Montag, 12. Juni 2017

Auf dem Weg in die Opposition (Conrad Taler)


Wer nicht ganz vernagelt ist, ahnte schon nach der Wahl im Saarland und erst recht nach der Wahl in Schleswig-Holstein, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen ihr Waterloo erleben würde. So geschah es denn auch. Dennoch sah der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner seine Partei weiter »auf Augenhöhe mit der Union«. Nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen kam ihm Ähnliches nicht mehr über seine sonst so flinken Lippen. Auch Martin Schulz fiel nur der nichtssagende Satz ein, bis zur Entscheidung im September hätten die Sozialdemokraten noch »eine lange Wegstrecke vor sich«. Optimismus klingt anders.

Wie es dazu kommen konnte, dass die Schwäche der SPD ausgerechnet in ihrer »Herzkammer« so deutlich zu Tage trat, ist nicht schwer zu erraten. Für viele Wähler vor allem im Ruhrgebiet ist die SPD schon lange nicht mehr das, was sie mal war: Sprecherin und Vorkämpferin der sozial Schwachen. Die Schulmisere mag bei dem Desaster eine Rolle gespielt haben, ausschlaggebend war sie nicht, obwohl Gerhard Schröders Lehrerbeschimpfung (»faule Säcke«) ihre Spuren hinterlassen hat. Die Schulpolitik fiel ohnedies in die Verantwortung der Grünen, und die wurden dafür auch abgestraft. Der Niedergang der SPD hat tiefere Ursachen. Es reicht eben nicht, nur die bessere CDU sein zu wollen. Eine so traditionsreiche Partei muss sich als gesellschaftliche Alternative und politischer Gegenpol zu den bürgerlichen Parteien präsentieren, egal ob in der Regierung oder in der Opposition.

Nach dem Krieg kam die SPD 44 Jahre lang mit drei Vorsitzenden aus: Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Willy Brandt. Sie hat sich in dieser Zeit als Widersacherin der Unionsparteien in der Außenpolitik profiliert und im Inneren als Vertreterin sozialer Belange. In den folgenden zwanzig Jahren verschliss die SPD nicht weniger als neun Vorsitzende, ohne damit an ihrer Grundmisere etwas ändern zu können. Seit Gerhard Schröder um des Beifalls der Wirtschaft willen deren Drecksarbeit beim Sozialabbau verrichtet hat, geht es abwärts mit der Sozialdemokratischen Partei. Ohne inhaltliche Neuorientierung wird sich nichts ändern. Einen Vorsitzenden mit dem Heiligenschein des Vorkämpfers für soziale Gerechtigkeit zu präsentieren, reicht nicht. Mit dem Thema traf er zwar den Nerv der Zeit, aber was die SPD konkret machen will, hat sie bisher nicht gesagt. Sie möchte um Gottes willen niemanden verärgern, schon gar nicht die sogenannte Mitte.

Auch auf anderen Gebieten Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit. Als der neue Mann im Weißen Haus die Welt in Angst und Schrecken versetzte, schwieg die SPD, statt sich mutig zu Frank-Walter Steinmeiers Verurteilung Trumps als »Hassprediger« zu bekennen. Den sinnlosen Abwurf der größten nichtnuklearen Bombe der USA stellte ausgerechnet der sozialdemokratische Verteidigungsexperte Rainer Arnold als militärisch gerechtfertigt hin. Als Ursula von der Leyen dem braunen Spuk bei der Bundeswehr nachspürte, sprang Arnold den Nazinostalgikern beflissen zur Seite und verwahrte sich gegen eine Pauschalverurteilung deutscher Soldaten. So lassen sich weder die Herzen noch die Hirne der Menschen gewinnen.

Es kommt ja noch Einiges dazu. Hat sich die SPD schon jemals um die Ängste jener Menschen gekümmert, die sich durch die Zuwanderer aus muslimisch geprägten Ländern in ihrer Identität bedroht fühlen? Polizisten werden das Problem wohl kaum lösen. Dass der AfD die Flügel gestutzt wurden, kann sich weder die SPD noch sonst jemand ans Portepee heften. Das hat allein Donald Trump bewirkt. Ungewollt öffnete er den Europäern die Augen darüber, was ihnen von Rechtspopulisten blühen kann. Eines allerdings hat die SPD geschafft: Die Linke aus dem Landtag in Nordrhein-Westfalen herauszuhalten. Schnell machte Hannelore Kraft vor dem Wahltag noch einen Kniefall vor den Rechten. Mit ihr als Ministerpräsidentin werde es keine Regierung unter Beteiligung der Linken geben, beteuerte sie. Auch das ging nach hinten los. Jetzt können CDU und FDP die Regierungsbildung in Düsseldorf unter sich ausmachen, quasi im Vorgriff auf die Lage im Bund nach der Wahl im Herbst, wenn es sein muss mit den Grünen als Steigbügelhalter.

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