Freitag, 15. Juni 2012

Sängerinnen von "Pussy Riot" bald vor Gericht

Die Ermittlungen gegen drei junge Frauen der feministischen Punkband „Pussy Riot“ wurden abgeschlossen. Die Gruppe war mit einem Protestsong in einer Kathedrale aufgetreten. Den drei Frauen steht möglicherweise ein Gerichtsverfahren wegen „Rowdytums“ bevor. Mittwoch, 13. Juni 2012 UA-122/2012-1, AI-Index: EUR 46/022/2012, Erstveröffentlichungsdatum: 11. Juni 2012 NADEZHDA TOLOKONNIKOVA MARIA ALEKHINA EKATARINA SAMUTSEVICH In der Amnesty International vorliegenden Anklageschrift wird den Frauen Rowdytum im Zusammenhang mit von einer Gruppe von Personen geplantem und zum Ausdruck gebrachten Hass (Artikel 213 des russischen Strafgesetzbuches) zur Last gelegt. Sollten sie für schuldig befunden werden, könnten Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich bis zu sieben Jahre Haft bevorstehen. Ihnen wird die offene Demonstration mangelnden Respekts gegenüber der orthodoxen Kirche, Verletzung von Gefühlen der Gläubigen sowie die Verunglimpfung der „spirituellen Grundlage des Staates“ zur Last gelegt. In der Anklageschrift wird mehrfach betont, dass die Aktion zum Ziel hatte, Gläubige und den Großteil der [russischen] Nation zu beleidigen. Weiter heißt es, der Aktion fehle jede moralische wie ethische Grundlage und sie richte sich gegen die „gesamte orthodoxe Welt“. Die Argumentation der Anklageschrift geht mit Formulierungen wie „die spirituelle Grundlage des Staates“ über die Bestimmungen des russischen Rechts und die Regeln der orthodoxen Kirche hinaus. Die drei Frauen geben an, mit dem Protest in der Kathedrale nichts zu tun zu haben. Zudem zweifeln sie die Behauptung an, dass der Auftritt zum Hass anstiften sollte. Drei voneinander unabhängige Gutachten wurden eingeholt. Zwei von ihnen stimmten zu, dass die Aktion manchen Menschen gegenüber anstößig gewesen sein könne. Sie fanden jedoch keine Beweise dafür, dass die Frauen das Schüren von Hass beabsichtigt hatten. In dem dritten Gutachten heißt es, die Frauen hätten sehr wohl Hass geschürt. Die Verteidigung der drei Frauen gibt an, dem dritten Gutachten habe es an Sorgfalt gefehlt, und weigert sich deshalb, es anzuerkennen. Seit der Festnahme der Frauen haben einige Angehörige ihrer Familien sowie einer der Anwälte Drohungen erhalten. Es scheint keine Ermittlungen in diesen Fällen zu geben. http://www.amnesty.at/index.php?id=1751 Hintergrundinformationen Seit ihrer Gründung im Jahr 2011 tritt die feministische Punkband „Pussy Riot“ an öffentlichen Orten wie der Moskauer U-Bahn, dem Roten Platz in Moskau und auf Busdächern auf. In Interviews haben die Gruppenmitglieder den Medien gegenüber erklärt, dass sich ihr Protest unter anderem gegen die Einschränkung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Russland richtet sowie gegen unfaire politische Verfahrensabläufe und die Konstruktion von Straftatbeständen gegen Oppositionelle. Die Aufführung des Protestsongs der „Pussy Riot“ in der Christ-Erlöser-Kathedrale zog eine weitreichende Diskussion in Blogs, sozialen Netzwerken und den Medien nach sich und führte sowohl zu unterstützenden als auch zu kritischen Reaktionen. Es gab auch diverse Äußerungen von VertreterInnen der russischen Regierung und der russisch-orthodoxen Kirche zu dem Auftritt. Anfangs forderte ein Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche Gnade für die Protestierenden. Doch später verlangten die KirchenvertreterInnen eine harte Bestrafung für die Frauen und ihre Strafverfolgung wegen des Schürens von Hass aufgrund der Religion. Am 28. Mai wurden zwei Unterstützer der inhaftierten Frauen, Vasilii Bogatov und Arkadii Oleinikov, zu kurzzeitiger Verwaltungshaft verurteilt, weil sie vor dem Moskauer Stadtgericht gegen die Strafverfolgung der jungen Frauen protestiert hatten. Im Juni verurteilte ein Gericht in Novosibirsk den Künstler Artem Loskutow zu einer Geldstrafe, weil er an Plakatwänden in Novosibirsk zur Solidarität mit den drei jungen Frauen aufrufende Plakate aufgehängt hatte. EMPFOHLENE AKTIONEN UNTERZEICHNEN SIE DEN ONLINE-APPELL, ODER SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN (Porto Standardbrief 1,70 Euro) Ich fordere Sie nachdrücklich auf, die Anklagen wegen Rowdytums fallenzulassen und Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich umgehend und bedingungslos freizulassen. Bitte führen Sie sofort eine unparteiische Untersuchung der Drohungen gegen Familienangehörige und einen Rechtsbeistand der inhaftierten Frauen durch und stellen Sie sicher, dass Schutzmaßnahmen für die betreffen¬den Personen ergriffen werden, sollte dies nötig sein. APPELLE AN PROSECUTOR OF MOSCOW’S CENTRAL ADMINISTRATIVE DISTRICT (STAATSANWALT DES ZENTRALBEZIRKS MOSKAU ) Denis Gennadievich Popov Prosecutor’s Office of the Central Administrative District ul. L.Tolstogo, 8, str.1 Moscow 119021, RUSSISCHE FÖDERATION (korrekte Anrede: Dear Prosecutor) Fax: (007) 499 245 77 56 E-Mail: prokcao(at)mosproc.ru PROSECUTOR GENERAL (GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION) Yurii Yakovlevich Chaika Prosecutor General’s Office of the Russian Federation Bolshaia Dmitrovka, 15 A Moscow, GSP-3, 107048 RUSSISCHE FÖDERATION (korrekte Anrede: Dear Prosecutor General) Fax: (00 7) 495 692 1725 (Wenn jemand abhebt, bitte deutlich “FAX” sagen) E-Mail: prgenproc(at)gov.ru KOPIEN AN LEITER DER UNTERSUCHUNGSABTEILUNG DES AMTS FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN ZENTRALBEZIRK MOSKAU Head of the Investigative Department Igor Victorovich Litvinov Investigative Department of the Directorate of the Internal Affairs (YVD) for Central Administrative District Ul.Sredniaia Kalitnikovskaia, 31 Moscow 109029 RUSSISCHE FÖDERATION Fax: (007) 495 675 39 80 (Wenn jemand abhebt, bitte deutlich “FAX” sagen) BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION S.E. Herr Sergey NECHAEV Reisnerstraße 45-47, 1030 Wien Fax: (1) 712 33 88 E-Mail: info(at)rusemb.at Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken. (Textvorschlag) I am writing to you to refer to the case of NADEZHKA TOLOKONNILOVA, MARIA ALEKHINA and EKATERINA SAMUTSEVICH. Investigations have now been concluded against the three young women alleged to be members of the feminist punk group, Pussy Riot, who sang a protest song in a cathedral. The indictment, seen by Amnesty International, charges the women with hooliganism on grounds of "hatred, planned and committed by a group of people" (article 213 of the Russian Criminal Code). If found guilty, Nadezhka Tolokonnikova, Maria Alekhina and Ekaterina Samutsevich could face up to seven years’ imprisonment. The three women deny any involvement in the protest in the cathedral. In addition, they challenge the allegation that the performance did aim to incite hatred. Three separate legal expertises on this matter have been sought. Two accepted that the action might have been offensive to some people but did not find evidence the women had aimed at inciting hatred. A third expertise reportedly claims that the women did incite hatred. The lawyers of the three women claim that the third expertise did not follow proper procedures so refuse to accept its authority. Since the three women’s arrest, some of their family members as well as one of their lawyers have received threats. There appears to be no investigation into the incidents. In view of the above, I call on the Russian authorities to drop the charges of hooliganism and immediately and unconditionally release Maria Alekhina, Ekaterina Samutsevich and Nadezhda Tolokonnikova. Furthermore, I urge the Russian authorities to immediately and impartially investigate threats received by the family members and lawyers of the three women and, if necessary, ensure their protection. I thank you for your attention. Yours sincerely

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