Freitag, 12. Oktober 2012
Aufs „Shoppen“ reduziert
Eine Studie zur Lebensqualität in Großstädten / „ServiceValue GmbH“
Besprechung von Harry Popow
Kommunisten-online 12. Oktober 2012 – Der Mensch steht im Mittelpunkt. Schon gehört und gelesen? Früher, vor der „Wende“ und auch heutigentags. Je nachdem, wer auf den Menschen blickt, erweitert sich oder verengt sich der Blickhorizont. Der wahre Humanist sieht in ihm eine Persönlichkeit, die sich allseitig fachlich und kulturell bildet und sich in Würde entwickeln möge, vor allem im Arbeitsleben und im Privaten. Der im Dienste des Kapitals stehende Politiker sieht ihn ihm vor allem ein Kreuzchenmacher bei Wahlen. Ein Unternehmer und Wirtschaftsboss allerdings hat naturgemäß den engsten, raffiniertesten und trickreichsten Blick. Er berücksichtigt alle Umstände, die den Einzelnen veranlassen könnte, immer tiefer in den Geldbeutel zu fassen. Der Mensch ist für diese Truppe der „Fürsorglichsten“ nichts weiter als ein Käufer, ein Konsumidiot.
Und so sieht denn auch das nicht erst heute propagierte Menschenbild der Meinungmanipulation aus: Shoppen, Saufen, Essen. Darauf, und nur darauf richtet sich das große „menschliche Interesse“ der Kapitalmachthaber. Und nur so funktioniert die Wirtschaft.
Diesem Streben nach Profit und noch immer mehr Geldakkumulation, um im Luxus überleben zu können, dienen selbstverständlich auch gewisse Analysen und Statistiken. Schließlich sollten die oberen zehntausend Staats- und Wirtschaftlenker schon unter die Nase gerieben bekommen, wo sie günstig und mit hohem Gewinn weiterhin investieren können.
Wie wohl fühlen sich die Menschen in deutschen Großstädten? Was und wer gibt den Ausschlag, dass sie sich gut oder weniger gut fühlen? Ist es das Vergnügen, das Essen und Wohnen oder mehr das grundlegende, nämlich die Arbeit, also das Gebrauchtwerden?
Wen aber interessieren derlei Fragen? Es sei denn, man wolle in eine andere Stadt umziehen und will wissen, was der neue Wohnort denn so zu bieten hat. Auskunft gibt eine Studie, die die „ServiceValue GmbH“ verfasst hat. Sie ist ein auf Servicequalität und Wertemanagement spezialisiertes Analyse- und Beratungsunternehmen. Vielsagend ist die Studie überschrieben mit „Bürgerbefragung: Lebensqualität in Deutschlands Großstädten 2012“. Die Online-Befragung hatte sich im September 2012 an 2101 Einwohner der 15 Großstädte gewandt. Sie gibt in Zahlen Antwort über die Lebensqualität in diesen Städten Deutschlands. Die Analytiker kommentieren das so: Was verbindet die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Großstadt? Nicht die Arbeit – vielmehr das Flair und die Atmosphäre. Diese beiden Aspekte haben den größten Einfluss auf die Identifikation, die Treue, die Weiterempfehlung und auch die emotionale Geborgenheit. An zweiter Stelle folgen „Leute und Mentalität“, dann „Leben und Wohnen“, „Essen und Trinken“ sowie „Einkaufen und Shoppen“. Auf dem letzten Platz von insgesamt 19 untersuchten Teilqualitäten landen „Arbeit und Ausbildung“. Das Ziel sei, so die Macher, aufzuzeigen, „wie sich der Unternehmenswert durch optimale Servicegestaltung gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Partnern entwickeln lässt.“
Und an dieser Stelle sollte man bereits stutzig werden. Den größten Anteil befragten Einwohner stellen die 25 bis 34jährigen, also die zur sogenannten Wendezeit noch Kinder waren. Gleichfalls wurden Leute mit 1.501 bis 2.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen in den Fiskus genommen. Also gut Situierte, vor allem jene, die bis zu 5000 Euro verdienen und darüber. Auffällig: 62 Prozent der Befragten sind in Vollzeit beschäftigt und 68 Prozent im Angestelltenverhältnis. Leider befinden sich lediglich 13 Prozent Arbeiter und 14 Prozent Selbstständige/Freiberufler unter den Befragten. (Sie fallen durchs Sieb bei der Zielgruppenfindung.)
Die Statistik ist also vor allem ein Wegweiser für die Wirtschaft und macht klar, wo das Geld locker sitzt und wo noch mehr zu holen ist. Das sind – aufgepaßt, liebe Unternehmer – zum Beispiel Düsseldorf. In allen Parametern wie Arbeit und Ausbildung, Leben und Wohnen und Einkaufen und Shoppen haben die Düsseldorfer die Nase vorne.
Besonders aufschlußreich: Die Kriterien „Einkaufen und Shoppen“, „Essen und Trinken“ sowie „Events und Feste“ besitzen die höchste Priorität. Selbst in Berlin, wo „Arbeit und Ausbildung“, „Leben und Wohnen“, „Schulen und Bildung“ und „Umwelt und Sauberkeit“ die roten Laternen bei der Befragung bilden, behaupten sich auf Platz Eins u.a. „Events und Feste“, „Freizeit und Tourismus“, „Ausgehen und Nachtleben“ sowie „Einkaufen und Shoppen“.
Wenn Arbeit und Ausbildung nahezu unter den Tisch fallen, wie soll man dann die Spaßgesellschaft verstehen, da doch die Würde des Menschen und sein Geldbeutel geradezu von diesen so sehr grundlegenden Faktoren abhängen? Die Antwort liegt auf der Hand: Schon vergessen - wir sind ja beim Thema Dienstleistungen für unternehmerische Initiativen und nicht beim allseitigen sozialen Wohl für die Bürger.
Wie froh und glücklich kann sich ein Staat wie Deutschland also wähnen, wenn es stets zufriedene Bürger hat, die – trotz Arbeitslosigkeit und zunehmendem Zwiespalt zwischen Arm und Reich - mit jedem Spaß und Ulk ihr mitunter zukunftsloses Dasein fristen. Aber das ist ja – das sollte man eben nicht vergessen – kein Thema für die Großverdiener. Insoferm ist diese Untersuchung an die richtigen Adressaten gerichtet. Und die richten ihren spezifischen Eng-Blickwinkel auf die Kaufkraft Mensch, wie sollte es anders sein in diesem System.
Das Signal für die Staatenlenker und Wirtschaftsbosse: Laßt uns weiter Gewinne machen und genießen – Dank der zufriedenen Geborgenheit unserer Bürger. So mucken sie nicht auf und halten still. Im Klartext: „(…) Indem man die Menschen auf ihren wirtschaftlichen Nutzen reduziert, nimmt man ihnen das, was sie eigentlich erst dazu macht. Sie fristen ihre Existenz als gesellschaftliche Nutztiere und werden auch als solche behandelt…“ (Max Horkheimer, „Die gesellschaftliche Funktion der Philosophie“, Frankfurt/M. 1979. S. 73)
Dennoch, die ServiceValue, nachzulesen im Internet, darf sich des vielfachen Dankes ihrer Kunden rühmen. Hier nur ein Beispiel: 30.9.2010, Thomas Steck, Direktor Kundencenter und Außendienst, OTTO (GmbH & Co KG): "Wesentlicher Erfolgsfaktor unseres Unternehmens ist die starke Kundenorientierung, denn „Gute Gewinne“ schaffen langfristiges Wachstum – „Schlechte Gewinne“ werden auf Kosten der Kundenbeziehung erwirtschaftet, d.h. dem Kunden wird Wert entzogen. Dr. Dethloff und sein Team zeigen den Weg zu guten Gewinnen. Und auch Danke für Ihre beispielhafte Initiative beim Aufbau des branchenübergreifenden Wettbewerbs „Deutschlands kundenorientiertester Dienstleister“.
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