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Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) die März-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDURCK (Schwerpunkt ist die
Dokumentation des IMI-Kongresse „Politik der Katastrophe“);
2.) eine IMI-Analyse zu neuen Erkenntnissen über rechtsextreme Umtriebe
in der Bundeswehr.
1.) AUSRUCK (März 2021) – Schwerpunkt: Katastrophenpolitik
Soeben ist die neue Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK erschienen. Sie
dokumentiert als Schwerpunkt die Beiträge auf dem letzten IMI-Kongress
„Politik der Katastrophe“.
Die Ausgabe kann wie immer vollständig hier heruntergeladen werden:
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Maerz-2021-Web.pdf
SCHWERPUNKT: KATASTROPHENPOLITIK
-- Editorial (Christoph Marischka)
-- Schock-Doktrin: Plündern und Rauben (Jacqueline Andres)
-- Corona-Ausnahmezustand und „neue Normalität“ (Rolf Gössner)
-- Die Bundeswehr als Krisenakteur im Inland (Martin Kirsch)
-- Coronaprofiteur Bundeswehr (Tobias Pflüger)
-- (Tech)Geopolitik in der Pandemie (Christoph Marischka)
-- China gegen den Rest der Welt? (Andreas Seifert)
-- Die Rohstoffe der Elektromobilität (Gertrud Falk)
-- Aufstandsbekämpfung im Sahel (ffm-online)
-- Chile und die aktuellen Proteste (Valeria Bustamante)
MAGAZIN
Deutschland und die Bundeswehr
-- Der heilbare Krieg: Diskurse um Bundeswehr-Traumatisierung und PTBS
(Thomas Rahmann)
-- Keine Abschiebung nach Afghanistan (Jacqueline Andres)
-- Glutkern des Westens: NATO-Manifest aus der Böll-Stiftung (Jürgen Wagner)
-- Die Frontex-Files und das Cyber Valley (Christoph Marischka)
-- Hannibal-Komplex: Kontrollgremium bestätigt Existenz rechter
Netzwerke (Luca Heyer)
-- Angriff auf Linke Friedenspolitik: Matthias Höhn legt problematisches
Konzept vor (Tobias Pflüger)
Auslandseinsätze, Kriegsverbrechen und Straffreiheit
-- Allons Enfants? Umstrittene französische Luftangriffe in Mali
(Christoph Marischka)
-- Black Box Bounti: Drohne gegen Aussage (Christoph Marischka)
-- Gesetzeslose Soldaten: Wie Regierungen Kriegsverbrecher vor
Bestrafung schützen (Pablo Flock)
Nato
-- NATO 2030: Neuer Markenkern Großmachtkonkurrenz (Jürgen Wagner)
Sonstige
-- Völkerrechtswidrige Besatzungen: Palästina und West-Sahara (Pablo Flock )
-- Etappensieg gegen Rheinmetall? Italien stoppt Rüstungsexporte
(Jacqueline Andres)
2.) Artikel über neue Erkenntnisse zum Hannibal-Komplex
IMI-Analyse 2021/13 - in: AUSDRUCK (März 2021)
Hannibal-Komplex
Parlamentarisches Kontrollgremium bestätigt Existenz rechter Netzwerke
http://www.imi-online.de/2021/03/09/hannibal-komplex/
Luca Heyer (9. März 2021)
Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ist für die Kontrolle der
Geheimdienste des Bundes zuständig und überwacht den
Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD
bzw. BAMAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die
Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet,
das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der
Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu
unterrichten. Die Abgeordneten, die dem PKGr angehören, haben dadurch
einen besonders privilegierten Zugang zu sensiblen Informationen, dürfen
aber nicht bzw. nur bedingt über diese sprechen.
Im Dezember 2020 veröffentlichte das PKGr seinen Bericht über
„Erkenntnisse, Beiträge und Maßnahmen von Bundesamt für den
Militärischen Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und
Bundesnachrichtendienst zur Aufklärung möglicher rechtsextremistischer
Netzwerke mit Bezügen zur Bundeswehr“.[1] Dieser Bericht stellt den
Geheimdiensten, insbesondere dem MAD, kein gutes Zeugnis aus. Grundlage
des Berichts sind die Untersuchungen eines Ständigen Bevollmächtigten
des PKGr, der den Geheimdiensten „auf die Finger schaute“.
Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) hatte seit einigen Jahren
immer wieder über das Problem mit Neonazis in der Bundeswehr, besonders
beim Kommando Spezialkräfte (KSK), berichtet. 2019 wurden in der
IMI-Studie 2019/04b ausführliche Rechercheergebnisse über das
Hannibal-Netzwerk veröffentlicht. Seitens der Bundesregierung war
jahrelang geleugnet worden, dass überhaupt ein Problem bestehe. Die
gefährlichen rechten Netzwerke in den Sicherheitsbehörden wurden
schlicht geleugnet, z.B. in der Antwort auf eine Kleine Anfrage[2] 2019:
„Dem MAD liegen keine Erkenntnisse vor, dass im Umfeld des KSK
rechtsterroristische Netzwerke existieren würden oder im Entstehen
begriffen wären. [...] Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über
das angebliche Bestehen einer derartigen Gruppe.“
Im Bericht des PKGr, dem auch Vertreter*innen der Regierungsparteien
angehören, wird die Existenz solcher rechtsterroristischen Netzwerke nun
allerdings doch eingeräumt. So ist die Rede von einer
„besorgniserregende[n] reale[n] und digitale[n] Vernetzung“. Es gebe
„rechtsextreme organisierte Strukturen (Netzwerke) mit Bezügen zur
Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden“. Bei Polizei und
Geheimdiensten in Bund und Ländern seien „eine Reihe von Beschäftigten
mit rechtsextremistischem – auch gewaltorientiertem – Gedankengut
tätig“. Diese stünden „wenn auch nicht alle mit allen, so doch in
verschiedenen Kreisen in unterschiedlich intensiven Verbindungen
zueinander“. Kontakte zwischen den Teilbereichen des Netzwerks bestünden
vor allem über die Administratoren der rechten Chatgruppen. Die
Protagonisten des Netzwerks seien wegen ihrer ausgeprägten
Waffenaffinität, ihrer beruflichen Erfahrung bei Spezialkräften der
Bundeswehr, der Polizei und weiteren Behörden und ihrem privilegierten
Zugang zu Waffen gefährlich. Der sorglose Umgang mit Waffen und Munition
bei den Behörden hätte begünstigt, „dass Schusswaffen und Munition, die
zu einem großen Teil aus den Beständen der Bundeswehr und sonstiger
Spezialeinheiten der Polizeien stammen, für die Protagonisten unbemerkt
zu entwenden waren.“ Eine Vielzahl der handelnden Personen in dem
Netzwerk stünden in Kontakt zur Identitären Bewegung, dem „Flügel“ der
AfD, der Jungen Alternative und rechtsextremen Burschenschaften.
Außerdem begrüßt das PKGr, dass der Verein Uniter, der ebenfalls Teil
des Netzwerks ist und militärtaktische Trainings angeboten hatte, nun
vom BfV als Verdachtsfall eingestuft wurde, weil tatsächliche
Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung bestehen. Der Bericht resümiert mit der Feststellung, es
seien viele Fälle zutage getreten, „in denen aktive und pensionierte
Angehörige von Sicherheitsbehörden […] im Dienst erworbene Fähigkeiten
und sicherheitsrelevantes Spezialwissen in gewaltbereiten
Zusammenschlüssen […] gegen die Interessen der Bundesrepublik
Deutschland einsetzen.“ Insoweit deckt sich die Einschätzung des PKGr
weitgehend mit den 2019 veröffentlichten Rechercheergebnissen der IMI.
Die durchaus existenten Pläne, politische Gegner*innen an einem Tag X zu
ermorden, werden im Bericht des PKGr jedoch nicht erwähnt; es gebe zudem
„derzeit keine Beweise für eine ‚Schattenarmee‘, die einen gewaltsamen
Umsturz plant.“ Es ist lediglich davon die Rede, es seien „Listen von
Personen des öffentlichen Lebens zu einem nicht bekannten Zweck“
angefertigt worden. Der Zweck dieser Listen ist allerdings durchaus
bekannt – z.B. aus den Vernehmungen des Nordkreuz-Mitglieds Horst S.,
der aussagte, die Personen auf den Listen sollten „weg“. Dafür habe es
auch konkrete Planungen gegeben. Auch die Tatsache, dass bei Nordkreuz
die Bestellung von 200 Leichensäcken und Ätzkalk geplant war, spricht in
diesem Zusammenhang für sich.[3]
Rolle der Geheimdienste
Die Bewertung der Arbeit der Geheimdienste in diesem Komplex fällt
allerdings wieder ähnlich aus wie in der IMI-Studie 2019/04b. Die IMI
hatte damals geschrieben: „[…] nicht nur der MAD ist mit in das Netzwerk
verstrickt; auch die Verfassungsschutzbehörden in Baden-Württemberg und
Bayern […]. Es tummeln sich also allerlei Geheimdienst-Mitarbeiter*innen
um den Verein. Doch auch das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein:
UNITER bezeichnet sich selbst als Netzwerk für ‚SOF and Intelligence‘,
also Spezialkräfte und Geheimdienste.“ Die Geheimdienste waren zudem
auch an der jahrelangen Leugnung rechter Netzwerke in den Behörden
beteiligt. Sie sind also nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.
Das PKGr erkennt in seinem Bericht zumindest ein massives Versagen der
Geheimdienste an: „Im Laufe der Untersuchung wurde deutlich, dass der
BAMAD seine Aufgaben in der Bekämpfung des Rechtsextremismus und bei der
Spionageabwehr der Bundeswehr nicht in hinreichendem Maße wahrgenommen
hat. […] Der im Rahmen der Ermittlungen zutage getretene
Informationsabfluss aus dem BAMAD an das KSK zeigt Mängel in der
professionellen Distanz einzelner Beschäftigter bei der
Aufgabenwahrnehmung.“ Wegen mangelnder Kooperation mit anderen Diensten
und Strafverfolgungsbehörden komme es zu „Erkenntnislücken und
Analysedefiziten, die auch Auswirkungen auf die Beweisführung im
Strafprozess haben können.“ In diesem Bereich habe auch das BfV versagt:
Die Zusammenarbeit mit der Polizei und anderen Geheimdiensten sei „nicht
befriedigend und unzureichend abgestimmt“ gewesen.
Konsequenzen?
Es bleibt die Frage, welche Konsequenzen aus dem Befund gezogen werden
müssen, dass sich ein brandgefährliches rechtsterroristisches Netzwerk
in Bundeswehr, Polizei und Geheimdiensten bilden konnte. Die
Empfehlungen des PKGr sind in dieser Frage nicht weitgehend genug bzw.
werden dem Problem nicht gerecht. So wird neben eher begrüßenswerten
Maßnahmen wie einer Verschärfung des Waffenrechts auch empfohlen, die
Geheimdienste weiter zu stärken und Speicherfristen zu verlängern, was
das Problem nicht löst.
Die Verfassungsschutzbehörden und der MAD müssen aufgelöst werden! Sie
waren offensichtlich nicht in der Lage oder nicht willens, rechte
Netzwerke mit Terrorplänen effizient zu bekämpfen oder die Regierung in
dieser Thematik so zu beraten, dass sie die Problematik ernst nimmt.
Dies zeigte sich auch schon beim Nationalsozialistischen Untergrund
(NSU), der jahrelang trotz zahlreicher V-Leute im direkten Umfeld
ungestört morden konnte, was bis heute nur mangelhaft aufgeklärt wurde.
Auch hier versagten MAD und Verfassungsschutz oder – noch schlimmer –
sie behinderten die Aufklärung sogar. Es lassen sich in der
Vergangenheit noch mehr ähnliche Fälle finden. Aus ihrem eigenen
Versagen bzw. Fehlverhalten gehen die Geheimdienste immer wieder
gestärkt hervor – nur um dann wenige Jahre später erneut zu „versagen“.
Hier scheint ein strukturelles Problem vorzuherrschen. Dieses kann nur
durch die Auflösung dieser Behörden gelöst werden – Reformen ändern
nichts an den Ursachen für den momentanen Zustand, wie z.B. den
NS-Kontinuitäten der betreffenden Behörden. Dies betrifft im Übrigen
auch die Polizei und die Bundeswehr.
Wichtig ist jetzt, dass schonungslos aufgeklärt wird und rechte
Netzwerke unschädlich gemacht werden. Der vollständige Bericht des
Ständigen Bevollmächtigten des PKGr ist als geheime Verschlusssache
eingestuft, sodass nicht einmal die Abgeordneten im
Verteidigungsausschuss oder Innenausschuss des Bundestags diesen lesen
dürfen. Transparenz sieht anders aus. Auch von den Waffendepots des
Hannibal-Netzwerks wurde nur ein Bruchteil gefunden und fast alle
Beteiligten sind aktuell auf freiem Fuß – es besteht also immer noch ein
erhebliches Gefahrenpotenzial. Hier muss – insbesondere nach den
Erkenntnissen des PKGr – endlich das gesamte Netzwerk als Ganzes in den
Blick genommen und die Mär der vielen „Einzeltäter“ aufgegeben werden.
Nur dann kann die Gefahr, die vom Hannibal-Netzwerk ausgeht, nachhaltig
gebannt werden.
Prozess gegen KSK-Soldat
Dafür könnte es allerdings auch bereits zu spät sein. Momentan läuft in
Leipzig der Prozess gegen den ehemaligen rechtsextremen KSK-Soldaten
Philipp Sch., in dessen Garten im Sommer 2020 ein gewaltiges Waffendepot
mit Waffen und Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen ausgehoben wurde.
Angeklagt ist er nur wegen dieser Verstöße gegen das Waffengesetz bzw.
Sprengstoffgesetz. Der Prozess wird damit voraussichtlich leider nicht
aufklären, wofür die Waffen gedacht waren. Ebenso wird die Frage
ungeklärt bleiben, inwiefern Philipp Sch. sich in das Hannibal-Netzwerks
einfügt. Ermittler*innen fanden auf seinem Telefon die Nummern von
Polizisten, die zu Nordkreuz gehören.[4] Die meisten KSK-Soldaten, die
Teil des Hannibal-Netzwerks waren, kannte Sch. aus der gemeinsamen Zeit
in der 2. Einsatzkompanie des KSK. Die Indizien, die dafür sprechen,
dass Sch. mit diesen Personen Tag-X-Pläne schmiedete bzw.
Terroranschläge plante, sind erdrückend. Um dies aber abschließend
aufzuklären, hätte jedoch nicht nur (wie bei fast allen Protagonisten
des Netzwerks) wegen der Waffen und des Sprengstoffs ermittelt werden
müssen, sondern wegen der Bildung bzw. Unterstützung einer
terroristischen Vereinigung. Dies scheint aber seitens des Staates so
nicht gewollt, weil dann womöglich noch unangenehmere Wahrheiten ans
Licht kommen könnten.
Anmerkungen
[1] Deutscher Bundestag:
Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Erkenntnisse,
Beiträge und Maßnahmen von Bundesamt für den Militärischen
Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und
Bundesnachrichtendienst zur Aufklärung möglicher rechtsextremistischer
Netzwerke mit Bezügen zur Bundeswehr. Drucksache 19/25180. 11.12.2020.
[2] Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tobias Pflüger,
Christine Buchholz, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE. Drucksache 19/7513. 4.2.2019.
[3] Der Tagesspiegel: 200
Leichensäcke und Ätzkalk bestellt. Rechtsextremes Netzwerk plante
Attentate auf politische Gegner. 28.6.2019.
[4] Taz: KSK-Soldat vor Gericht: Waffen, Hitlerbilder,
Hetzschriften. 22.1.2021.
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Donnerstag, 25. März 2021
Online-Zeitschrift "IMI-List" Nummer 0586 .......... 24. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
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