fahrungen gebündelt waren. Vielen Lesern sind diese Bücher nicht unbekannt, haben sie mehr oder weniger viele von ihnen selbst studiert und zu nutzen sich bemüht, als sie vor einem halben Jahrhundert und länger hoffnungsvolle Erbauer eines neuen Deutschland waren oder westlich von Elbe und Werra in den 1950er Jahren für Einheit und gerechten Frieden kämpften, verfolgt und bis heute nicht rehabilitiert wurden (es gibt doch z. B. Enkel!). Die Titel sollen hier genannt werden, weil die Sammlung einmalig – und bei weitem nicht veraltet – ist: – Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Fami- lie ..., Kleine ökonomische Schriften, Die deut- sche Ideologie, Manifest der Kommunistischen Partei, Revolution und Konterrevolution, Brie- fe über „Das Kapital“, Briefe über Religion, Ausgewählte Briefe (Teil 1), Ausgewählte Schrif- ten in 2 Bänden, Werke, Bd. 1-3; – Marx: Das Elend der Philosophie, Die Klassen- kämpfe in Frankreich 1848-1850, Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte, Der Kom- munistenprozeß zu Köln, Der Bürgerkrieg in Frankreich, Zur Kritik der politischen Ökono- mie. Erstes Heft (1959), Herr Vogt, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Theorien über den Mehrwert (Teil 1), Das Kapital, Bän- de I-III, Kritik des Gothaer Programms, Briefe an Kugelmann; – Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Der deutsche Bauernkrieg, Revoluti- on und Konterrevolution in Deutschland, Deut- sche Frühzeit, Dialektik der Natur, „Anti- Dühring“, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Über den deutsch-französischen Krieg, Briefe an Bebel; – Marx, Engels, Lenin, Stalin: Zur deutschen Geschichte in 2 Bänden (3 Teile); – Franz Mehring: Lessing-Legende, Deutsche Geschichte, Historische Aufsätze; – Clara Zetkin: Proletarische Frauenbewegung in Deutschland, Erinnerungen an Lenin, Aus- gewählte Reden und Schriften (2 Bände); – Rosa Luxemburg: Ausgewählte Reden und Schriften (2 Bände); – W. I. Lenin: Marx-Engels-Marxismus, Was sind die „Volksfreunde“ ...? Über den Parteiaufbau (Teil 1), Was tun? Kurzer Abriss der Geschich- te der KPdSU (B), Aus dem philosophischen Nachlass, Materialismus und Empiriokritizis- mus, Über die Pariser Kommune, Ein Schritt vorwärts ..., Zwei Taktiken der Sozialdemokra- tie, Hefte zum Imperialismus (Teil 1), Der Im- perialismus ..., Staat und Revolution, Über die Agrarfrage, Das Agrarprogramm ..., Der Rene- gat Kautsky, Der „linke Radikalismus“ als Kin- derkrankheit des Kommunismus, Das Jahr 1917, Über Deutschland und die deutsche Arbeiter- bewegung, Ausgewählte Werke in 2 Bänden; Werke (Bände 3-7,9, 10, 23); – G. W. Plechanow: Monistische Geschichtsauf- fassung, Geschichte des Materialismus, Grund- probleme des Marxismus; – Lenin, J. W. Stalin: Fragen der Industrie (1 Bd.), Fragen der Landwirtschaft (1 Bd.), – Stalin: Nationale und koloniale Frage, Kampf um den Frieden; – M. I. Kalinin: Über kommunistische Erziehung; – Geschichte der KPdSU (B); – Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze (2 Bän- de); – Wilhelm Pieck: Arbeitereinheit und Volksfront, Reden und Aufsätze (4 Bände); – Walter Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (4 Bände), Zur Entwicklung des deutschen volksdemokratischen Staates, Zur Geschichte der neuesten Zeit, Die gegen- wärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED; – Otto Grotewohl: 30 Jahre später, Im Kampf um die einige deutsche demokratische Republik (3 Bände). Anfang der 1960er Jahre unterwarf sich die KPCh nicht dem Anspruch der Kommunistischen Partei der Sowjetunion unter N. S. Chruscht- schow, in jeder Hinsicht weltweit die führende Kraft zu sein. Die sowjetischen Berater und Auf- bauhelfer wurden aus China abgezogen, mit so- wjetischer Hilfe in China begonnene Projekte verlassen, die Lieferung vereinbarter Materialien unterbrochen und die Beziehungen zwischen beiden Parteien und Staaten „auf Eis gelegt“. Von da an galt bis zum Ende der Sowjetunion auch für die SED und die DDR die Orientierung, dass sich die parteilichen und staatlichen Beziehungen zu China auf keinem höheren Niveau bewegen dürfen als die entsprechenden sowjetischen Be- ziehungen. Gegen die Zustimmung von M. S. Gorbatschow reiste Erich Honecker 1986 nach China und stellte die normalen Beziehungen wie- der her. So wurde auch die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Marx-Engels-Forschung wieder normalisiert. Mao Tsetung hatte diese Sammlung dem ge- nannten Sammlungs- und Übersetzungsinstitut übergeben. Hier nimmt es in einer 2011 in der 1. Etage eröffneten repräsentativen und lebhaft besuchten Dauerausstellung über die Geschichte der Entwicklung und Verbreitung des Marxismus in China und im Ausland einen Ehrenplatz ein; alle darin enthaltenen Texte existieren inzwischen längst in der umfangreichen Bibliothek des Hauses in kompletten Sammel- oder Werkausgaben der Autoren. Die Ausstellung ist Teil einer zum 1. Mai 2004 von der derzeitigen chinesischen Führung eingeleiteten intensiven, breiten und schöpferi- schen Nutzung der Erkenntnisse seit Marx und Engels. Ende 2009 hat das genannte Institut Ausgewähl- te Werke von Marx und Engels in 10 Bänden und Thematisch ausgewählte Werke von Lenin in 5 Bän- den in chinesischer Sprache der Öffentlichkeit übergeben. Derzeit wird z. B. an folgenden Editi- onen gearbeitet: 2. chinesische Ausgabe der Werke von Marx und Engels auf der Basis der Marx-En- gels-Gesamtausgabe (MEGA) in 70 Bänden (21 bisher erschienen), 3. chinesische Ausgabe der Ausgewählten Schriften von Marx und Engels in 4 Bänden, Album mit Fotos und Lebenszeugnissen von Marx, Engels und Lenin in 3 Bänden. Im Som- mer 2011 schrieb das zentrale Ministerium für Bil- dung und Wissenschaft das Forschungsthema „,Das Kapital‘ von Marx und die Vorarbeiten erneut stu- dieren!“ aus, das bis Ende 2014 von 7 akademischen und universitären Forschungsgruppen, die sich beworben hatten und den Zuschlag erhalten haben, bearbeitet werden soll. Mir, der ich seit 1997 am genannten Institut helfe, zeigt auch dies alles – von den wirtschaft- lichen Erfolgen im Verlauf von 11 (!!!) Fünfjahr- plänen ganz zu schweigen –, dass die Volksrepu- blik China für das 21. Jahrhundert eine ähnliche weltgeschichtlich progressive Signalwirkung, vor allem für die sogenannten Entwicklungsländer, haben wird wie die Pariser Kommune 1871 min- destens für das 19. Jahrhundert. Aber: im Unter- schied zur Pariser Kommune existiert die sich objektiv real im Anfangsstadium (ein Kleinkind bezeichnen wir auch als Mensch und nicht etwa – als einen Schimpansen oder Menschversuch) befindliche und entwickelnde sozialistische Ge- sellschaft bisher nicht nur 3 Monate, sondern schon 63 Jahre! Eike Kopf, Beijing, den 9.7.2012 entnommen www.kaz-online.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen