Fremd im eigenen Land: Schwerer Neustart für abgeschobene Mexikaner
Mexiko-Stadt (dpa) Die US-Behörden schieben Monat für Monat Tausende Mexikaner ab. Häufig haben sie ihr Heimatland schon als Kinder verlassen und ihr ganzes Leben in den Vereinigten Staaten verbracht. Zurück in Mexiko müssen sie sich erst einmal neu zurecht finden.
Juan Flores hat seinen Sohn Everardo seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Jetzt wartet er im Terminal 2 des Flughafens von Mexiko-Stadt auf den 28-Jährigen. Die US-Behörden haben Everardo ohne gültige Papiere erwischt und abgeschoben. In ein Land, das er kaum kennt.
Juan kehrte freiwillig von Chicago nach Mexiko zurück, weil er in den USA keine Arbeit mehr fand. "Meine Ex-Frau und meine fünf Kinder sind dort geblieben", sagt er. Über 20 Jahre arbeitete er in den Vereinigten Staaten auf dem Bau, aber zuletzt wollte ihn kein Unternehmen mehr. "Ich bin schon älter. Die Firmen wollen jüngere und stärkere Leute."
In Mexiko fand sich Juan schnell wieder zurecht. Er befürchtet allerdings, dass es seinem Sohn nicht so leicht fallen wird. "Ich habe ihn mit nach Chicago genommen, als er drei Jahre alt war", erzählt Juan, während er die Glastür der Zollabfertigung nicht aus den Augen lässt. "Er ist dort zur Schule gegangen. Seine Frau und seine zwei kleinen Kinder sind in den USA. Mexiko ist für ihn ein fremdes Land."
Tausende Mexikaner werden jeden Monat in ihr Heimatland abgeschoben. Auf viele wartet ein Kulturschock. "Bei einem großen Teil handelt es sich um Menschen, die Mexiko verlassen haben, als sie Kinder waren", sagt die Direktorin des zur Einwanderungsbehörde gehörenden Regierungsprogramms "Somos Mexicanos" (Wir sind Mexikaner), Dalia García Acoltzi. "Weil sie keine gültige Aufenthaltgenehmigung oder Vorstrafen haben, werden sie in ein Land abgeschoben, das sie nicht als ihres wahrnehmen."
Von Januar bis April wurden 47 169 Mexikaner aus den USA in ihr Heimatland abgeschoben. Trotz der harten Rhetorik von US-Präsident Donald Trump sind das deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum, als noch 66 998 Menschen abgeschoben wurden. Illegale Migranten in den Vereinigten Staaten passen jetzt offenbar besonders auf.
"Sie sind vorsichtiger geworden. Viele versuchen, einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Wenn die Beamten der Einwanderungsbehörde klingeln, machen sie nicht auf", sagt García. In den Latinogemeinden geht die Angst um. Nach Angaben der mexikanischen Einwanderungsbehörde kehrten in diesem Jahr bereits 25 Familien freiwillig zurück, weil sie fürchteten, durch eine Abschiebung auseinandergerissen zu werden.
Illegale Einwanderer aus Mexiko werden an den Grenzübergängen überstellt oder in Flugzeugen der US-Migrationsbehörde ICE nach Mexiko-Stadt gebracht. Dreimal pro Woche landen die Flieger in der mexikanischen Hauptstadt mit jeweils 135 Passagieren an Bord. Auf den Anzeigetafeln des Airports tauchen die Flüge nicht auf. Alle Abgeschobenen tragen Handschellen.
"Wenn sie aus der Tür des Flughafens kommen, denken viele: "Endlich bin ich frei." Viele von ihnen waren in den USA zwei oder drei Monate in Abschiebehaft", sagt Francisco Mayo vom Zentrum zur Unterstützung von Migranten. Dieses berät die Abgeschobenen juristisch und unterstützt bei den ersten Schritten in Mexiko.
"Allerdings wissen viele nicht, was sie hier tun sollen. Sie kennen die Stadt nicht und wissen nicht wohin sie gehen sollen. Deshalb benötigen sie Unterstützung", sagt Mayo.
Gegen Mittag öffnen sich die Glastüren und die ersten Abgeschobenen kommen heraus. Alle tragen eine Plastiktüte bei sich mit einer Flasche Wasser, etwas zu essen, einem Hygiene-Set und einem Dokument, das sie als Abgeschobene ausweist. Suchend blicken sie sich um, halten Ausschau nach vertrauten Gesichtern. Nicht auf alle wartet jemand.
"Ich habe versucht, Kontakt zu einigen Tanten und Nichten aufzunehmen", sagt Arturo Saldaña Valdez. 40 Jahre hat der 51-Jährige in den USA gelebt. Nun wurde er abgeschoben für "Dummheiten, als ich jung war", wie er sagt. Seine Frau und seine fünf Kinder blieben in den USA zurück. "Ich versuche jetzt, hier meine Dokumente in Ordnung zu bringen. Dann will ich sehen, ob ich nach Kanada gehen und mich dort mit meiner Frau und meinen Kindern treffen kann", sagt er.
Als einer der letzten tritt auch Everardo aus der Tür und schließt seinen Vater in die Arme. "Ich freue mich, ihn wiederzusehen", sagt er. "Jetzt muss ich mir Arbeit beschaffen und sehen, wie ich wieder mit meiner Frau und meinen Kinder zusammenkomme. Vielleicht kann ich auch etwas mehr von Mexiko kennenlernen. Es ist lange her, dass ich weggegangen bin und ich möchte mein Land kennenlernen."
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