Freitag, 14. Dezember 2012
»Patriots« für den Fall der Fälle
Einsatzziel der Abfangraketen in der Türkei bleibt im Nebel politisch wohlfeiler Begründungen
Welche militärische Aufgabe den deutschen Raketen im Südosten der Türkei zukommt, bleibt Mutmaßung. Im Bundestag versicherten die Befürworter, notfalls könne die Mission später auch neu bewertet werden.
Die Patriots der Bundeswehr sollen mit denen aus den USA und den Niederlanden angeblich die Türkei gegen Angriffe aus Syrien schützen. Das Mandat ist bis zum 31. Januar 2014 befristet. Kein einziger Redner der großen Befürworterkoalition konnte am Freitag einen Hinweis darauf liefern, vor welcher Art von Angriff die Waffen tatsächlich schützen sollen. Versichert wurde dagegen, dass sie auf reine Verteidigung der Türkei ausgerichtet seien, keine Flugverbotszone über Syrien unterstützt werden solle und bei einer Veränderung der Einsatzbedingungen das Parlament erneut damit befasst werde. Gleichwohl wurden die Patriots als alternativlos dargestellt, die Lage in Syrien zur Begründung herangezogen.
Philipp Mißfelder von der CDU führte eine Bedrohung der Türkei durch das Chemiewaffenpotenzial des Assad-Regimes ins Feld. Der Bundeswehr sprach er die Aufgabe zu, für den Schutz vor solchen Waffen zu sorgen, »damit die türkische Bevölkerung beruhigt sein kann, dass keine Gebiete unbewohnbar werden«. Das gerade können die Abwehrraketen aber nicht leisten. Selbst wenn die Abwehrraketen anfliegende Raketen als Träger für chemische Waffen zerstörten, würden letztere doch ihre tödliche Wirkung entfalten.
Darauf wies Gregor Gysi hin, der den Einsatz namens der Linksfraktion mit scharfen Worten kritisierte. Doch die Experten scheinen mit einem C-Waffeneinsatz gar nicht zu rechnen. Denn sonst müssten die Raketenstaffeln von Einheiten zum Schutz vor Massenvernichtungsmitteln begleitet werden. Der Bundeswehrverband haderte deshalb am Freitag kleinlaut. Es reiche nicht aus, »die Schutzkräfte in Deutschland vorzuhalten«, falls die syrische Regierung tatsächlich Chemiewaffen einsetzen sollte, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der »Welt«. Die Befürworter des Einsatzes im Bundestag fechten solche Überlegungen allerdings nicht an. Für sie steht das politische Ziel, die Unterstützung des Kampfes gegen das Regime in Syrien, über allen Fragen nach den Details. Elke Hoff (FDP) fühlte ein »subjektives Bedrohungsempfinden der Türkei« nach, Mißfelder beklagte das »Trauerspiel« bei der UNO, das effektive Maßnahmen gegen Assad verhindere. Man könne es nicht hinnehmen, dass der syrische Diktator »sein Volk abschlachtet«, so der CDU-Mann, der um Unterstützung für »weitere politische Initiativen« warb, um den »Konflikt einzugrenzen« - ohne diese genauer zu benennen.
Aufklärung in diesem Zusammenhang forderte Gysi über eine Äußerung, die Andreas Schockenhoff (CDU) in einer vorangegangenen Rede dieser Woche getan hatte. Ebenfalls unter Hinweis auf die UNO-»Blockade« habe man nicht anders handeln können, als die syrische Opposition mit Waffen zu versorgen. Wenngleich sich eine Aufklärung dieser Äußerung am Freitag nicht mehr andeutete, will die Fraktion hier unnachgiebig bleiben, wie gegenüber nd versichert wurde. Die Parteinahme für die bewaffneten syrischen Rebellen war am Freitag nicht zu überhören. Kerstin Müller freute sich, dass eine Anerkennung der nationalen Opposition als Verhandlungspartner nun endlich vollzogen sei. »Das ist für die Menschen in Syrien sehr wichtig.« Und Gysis Satz, dass Deutschland damit zur Kriegspartei im Nahen und Mittleren Osten werde, tat sie ab: Das sei ein »derart abstruser Populismus, dass man auf diese Rede nicht mehr eingehen muss«.
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