Montag, 12. Juni 2017

Natürlich Kopf an Kopf (Horst Schäfer)


Ärgern Sie sich auch immer darüber? Kurz vor den Wahlen wird die Spannung künstlich erhöht. Von Umfrageinstituten, Nachrichtenagenturen, Zeitungen und Fernsehstationen erfahren wir in reißerischen Meldungen, dass dieses Mal – große Überraschung – mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und CDU um die Wählergunst zu rechnen sei.

Das war zuletzt in Nordrhein-Westfalen der Fall: Drei Wochen lang wurden die Wähler von den Medien mit der Prognose traktiert, es werde ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben. dpa hatte unter Berufung auf eine Umfrage von Infratest-Dimap im Auftrag des WDR die Kampagne mit dem Hinweis eröffnet, beide Parteien lägen bei 34 Prozent. Im Kölner Stadtanzeiger »ringen« Kraft und Laschet noch am Wahltag um die Mehrheit. Das Ergebnis war dann der Sieg der CDU vor der SPD mit fast zwei Prozentpunkten und 150.000 Stimmen Vorsprung.

Schleswig-Holstein demonstrierte es am 7. Mai noch eindeutiger: Trotz des vom Deutschlandfunk und allen anderen Medien unter Hinweis auf Umfrageergebnisse prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennens gewann die CDU mit 32 vor der SPD mit 27,2 Prozent.

Richtig überzeugend war das Kopf-an-Kopf-Rennen aber im Saarland am 26. März. Am 16. März meldete die Saarbrücker Zeitung: »CDU und SPD im Saarland jetzt Kopf an Kopf«. Die ARD (SPD 34 Prozent, CDU 35 Prozent) und Reuters stießen in das gleiche Horn. Vier Tage vor der Wahl blies dann die FAZ zum Wahl-Endspurt. Unter der Schlagzeile »CDU und SPD im Saarland Kopf an Kopf« hieß es: »Im aktuellen Insa-Wahltrend für die Bild-Zeitung liegen die Sozialdemokraten wenige Tage vor der Saar-Wahl mit 33 Prozent nur noch zwei Punkte hinter der Union.« Dann erhielten die CDU 40,7 und die SPD 29,6 Prozent – eine Lücke von fast elf Prozentpunkten. Bei Insa handelt es sich um ein börsennotiertes britisches Markt- und Meinungsforschungsinstitut.

Nach den Wahlen herrschte dann immer das Schweigen im Walde. Nirgendwo konnte man lesen, warum Umfrageinstitute und Medien bei jeder Wahl so danebenlagen. Dabei würde man gerne wissen, was die Ursachen für diese immer wiederkehrenden falschen Informationen sind. Geht es nur darum, Wahlen im Sinne einer sportlichen Berichterstattung so spannend wie ein noch unentschiedenes Fußballspiel zu machen? Handelt es sich hier vielleicht um bewusste Fake News, um Wähler für die beiden großen Parteien zu mobilisieren und damit einen besser beherrschbaren Zwei-Parteien-Staat zu stärken? Sollen die bürgerlichen Wähler mit einem »drohenden« SPD-Wahlsieg ins CDU-Lager gelockt werden? Oder geht es darum, mit einer an die Wand gemalten Wahlniederlage der SPD mögliche Wähler der Linken wieder zurück zu den Sozialdemokraten zu treiben? Oder beides? Welche Rolle spielen die Umfrageinstitute in diesem Spiel? Könnte es sich um eine bewusste Irreführung der Wähler durch Institute und Medien handeln?

Und was wird mit der bevorstehenden Bundestagswahl? Mitte Mai meldeten die Umfrageinstitute einen Vorsprung der CDU/CSU vor der SPD von etwa zehn Prozentpunkten. Aber bis kurz vor dem Wahltag im September werden sie vielleicht doch noch ein hilfreiches Kopf-an-Kopf-Rennen hinbekommen.

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