Freitag, 14. Dezember 2012
Jalloh-Prozeß: Proteste in Sachsen-Anhalt
Initiativen kritisieren erneut Verfahren. Kundgebung vor der Staatsanwaltschaft mit Auflagen
Seit Montag versammelt sich die Initiative Oury Jalloh vor der Staatsanwaltschaft in Dessau. Der Vorwurf: Die Ermittlungsbehörde ignoriere Indizien, die nach Ansicht der Initiative, der Nebenklage und von Prozeßbeobachtern gegen die behördliche Theorie sprechen, Oury Jalloh habe sich im Januar 2005 im Dessauer Polizeirevier selbst angezündet. In einem Brief forderten die Kritiker den mit dem Fall befaßten Oberstaatsanwalt Christian Preissner am Montag auf, auch die Möglichkeit eines Mordes in Betracht zu ziehen. Er müsse neue Ermittlungsverfahren gegen damals diensthabende Polizeibeamte einleiten, die sich in Widersprüche verstrickt hatten. Auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie bemängelte am Montag in einer Erklärung, daß Staatsanwaltschaft und Gericht entgegen allen offensichtlichen Widersprüchen an dem wenig plausiblen polizeilichen Konstrukt festhalten, Jalloh habe sich selbst getötet. Damit schützten sie zuallererst die Dessauer Polizei. Im Verfahren sei überdeutlich geworden, daß die Polizei das ihr übertragene staatliche Gewaltmonopol mißbraucht habe: »Feststellung der Identität, die Ingewahrsamnahme, Freiheitsentzug ohne richterliche Anordnung, Fesselung und Isolation Oury Jallohs waren widerrechtlich erfolgt«. Allen polizeilichen Zwangsmaßnahmen habe die Rechtsgrundlage gefehlt. Der Rassismus im Dessauer Polizeirevier, so das Komitee, sei zudem selbst den übergeordneten Behörden bekannt gewesen, ohne daß sie eingeschritten wären.
Die Protestversammlung in Dessau hatte das zuständige Ordnungsamt zunächst nur unter strengen Auflagen sowie ausschließlich wochentags von 7 bis 17 Uhr erlaubt. Dagegen hatte die Initiative geklagt. Das Verwaltungsgericht Halle erlaubte nun mit Beschluß vom Sonntag nachmittag das Aufstellen von zwei Zelten und Heizlampen sowie einen Gaskocher. Voraussetzung dafür sind »zwei transportable Toilettenhäuschen« und »eine in Dessau zugelassene Abfalltonne«. Zudem müssen die Demonstranten Ruhezeiten ab 20 Uhr und sonntags ganztägig einhalten.
Indes ruft das Flüchtlingsforum »The Voice« zu einer Demonstration am heutigen Dienstag ab neun Uhr vor dem Magdeburger Landgericht auf. Zur selben Zeit wird drinnen gegen den Polizeibeamten Andreas Schubert, damals Dienstgruppenleiter, verhandelt. Er soll Jalloh nicht rechtzeitig geholfen haben. Das Gericht will heute die Beweisaufnahme schließen. Die letzten Anträge der Nebenklage zur Untersuchung der Brandursache hatten die Richter abgelehnt.
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